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Analyse
Pressekonferenz von Kanzler Merz:War was?
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Zwanzig Minuten lang muss Kanzler Merz auf seiner Pressekonferenz über die abgeblasene Richterwahl reden und würde sie lieber runterkochen. Konkret wird er eigentlich nur einmal.
Es dauert 46 Minuten, bis sich Friedrich Merz zum ersten Mal für eine Frage bedankt. Die Sommer-Pressekonferenz des Kanzlers läuft bereits 46 Minuten, da fragt ein Journalist nach Europa. Endlich geht es um Außenpolitik, um Deutschlands Rolle in der Welt.
Merz spricht von US-Präsident Donald Trump. Von den EU-Sanktionen gegen Russland. Von der zurückliegenden Präsidentschaftswahl in Polen. Das sind die Themen, über die Merz reden möchte. Und doch bitte nicht über Frauke Brosius-Gersdorf.
Eigentlich will Merz über andere Themen reden
Schon in seinem Eingangsstatement versucht Merz, dem Thema Richterwahl keinen großen Raum zu geben. Erst einmal redet er über die Wirtschaft, spricht von einer Wende, setzt also ein eigenes Narrativ, einen eigenen Schwerpunkt. "Der Anfang ist gemacht", sagt er.
Erst ganz am Schluss kommt er auf die missglückte Wahl zu sprechen. Sagt, dass es keinen Zeitdruck gebe. Und dass nun die Abgeordneten von Union und SPD am Zuge seien.
Ich vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen das gut machen. Wir haben uns verabredet, das beim nächsten Mal besser vorzubereiten.
Friedrich Merz, CDU
Inhaltlich sagt Merz zu dem Thema fast nichts. Zu Brosius-Gersdorf wolle er keine Stellung beziehen, ihr Interview in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" habe er nicht gesehen, überhaupt sei zur Wahl "alles gesagt worden". Merz antwortet kurz, oft schmallippig und wirkt, als wolle er schnell das Thema wechseln, über seine Erfolge reden. Das aber funktioniert nicht.
So bewertet Merz die Koalition
Vor ein paar Tagen hatte Unionsfraktionschef Jens Spahn eingeräumt, dass die Bilanz der Koalition von der Richterwahl überschattet wurde, dass ihn das sehr ärgere. Wenn es dafür noch einen Beweis brauchte, hier wird er gerade erbracht.
Merz muss die Frage beantworten, welche Verantwortung er selbst eigentlich für die gescheiterte Wahl trage. Und ob seine Koalition auf wackeligen Beinen stehe.
Diese Regierung steht auf einem stabilen Fundament.
Friedrich Merz, CDU
Die jetzige Situation sei "keine Krise, es ist eine Situation, die besser sein könnte." An anderer Stelle sagt er, es gebe Höhen und Rückschläge. Merz könnte die versammelte Hauptstadtpresse auch fragen: "War was?"
SPD kritisiert Union deutlich
Der Koalitionspartner SPD sieht das etwas anders. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schreibt in einem Brief an seine Fraktion, er erwarte, dass die Union zur Stabilität in der Koalition beitrage. Und SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagt t-online:
Natürlich hat der ganze Vorgang das Vertrauen untereinander beschädigt.
Tim Klüssendorf, SPD
Wie ein Ausweg aussehen könnte? Merz deutet an einer Stelle an, dass Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückziehen könnte: "Wir wissen nicht, wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Wiederholungswahl sein werden". Und er verurteilt die Kritik an Brosius-Gersdorf als "beleidigend und herabsetzend":
Das, was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat, ist völlig inakzeptabel.
Friedrich Merz, CDU
Israel, Feiertage, Bürgergeld
Es dauert zwanzig, vielleicht dreißig Minuten, bis das Thema Richterwahl beendet ist. Merz lächelt, fast ein wenig gequält. In den kommenden sechzig Minuten stellt sich Merz hinter Israel, "aber nicht bedingungslos" und kritisiert, was im Gazastreifen geschehe.
Er will sich nicht dafür aussprechen, Feiertage in Deutschland abzuschaffen. Diese Diskussion tauche immer wieder auf, wie das Ungeheuer von Loch Ness.
Und er stellt eine schnelle Reform des Bürgergeldsystems in Aussicht. Sie müsse "in diesem Herbst" kommen, sagt er. Und dass es in Deutschland viele gebe, "die sich die Möglichkeiten unseres Sozialstaates zunutze machen".
Merz bricht mit Merkel
Und dann bricht Merz endgültig mit Angela Merkel. Seine Vorgängerin im Amt hatte auf einer Sommer-Pressekonferenz ihren Satz "Wir schaffen das" gesagt. Merz kontert:
Heute wissen wir, dass wir es in diesem Bereich, den sie damals gemeint hat, offenkundig nicht geschafft haben.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Seine Regierung versuche nun, das zu korrigieren. "Sie sehen an den Zahlen, dass wir da offensichtlich auf dem richtigen Weg sind, aber dieser Weg ist noch nicht zu Ende", sagt Merz.
Zu jeder anderen Zeit wäre eine solche Aussage wahrscheinlich die Schlagzeile auf jeder Nachrichtenseite der Republik. Stattdessen bestimmt die vergeigte Richterwahl nach wie vor alles. Eine Lösung hat Merz heute nicht präsentiert.
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