Friedrich Merz und die Debatte um Brosius-Gersdorf - war was?

Analyse

Pressekonferenz von Kanzler Merz:War was?

Dominik Rzepka
von Dominik Rzepka
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Zwanzig Minuten lang muss Kanzler Merz auf seiner Pressekonferenz über die abgeblasene Richterwahl reden und würde sie lieber runterkochen. Konkret wird er eigentlich nur einmal.

Bundeskanzler Friedrich Merz.
Kurz vor der Sommerpause stellt sich Kanzler Merz den Fragen von Hauptstadtjournalisten. Die Pressekonferenz in voller Länge. 18.07.2025 | 92:17 min
Es dauert 46 Minuten, bis sich Friedrich Merz zum ersten Mal für eine Frage bedankt. Die Sommer-Pressekonferenz des Kanzlers läuft bereits 46 Minuten, da fragt ein Journalist nach Europa. Endlich geht es um Außenpolitik, um Deutschlands Rolle in der Welt.
Merz spricht von US-Präsident Donald Trump. Von den EU-Sanktionen gegen Russland. Von der zurückliegenden Präsidentschaftswahl in Polen. Das sind die Themen, über die Merz reden möchte. Und doch bitte nicht über Frauke Brosius-Gersdorf.
Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke
Der Kanzler habe zwar innenpolitische Akzente gesetzt, dennoch läge sein Fokus weiterhin auf der Außenpolitik, so Politikwissenschaftler von Lucke. 18.07.2025 | 21:28 min

Eigentlich will Merz über andere Themen reden

Schon in seinem Eingangsstatement versucht Merz, dem Thema Richterwahl keinen großen Raum zu geben. Erst einmal redet er über die Wirtschaft, spricht von einer Wende, setzt also ein eigenes Narrativ, einen eigenen Schwerpunkt. "Der Anfang ist gemacht", sagt er.
Erst ganz am Schluss kommt er auf die missglückte Wahl zu sprechen. Sagt, dass es keinen Zeitdruck gebe. Und dass nun die Abgeordneten von Union und SPD am Zuge seien.

Ich vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen das gut machen. Wir haben uns verabredet, das beim nächsten Mal besser vorzubereiten.

Friedrich Merz, CDU

Inhaltlich sagt Merz zu dem Thema fast nichts. Zu Brosius-Gersdorf wolle er keine Stellung beziehen, ihr Interview in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" habe er nicht gesehen, überhaupt sei zur Wahl "alles gesagt worden". Merz antwortet kurz, oft schmallippig und wirkt, als wolle er schnell das Thema wechseln, über seine Erfolge reden. Das aber funktioniert nicht.
Diana Zimmermann und Dunja Hayali sprechen im Schaltgespräch über die neue Tonalität durch Kanzler Merz
Mit Kanzler Merz sei auch eine neue Tonalität ins Kanzleramt eingezogen, sagt Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin.18.07.2025 | 2:57 min

So bewertet Merz die Koalition

Vor ein paar Tagen hatte Unionsfraktionschef Jens Spahn eingeräumt, dass die Bilanz der Koalition von der Richterwahl überschattet wurde, dass ihn das sehr ärgere. Wenn es dafür noch einen Beweis brauchte, hier wird er gerade erbracht.
Merz muss die Frage beantworten, welche Verantwortung er selbst eigentlich für die gescheiterte Wahl trage. Und ob seine Koalition auf wackeligen Beinen stehe.

Diese Regierung steht auf einem stabilen Fundament.

Friedrich Merz, CDU

Die jetzige Situation sei "keine Krise, es ist eine Situation, die besser sein könnte." An anderer Stelle sagt er, es gebe Höhen und Rückschläge. Merz könnte die versammelte Hauptstadtpresse auch fragen: "War was?"
 Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht während einer Pressekonferenz mit dem rumänischen Präsidenten Dan.
Kanzler Merz zieht bei seiner Sommerpressekonferenz Bilanz: Migration, Wirtschaft, Koalitionsstreit – viele Themen, viele Fragen. Britta Spiekermann fasst das Wichtigste zusammen.18.07.2025 | 1:54 min

SPD kritisiert Union deutlich

Der Koalitionspartner SPD sieht das etwas anders. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schreibt in einem Brief an seine Fraktion, er erwarte, dass die Union zur Stabilität in der Koalition beitrage. Und SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagt t-online:

Natürlich hat der ganze Vorgang das Vertrauen untereinander beschädigt.

Tim Klüssendorf, SPD

Wie ein Ausweg aussehen könnte? Merz deutet an einer Stelle an, dass Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückziehen könnte: "Wir wissen nicht, wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Wiederholungswahl sein werden". Und er verurteilt die Kritik an Brosius-Gersdorf als "beleidigend und herabsetzend":

Das, was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat, ist völlig inakzeptabel.

Friedrich Merz, CDU

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei seiner Sommer-Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz.
Kanzler Merz findet klare Worte zur Kritik an Brosius-Gersdorf, hält sich aber bei der Richterwahl alle Optionen offen. In der Migrationspolitik setzt er sich von Angela Merkel ab.18.07.2025 | 92:17 min

Israel, Feiertage, Bürgergeld

Es dauert zwanzig, vielleicht dreißig Minuten, bis das Thema Richterwahl beendet ist. Merz lächelt, fast ein wenig gequält. In den kommenden sechzig Minuten stellt sich Merz hinter Israel, "aber nicht bedingungslos" und kritisiert, was im Gazastreifen geschehe.
Er will sich nicht dafür aussprechen, Feiertage in Deutschland abzuschaffen. Diese Diskussion tauche immer wieder auf, wie das Ungeheuer von Loch Ness.
Und er stellt eine schnelle Reform des Bürgergeldsystems in Aussicht. Sie müsse "in diesem Herbst" kommen, sagt er. Und dass es in Deutschland viele gebe, "die sich die Möglichkeiten unseres Sozialstaates zunutze machen".
Bundeskanzler Friedrich Merz auf der Bundespressekonferenz
Mit ihrem Satz „Wir schaffen das“ machte die damalige Kanzlerin Merkel 2015 Schlagzeilen. Zehn Jahre später sei klar, es brauche eine andere Migrationspolitik, so Merz. 18.07.2025 | 0:39 min

Merz bricht mit Merkel

Und dann bricht Merz endgültig mit Angela Merkel. Seine Vorgängerin im Amt hatte auf einer Sommer-Pressekonferenz ihren Satz "Wir schaffen das" gesagt. Merz kontert:

Heute wissen wir, dass wir es in diesem Bereich, den sie damals gemeint hat, offenkundig nicht geschafft haben.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Seine Regierung versuche nun, das zu korrigieren. "Sie sehen an den Zahlen, dass wir da offensichtlich auf dem richtigen Weg sind, aber dieser Weg ist noch nicht zu Ende", sagt Merz.
Zu jeder anderen Zeit wäre eine solche Aussage wahrscheinlich die Schlagzeile auf jeder Nachrichtenseite der Republik. Stattdessen bestimmt die vergeigte Richterwahl nach wie vor alles. Eine Lösung hat Merz heute nicht präsentiert.

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