Das Aus der Schweiz bei der EM 2025: Ein 0:2 wie ein Sieg

Gastgeberland vor einem Boom:Schweizer EM-Aus: Ein 0:2 wie ein Sieg

von Frank Hellmann, Bern
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Die Schweizer Fußballerinnen gehen mit großen Emotionen und vielen Tränen aus dem EM-Turnier. Der Gastgeber hat alles gegeben - und ein Vermächtnis hinterlassen.

Die Spanierin Aitana Bonmati und die Schweizerin Lia Wälti umarmen sich nach dem Schlusspfiff des EM Viertelfinales.
Respekt, liebe Gastgeberinnen: Weltfußballerin Aitana Bonmati herzt die Schweizer Kapitänin Lia Wälti (links).
Quelle: AP Photo/Alessandra Tarantino)

Nadine Angerer hatte es eilig. Die Torwarttrainerin der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft marschierte sofort mit Schlusspfiff auf ihre Keeperin Livia Peng zu, dann lagen sich beide in den Arm. Selten war die ehemalige deutsche Weltklassetorhüterin als Trostspenderin dermaßen gefragt.
Die von Werder Bremen zum FC Chelsea gewechselte Peng parierte beim Viertelfinal-Aus der EM 2025 gegen Spanien (0:2) in Bern einen Strafstoß von Alexia Putellas (81.) und ahnte beim von Mariona Caldentey neben das Tor gesetzten Elfmeter die Ecke (9.).

Merci-Plakat für die Fans

Der tränenreiche Abschied war mit ihren tüchtigen Taten nicht zu verhindern, aber Peng ging erhobenen Hauptes aus dem Wankdorf-Stadion: "Das ganze Land stand hinter uns, das haben wir gespürt."

Wir können sehr viel mitnehmen: Wir sind einfach eine Familie geworden.

Torhüterin Livia Peng

Die meisten der knapp 30.000 Zuschauer wollten gar nicht zu den Zügen an der Station Wankdorf hetzen, weil sie sonst die lange Ehrenrunde mit einem roten Banner ("Merci Fans") verpasst hätten.
Die Spanierin Claudia Pina feiert mit Alexia Putellas (rechts) nach dem zweiten Tor ihrer Mannschaft.
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Dass sich ein spanisches Spalier bildete, um die Verliererinnen in die Kabine zu leiten, sorgte für Gänsehautgefühle. Zuvor hatte es einen Fanmarsch mit fast 25.000 Menschen vom Bundesplatz über die Altstadt bis hin zu dieser traditionsreichen Spielstätte gegeben.

Ich bin so stolz auf die Schweiz.

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Die Schweizer Nationaltrainerin Pia Sundhage hat den Stimmungsumschwung seit ihrem Amtsantritt 2024 am eigenen Leib erlebt: "Es ist phänomenal, es ist schwer zu erklären. Als ich vor anderthalb Jahren hier war und in Bern gelebt habe, war es sehr anders." Aus zarten Mauerblümchen sind unter ihrer einfühlsamen Anleitung prächtige Rosen geworden.
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Auf jeden Fall bleibt ein Vermächtnis: Es gibt erste Rückmeldungen, dass in Schulen und Vereinen viele Mädchen nun unbedingt Fußball spielen wollen, weil diese Sportart einfacher und weniger kostspielig als Skifahren, Eishockey oder Tennis.
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Nadine Riesen macht den Fans ein Kompliment
Der Schweizer Fußball-Verband (SFV) sieht sein wichtigstes Ziel erreicht: Dass es bei der "Nati" künftig nicht nur um die Männer geht.
800.000, 900.000 Menschen schauten den Frauen im SRF zu, Public-Viewing nicht eingerechnet. Mit jeder EM-Partie wuchs das Interesse. Eidgenössische Zurückhaltung wich der Begeisterung. Viele Spielerinnen kämpften deswegen in der Mixed Zone mit ihren Tränen.
"Wir haben so viel bewegt in den vergangenen Wochen, so viele Herzen gewonnen", erklärte Kapitänin Lia Wälti:

Das war mehr, als wir uns jemals erträumt haben.

Kapitänin Lia Wälti

Nadine Riesen, die wie Geraldine Reuteler und Noemi Ivelj noch bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag steht, sprach mit tränenerstickter Stimme: "Die Fans sind alle unglaublich gewesen. Wir hätten ihnen einfach viel mehr geben wollen."
Zwei Weltklasseaktionen von den Weltmeisterinnen
Für ein Wunder von Bern hätte es bei allem ehrenwerten Bemühungen gegen den Ball bessere Umschaltaktionen geben müssen. Dennoch präsentierte sich das Team viel besser als unter Sundhage-Vorgängerin Inka Grings im WM-Achtelfinale 2023 (1:5).
Die spielerisch klar überlegenen Weltmeisterinnen brauchten zwei Weltklasseaktionen zum Halbfinaleinzug. Nach einem Hackentrick von Weltfußballerin Aitana Bonmati erzielte die eingewechselte Athenea del Castillo das 1:0 (66.), dann setzte Claudia Pina den Ball kunstvoll in den Winkel (71.).

Wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt, es hat richtig Spaß gemacht. Wir sind gelaufen, bis wir nicht mehr konnten.

Torhüterin Livia Peng

Livia Peng wollte sich deshalb nicht ärgern: "Ich glaube, wir haben auch mental einen riesigen Schritt gemacht." Dies oder Ähnliches könnte ihr Nadine Angerer nach dem Schlusspfiff zugeflüstert haben.

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