Internationaler Vergleich:Was ist dran am deutschen Rekord-Krankenstand?
Laut OECD-Daten melden sich Menschen in Deutschland häufiger krank als in allen anderen untersuchten Staaten. Woran das liegt und warum der Länder-Vergleich Schwächen hat.
In Deutschland wird über den hohen Krankenstand und einen Karenztag diskutiert. Mehr dazu im Video.
07.01.2025 | 1:37 minDie Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sammelt Daten zu Krankentagen pro Jahr. Mit 24,9 bezahlten Tagen pro Person im Jahr 2022 ist der Wert in Deutschland im OECD-Vergleich am höchsten.
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Allerdings ist die Datenlage uneinheitlich und somit kaum vergleichbar. In Deutschland sind die Krankenstände durch die Krankenkassen relativ gut erfasst - doch könnten Tage fehlen, weil Beschäftigte erst ab dem vierten Krankheitstag ein ärztliches Attest vorlegen müssen. Unterschiedliche Meldesysteme beeinflussen die Dunkelziffer.
OECD: Daten kaum vergleichbar
Zudem erfasst die Statistik nur bezahlte Fehltage: In Schweden kann der erste Krankheitstag unbezahlt bleiben, danach gibt es 80 Prozent Lohnausgleich für 14 Tage. In Deutschland erhalten Beschäftigte ab dem ersten Tag 100 Prozent ihres Gehalts für 42 Kalendertage.
Auch die OECD räumt Schwächen der Daten ein: "Nationale administrative Daten sind kaum zwischen den Ländern vergleichbar und oftmals auch innerhalb eines Landes nur bedingt über die Zeit vergleichbar."
Laut Befragungsanalyse liegt Deutschland nicht an der Spitze
Darüber hinaus hat die OECD ausgewertet, wie viele Stunden Beschäftigte anteilig an der Wochenarbeitszeit krank sind. Mit 6,8 Prozent liegt Deutschland dabei im oberen Bereich. An der Spitze ist allerdings Norwegen mit 10,7 Prozent. Basis für diese Ergebnisse sind Befragungsdaten des European Labour Force Survey. Die OECD-Analyse liegt dem ZDF vor.
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Was die OECD-Rankings aber andeuten, ist, wie großzügig die jeweiligen Versicherungssysteme gestaltet sind. "Selbst wenn wir methodisch vergleichbare Daten hätten, würden wir ähnliche Unterschiede zwischen den Ländern sehen", erklärt Nicolas Ziebarth, Ökonom am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
Wir haben eines der großzügigsten Systeme der Welt. Das führt dazu, dass wir auch einen der höchsten Krankenstände haben.
Prof. Nicolas Ziebarth, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Wie sich der Krankenstand entwickelt - und was das für die Wirtschaft bedeutet.
27.08.2024 | 3:10 minHohe Krankenstände sind ein Wohlstands-Effekt
Hohe Krankenstände sind unter anderem ein Effekt von Wohlstand. Neben der Großzügigkeit des Systems werden Krankentage auch von der Wirtschaftslage beeinflusst.
"Wenn die Wirtschaft brummt und es wenig Arbeitslosigkeit gibt, steigen die Fehlzeiten. Haben wir stattdessen eine Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit, gehen die Fehlzeiten zurück", beschreibt Ziebarth den Zusammenhang.
Sprunghaftes Wachstum der Krankentage im Jahr 2022
Im Jahr 2022 allerdings stieg die Zahl der Krankentage in Deutschland plötzlich auf 24,9 an. In den Jahren davor lag der Wert laut OECD-Zahlen bei rund 20 Krankentagen pro Person.
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Die Studie "Der Rekord-Krankenstand: Fakten und Mythen" der Krankenkasse DAK untersuchte den Anstieg der Fehlzeiten. Ein wesentlicher Faktor sei vor allem die konsequente Einführung der elektronischen Krankmeldung: Seit 2022 übermitteln die Arztpraxen Krankmeldungen direkt an die Krankenkassen. Vorher mussten Beschäftigte die Krankmeldungen aktiv an die Krankenkassen weiterleiten - so fielen einige aus der Statistik.
DAK legt neue Zahlen vor:"Blaumachen" kein Grund für Rekordkrankenstand
Elektronische Krankmeldung und neues Bewusstsein lassen Zahlen steigen
Außerdem hat sich bei Beschäftigten der Umgang mit Krankheit seit der Corona-Pandemie 2020 verändert: Befragte gaben an, häufiger zum Arzt zu gehen und sich häufiger offiziell krankschreiben zu lassen, auch wenn es der Arbeitgeber nicht verlangt. Gleichzeitig ist Präsentismus - also das Arbeiten trotz Krankheit - rückläufig.
Die gesetzlichen Krankenkassen haben ihre Beiträge deutlich erhöht zum Jahreswechsel, da ihnen ein Milliardenloch drohte. Aber dadurch steigen auch die Lohnnebenkosten.
13.01.2025 | 2:33 minDie DAK-Studie ergab zudem, dass kein Missbrauch der telefonischen Krankschreibung bestehe und die "Blaumacher"-Quote in Deutschland gering sei.
Fakt bleibt: Hohe Krankenstände verursachen Kosten. "Vorschläge wie unbezahlte Karenztage würden die Last auf die Arbeitnehmer umlegen - finanziell oder in der Form, krank zur Arbeit zu gehen - insbesondere für Arbeitnehmer in nicht tarifvertraglich gebundenen Jobs", so Nicolas Ziebarth.
Redaktion: Kathrin Wolff
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