Prozess in Frankreich: Berufungsverfahren im Fall Pelicot

Vergewaltigungsprozess in Frankreich:Berufungsverfahren im Fall Pelicot

Anne Arend
von Anne Arend
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Im Gerichtssaal trifft Gisèle Pelicot erneut auf einen ihrer Vergewaltiger. Der Fall hatte eine Debatte über sexualisierte Gewalt ausgelöst, weit über Frankreichs Grenzen hinaus.

Gisèle Pelicot verlässt das Gerichtsgebäude von Avignon.

Der Fall und das Urteil im Fall Gisèle Pelicot gingen um die Welt.

Quelle: AFP

Ein Jahr nach dem ersten Urteil kehrt der Fall Pelicot in den Gerichtssaal zurück. Wieder richtet sich der Blick eines ganzen Landes auf die Frau, die einst beschloss, das Schweigen zu brechen. Mit ihrer Entscheidung, den Prozess öffentlich zu führen, wurde Gisèle Pelicot zu einer Ikone im Kampf gegen sexualisierte Gewalt.

Gisele Pelicot verlässt in Avignon das Gerichtsgeäude nach der Urteilsverkündung.

Im Vergewaltigungsprozess von Avignon wurde die 72-jährige Gisele Pelicot zur feministischen Ikone. Sie kämpfte dafür, dass die Scham auf die Seite der Täter wechselt.

19.12.2024 | 1:52 min

Ihr Mut hat sie zur Heldin gemacht

Im Berufungsverfahren trifft sie heute erneut auf einen der mutmaßlichen Täter. Ebenso aber auf zahlreiche ihrer Unterstützerinnen, die eigens ins südfranzösische Nîmes reisen. Sie wollen ihre Heldin am Nachmittag vor dem Justizpalast empfangen, erzählt etwa die Feministin Blandine Deverlanges, so wie im vergangenen Herbst an jedem einzelnen Verhandlungstag. Auch eine kleine Demo ist geplant. Dankbar zeigte sich Pelicot damals für die Solidarität, die sie "tief berührt und ihr Kraft gegeben" habe, das alles durchzustehen.

Auch jetzt wird sie bei dem auf drei Tage angelegten Prozess im Saal präsent sein. "Sie hätte sich das gern erspart, aber sie wird da sein, um klarzumachen, dass eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung bleibt", so ihr Anwalt Antoine Camus gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

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19.12.2024 | 1:00 min

Wiedersehen vor Gericht

Die heute 72-Jährige war von ihrem damaligen Ehemann Dominique Pelicot über Jahre hinweg heimlich betäubt worden und von ihm sowie von anderen Männern, die er in einem Internetforum kontaktiert hatte, vergewaltigt worden. Alle 51 Angeklagten wurden in erster Instanz verurteilt. Bis zuletzt haben viele bestritten, Vergewaltiger zu sein, sagten, sie seien von einem einvernehmlichen Spiel ausgegangen. Einer von ihnen will nun vor Gericht die Neubewertung der Beweise erreichen. Dominique Pelicot, der geständige Haupttäter, wird als Zeuge auftreten.

Und wieder beschäftigt der Fall nicht nur Richter, Anwälte, Angeklagte und Kläger. Die Aufmerksamkeit im ganzen Land ist groß. Vor einem Jahr hatte Pelicot ihren Wunsch und ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass sich die Gesellschaft verändere.

Im Vordergrund Gisèle Pelicot mit Sonnenbrille, rechts hinter ihr ihre Tochter. Links dahinter das Bild von Dominique Pelicot, im Hintergrund Fahnen und Poster von einer Kundgebung, die auf dem Boden liegen

Dominique Pelicot setzt fast ein Jahrzehnt lang seine Ehefrau Gisèle immer wieder unter Drogen und vergewaltigt sie. Außerdem bietet er sie in diesem Zustand anderen Männern zum Missbrauch an.

02.10.2025 | 58:46 min

Debatte über "chemische Unterwerfung"

Der Fall hat in Frankreich bereits eine breite öffentliche Diskussion über "chemische Unterwerfung" ausgelöst - also über Fälle, bei denen Täter ihre Opfer durch die Verabreichung von Drogen oder Schlafmitteln gefügig machen. Behörden haben daraufhin Maßnahmen angekündigt, um betroffenen Personen schneller Hilfe zu leisten.

Vorgesehen sind kostenlose toxikologische Tests in Laboren, deren Ergebnisse vor Gericht verwertbar sein können. Außerdem sollen in allen Krankenhäusern mit Notaufnahme oder gynäkologischer Abteilung Möglichkeiten zur unmittelbaren Anzeigeerstattung geschaffen werden. In den kommenden Monaten sollen die Maßnahmen weiter vorangebracht werden.

Pelicot im Gericht

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Das Parlament hat zudem eine Gesetzesänderung eingebracht, die den Begriff der Vergewaltigung präzisiert. Nach dem Entwurf muss die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr künftig ausdrücklich, freiwillig und bewusst erfolgen. Aus Schweigen oder Handlungsunfähigkeit soll kein Einverständnis mehr abgeleitet werden können. Die abschließende Abstimmung wurde aufgrund der Regierungskrise verschoben.

Politische Reformen stehen somit am Anfang, auch die Gesellschaft verändert sich. Doch langsam.

Expertin Tacke

Der Missbrauchsfall Pelicot schockiert die ganze Welt. Wie der Fall rechtlich in Deutschland zu bewerten wäre, erklärt Rechtsexpertin Sarah Tacke.

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Wachsende Sensibilität in der Gesellschaft

Opferverbände und Beratungsstellen verzeichnen seit dem ersten Prozess vor einem Jahr nach eigener Auskunft deutlich mehr Anfragen. Viele Frauen meldeten sich mit dem Verdacht, durch Partner oder Bekannte betäubt und missbraucht worden zu sein. Denn, auch das zeigt der Fall Pelicot: Sexualisierte Gewalt ist kein Randphänomen. Oft hinterfragten die Angeklagten im Gerichtssaal ihr Verhalten nicht einmal.

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