Äthiopien: Amnesty meldet Verstöße gegen Menschenrechte
Menschenrechte in Äthiopien:Vom Nobelpreisträger zum Kriegstreiber
von Susann von Lojewski
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Staatspräsident Abiy Ahmed bekam einst den Friedensnobelpreis. Dann führte er Krieg gegen die Provinz Tigray. Menschenrechte schränkt er ein, immer mehr fliehen aus Äthiopien.
Präsident Ahmed, eins Friedensnobelpreisträger ist mittlerweile Kriegstreiber in der Region Tigray. Politische Gegner lässt er verfolgen, Amnesty meldet Menschenrechtsverstöße.
Quelle: AFP
Stolz lächelte Dan Yirga in die Kamera, als er 2022 den Menschenrechtspreis von Amnesty International Deutschland überreicht bekam. Yirga erhielt die Auszeichnung für den Menschenrechtsrat EHRCO, seit über 30 Jahren die unabhängige Stimme für Menschenrechte in Äthiopien. Ihre Arbeit seitdem: immer schwieriger.
Der seit vier Wochen herrschende bewaffnete Konflikt zwischen der äthiopischen Regierung und der Regionalregierung der Provinz Tigray trifft die Menschen in Tigray schwer: Die Nahrung ist knapp, Krankenhäuser überlastet und Zehntausende flüchten.30.11.2020 | 1:45 min
Amnesty International: Verhaftungswellen nehmen zu
Mitarbeitende von EHRCO erlebten Verfolgung, Verhaftung, sogar Misshandlungen. Ende 2024 wurden die Drohungen gegen Yirga selbst so massiv, dass er ins Nachbarland Kenia floh.
Die Verhaftungswellen haben immer mehr zugenommen.
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Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrika-Referentin bei Amnesty International Deutschland
Franziska Ulm-Düsterhöft Referentin für die Region Afrika bei Amnesty International Deutschland, sagt: "Seit 2024 haben wir schon mehr als ein dutzend Menschenrechtsverteidiger*innen dabei unterstützt, außer Landes zu kommen: Jurist*innen, Richter*innen, Journalist*innen und andere, die sich für Menschenrechte einsetzen."
Weltweit sind 2024 laut Amnesty International so viele Menschen hingerichtet worden wie zuletzt 2015. Die meisten Exekutionen fanden im Iran, Irak und Saudi-Arabien statt.08.04.2025 | 0:28 min
Abiy Ahmed galt als Hoffnungsträger in Afrika
Als der junge Abiy Ahmed 2018 Präsident in Äthiopien wurde, galt er als ein Hoffnungsträger in Afrika. Das Time-Magazine feierte ihn als einen der 100 einflussreichsten Politiker der Welt. Nur ein Jahr später bekam er - mit nur 43 Jahren - den Friedenobelpreis für seine Friedensbemühungen mit dem Nachbarland Eritrea.
Doch schon 2020 begann er einen brutalen Krieg gegen die Region Tigray und fährt seither eine harte Linie gegen politische Gegner*innen.
Unter den diesjährigen Friedensnobelpreisträgern sind Menschenrechtsorganisationen aus Russland und der Ukraine sowie der belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljatzki.07.10.2022
Regierung von Abiy Ahmed: Gegner inhaftiert
Ulm-Düsterhöft berichtet von Satellitenaufnahmen eines Regierungslagers in der Region Amhara, in der sich tausende Inhaftierte befinden sollen. Menschen, die mit der Politik von Äthiopiens Staatspräsident Abiy Ahmed nicht einverstanden sind. Die Echtheit der Bilder haben Amnesty-Expert*innen für die digitale Beweissicherung verifiziert.
Satellitenaufnahmen sollen ein Regierungslager in der Region Amhara zeigen, in dem Präsident Abiy Ahmed politische Gegner inhaftieren lässt.
Quelle: Amnesty International
Zwangsumsiedlungen in Hauptstadt von Äthiopien
Die rigide Politik des äthiopischen Präsidenten trifft jedoch nicht nur Intellektuelle. Für eine Art Infrastrukturprojekt in der Hauptstadt wurden erst unlängst hunderte zwangsumgesiedelt. Innerhalb von drei Tagen mussten sie ihre Häuser verlassen. Eine Entschädigung gab es nicht.
Amnesty International hat diese Fälle dokumentiert, ihren Namen wollen die Betroffenen aus Angst vor weiteren Repressionen nicht nennen. Einer berichtet: "Mein Kind leidet, weil seine Schule jetzt weit weg ist. Auch wir haben mit psychischen Problemen zu kämpfen. Unser soziales Leben ist ruiniert."
Konflikt mit Tigray trotz Friedensschluss nicht beendet
Seit dem offiziellen Friedensschluss mit der Provinz Tigray Ende 2022 sind die innenpolitischen Konflikte in Äthiopien aus den internationalen Medien verschwunden. 600.000 Menschen sollen damals getötet worden sein, Millionen vertrieben. Wirklich beigelegt sind die Auseinandersetzungen trotz internationalem Druck auf die Regierung in Addis Abeba nicht.
Im Gegenteil: Abiy Ahmed reagiere darauf mit "zunehmender Einschränkung demokratischer Freiheiten und einer stärkeren Überwachung der Zivilgesellschaft", sagt Susanne Stollreiter, Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Äthiopien.
Der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement scheint zu schrumpfen.
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Susanne Stollreiter, Friedrich-Ebert-Stiftung in Äthiopien
Stollreiter fürchtet eine weitere Verschlechterung der Lage mit Blick auf die Wahlen 2026. "Im Übrigen ist die Tatsache, dass Wahlen abgehalten werden, kein Indiz für den Zustand der Demokratie in einem Land. Der immer kleiner werdende Raum für die Zivilgesellschaft, den wir in Äthiopien wahrnehmen, ist im Kontext der Wahlen zu sehen und wird sich vermutlich noch weiter verringern."
Wie Domino-Steine stürzen die Regierungen in Afrikas Sahel-Zone. Juntas putschen sich an die Macht, nutzen antifranzösische Stimmungen und versprechen eine neue Souveränität.23.11.2023 | 29:27 min
Anwältin: Freie Presse sollte keine Repressionen fürchten
Ähnlich sieht das auch Haimanot Bejiga vom Amnesty International-Büro in Kenia. Auch die studierte Anwältin und Journalistin musste aus Äthiopien fliehen und versucht jetzt, über intensive Recherche und ihre Verbindungen in ihr Heimatland immer wieder auf die Menschenrechtslage aufmerksam zu machen.
Die Zivilgesellschaft - einschließlich der freien Presse - spielt eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Berichterstattung über Menschenrechtskrisen.
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Haimanot Bejiga, Amnesty International in Kenia
"Eine solche Berichterstattung sollte von den Behörden als Mittel für konstruktive Maßnahmen verstanden werden und nicht mit Repressionen beantwortet werden", so Bejiga.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Äthiopiens Präsident sich von derlei Aufforderungen unbeeindruckt zeigt. Selbst wenn sein Land international immer weiter isoliert wird und Finanzhilfen gestrichen werden. Der Friedensnobelpreisträger von einst hält sich an der Macht mit eiserner Härte.
Der Gaza-Krieg macht international täglich Schlagzeilen - viele humanitäre Großkrisen, vor allem in Afrika, sind einem Report zufolge dagegen "blinde Flecken". Warum ist das so?
von Marcel Burkhardt
Quelle: dpa
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