Messerattacke von Mannheim:Lebenslange Haft nach Mord an Polizisten
Im Mai 2024 erstach Sulaiman Ataee den Polizisten Rouven Laur auf dem Mannheimer Marktplatz, fünf weitere Menschen verletzte er teils schwer. Jetzt fiel das Urteil im Mordprozess.
In Mannheim starb ein Polizist, der nach einem Messerangriff Opfern helfen wollte. Der Täter ist nun zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden.
16.09.2025 | 1:38 min"Er stand für den Rechtsstaat und er ist für den Rechtsstaat gestorben." So beschreibt Herbert Anderer, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, den Polizisten Rouven Laur. Ihn erstach Sulaiman Ataee aus islamistischen Motiven am 31. Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz. Für diesen Mord sowie wegen mehrfachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verurteilte das OLG den 26-jährigen A. zu lebenslanger Freiheitsstrafe.
Das Gericht stellte auch die besondere Schwere seiner Schuld fest. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Angeklagte kann Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.
Attentäter wollte möglichst viele "Ungläubige" umbringen
In erster Linie wollte der afghanische Asylbewerber Ataee in Mannheim den Islamkritiker Michael Stürzenberger töten. Dieser veranstaltete dort am 31. Mai 2024 mit seiner "Bürgerbewegung Pax Europa" eine Kundgebung. Ataee griff zunächst Stürzenberger und vier weitere Teilnehmer mit einem Jagdmesser an, sie überlebten teils schwer verletzt.
Als der Polizeibeamte Rouven Laur zur Hilfe eilte, stach Ataee von hinten auf ihn ein. Der Beamte erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Kameras haben das gesamte Geschehen aufgezeichnet, die Videos liefen auch über die Wände des Gerichtssaals in Stuttgart-Stammheim.
Ein Jahr nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim hat die Stadt des getöteten Polizisten Rouven Laur gedacht.
31.05.2025 | 1:25 minDas Gericht sah es als erwiesen an, dass Ataee aus islamistischen Motiven handelte. Schon seit 2021 habe er sich mit den Lehren der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) befasst und habe sich in der Folgezeit immer weiter radikalisiert. Über Telegram habe er sich mit radikalislamischen Chatpartnern ausgetauscht, unter anderem mit einem Prediger, der unter dem Kürzel "O.R." aufgetreten ist.
Dieser O.R., dessen Identität bis heute ungeklärt ist, habe ihm die Erlaubnis erteilt, möglichst viele "Ungläubige" und "Götzendiener" umzubringen. Dazu zählte für Ataee nicht nur Stürzenberger, sondern auch Rouven Laur, der als Polizist den demokratischen Rechtsstaat in Deutschland verteidigte. Für den Attentäter seien die Telegram-Chats eine "Anleitung zum Töten" gewesen, sein Handeln habe er als "religiöse Pflicht" empfunden. Er hatte nach Auffassung des Gerichts außerdem die Absicht, bei seiner Tat als "Märtyrer" zu sterben.
"Seine Schuld wiegt besonders schwer"
In seinem Schlusswort gestern bat der Angeklagte die Familie Laur um Entschuldigung. Seine Tat bezeichnete er als "verrückt" und sagte, er hätte sich nicht manipulieren lassen dürfen: "Ich werde mir das nie verzeihen können." Nicht jeder im Saal glaubte ihm diese Worte - im Publikum war Raunen zu vernehmen, nach der Sitzung diskutierten Zuschauer noch über die Aussage.
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18.02.2025 | 27:52 minUnd auch das Gericht hielt seine Reue nicht für wirklich aufrichtig, insbesondere seine Rechtfertigung mit dem Leid der Menschen in Gaza sei nicht glaubhaft. Dies, verbunden mit den islamistischen Motiven, der Grausamkeit der Tat und der Zahl der Opfer, führten zu der Feststellung, die auch die Bundesanwaltschaft gefordert hatte:
Seine Schuld wiegt besonders schwer.
Herbert Anderer, Vorsitzender Richter am OLG Stuttgart
Damit ist eine vorzeitige Entlassung aus der Haft nahezu ausgeschlossen. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung sah das Gericht ab - solange Ataee weiter gefährlich sei, könne er ohnehin nicht freigelassen werden, so der Vorsitzende.
Die besondere Schwere der Schuld ist in § 57a Strafgesetzbuch geregelt. Dieser sieht vor, dass auch bei einer Verurteilung zu lebenslanger Haft unter bestimmten Voraussetzungen nach 15 Jahren eine Bewährung möglich ist. Das ist allerdings ausgeschlossen, wenn "die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet".
Um zu klären, ob die Schuld des Täters besonders schwer wiegt, bezieht das Gericht verschiedene Faktoren ein, unter anderem das Motiv, die Art und Weise der Tatausführung et cetera.
Die Regeln zur Sicherheitsverwahrung finden sich in §§ 66 ff. Strafgesetzbuch. Sie ist keine Strafe, sondern eine präventive Maßnahme. Sie dient dazu, die Bevölkerung vor Tätern zu schützen, die ihre Strafe verbüßt haben, aber weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.
Die Täter bleiben eingesperrt, allerdings nicht im Gefängnis, sondern in besonderen Einrichtungen, in denen es zum Beispiel größere Therapieangebote gibt.
Richter an Nebenkläger: "Irgendwann, irgendwie Frieden finden"
In dem Verfahren gab es zahlreiche Nebenkläger, allen voran die Familie von Rouven Laur. Im Prozess sprach unter anderem die Mutter des getöteten Polizisten. In emotionalen Worten erzählte sie vom Leben ihres Sohnes und von den Werten, für die er sich einsetzte. Auch der Vorsitzende zeigte sich davon sichtlich bewegt:
Diese Worte haben uns wahrscheinlich allen das Herz zugeschnürt.
Herbert Anderer, Vorsitzender Richter am OLG Stuttgart
Zum Schluss der Urteilsverkündung lobte er alle Menschen, die am 31. Mai 2024 "ihr Bestes gegeben" und "alles richtig gemacht" hätten - Familie, Freunde, Einsatz- und Rettungskräfte. Für diese Menschen könnte der demokratische Rechtsstaat sich glücklich schätzen.
An die Opfer, insbesondere an die Familie von Rouven Laur gewandt, richtete der Vorsitzende noch einen letzten Wunsch: "Hoffentlich können Sie irgendwann, irgendwie Frieden finden, ohne sich vom Rechtsstaat abzuwenden."
Die Angehörigen des Opfers äußerten sich nach der Verkündung nicht. Das Urteil habe man, so die Anwälte der Familie, in dieser Form erwartet - nun könne man mit der eigentlichen Trauerarbeit beginnen.
Samet Er arbeitet als De-Radikalisierungsberater im Strafvollzug. Sein Ziel ist es, Islamisten Wege aufzeigen, sich aus der Szene zu lösen.
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