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FAQ
Asylzentren in Albanien:EuGH-Urteil bringt Italiens Asylplan ins Wanken
von Philip Traxel
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Im Rechtsstreit um Italiens Asylzentren in Albanien hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Melonis Prestigeprojekt erleidet einen weiteren Rückschlag.
Als erstes EU-Land wollte Italien Asylverfahren außerhalb der EU in Albanien abwickeln. Nachdem das Vorhaben bereits mehrfach gerichtlich gestoppt wurde, landete der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Konkret geht es um die Asylanträge zweier Männer aus Bangladesch, die im Schnellverfahren in Albanien abgelehnt wurden. Der Grund: Die italienische Regierung hatte ihr Herkunftsland per Gesetz als "sicher" eingestuft. An dieser Einschätzung hatte das zuständige italienische Gericht Zweifel - und legte den Fall dem EuGH vor.
Worum geht es?
Giorgia Melonis Albanien-Modell sah vor, dass Menschen aus sicheren Herkunftsländern gar nicht erst italienischen Boden betreten, um sie schneller zurückführen zu können. Welche Länder als sicher gelten, legt die italienische Regierung dabei selbst fest.
Ziel ist es, Asylverfahren ohne Aussicht auf Erfolg nicht in Italien, sondern in eigens errichteten Asylzentren in Albanien durchzuführen. Dazu greifen italienische Beamte im Mittelmeer Geflüchtete auf und prüfen dort, wer für das Verfahren infrage kommt. Betroffen sind Personen aus Staaten, die Italien als sichere Herkunftsländer einstuft, darunter Bangladesch und Ägypten. Besonders Schutzbedürftige wie Frauen, Minderjährige oder Kranke sind ausgenommen und gelangen nach Italien. Geeignete Personen sollen zunächst ins Aufnahmezentrum in Shëngjin, anschließend zur Antragsbearbeitung ins Lager nach Gjadër gebracht werden. Die Verfahren werden nach italienischem Recht von italienischen Behörden durchgeführt. Im Falle einer Ablehnung ist eine Rückführung direkt aus Albanien vorgesehen.
Was wurde entschieden?
Der EuGH hat geurteilt, dass Mitgliedstaaten durch ein Gesetz selbst entscheiden können, welche Länder als sichere Herkunftsländer gelten. Auf dieser Grundlage kann ein Asylantrag abgelehnt werden. Diese Einstufung muss jedoch transparent erfolgen und auf überprüfbaren Quellen beruhen. Es wird betont, dass die Informationen sowohl den Gerichten als auch den Antragstellern zugänglich sein müssen. Das Urteil eröffnet Verwaltungsgerichten somit die Möglichkeit, die Einstufung eines Landes als sicher zu überprüfen und ihr gegebenenfalls zu widersprechen.
Daneben hat der Gerichtshof klargestellt, dass ein Land nicht als sicheres Herkunftsland eingestuft werden kann, wenn dort bestimmte Gruppen wie ethnische Minderheiten oder queere Menschen gefährdet sind. Die gesamte Bevölkerung in dem Land muss sicher sein. Dies gilt zumindest bis zum Inkrafttreten einer neuen EU-Verordnung im nächsten Jahr.
Mit der generellen Frage, ob Asylverfahren in Drittstaaten mit Unionsrecht vereinbar sind, beschäftigte sich das Gericht nicht.
Was gilt in Deutschland?
Auch die Bundesregierung plant, die Liste sicherer Herkunftsländer zu erweitern und deren Einstufung zu vereinfachen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf von Union und SPD sieht vor, dass die Festlegung dieser Länder künftig per Rechtsverordnung durch die Regierung erfolgen kann. Dadurch sollen Verfahren beschleunigt und irreguläre Migration eingedämmt werden.
Was gilt in der EU?
Noch vor dem Inkrafttreten der Reform des "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" (GEAS) im Sommer 2026 hat die EU-Kommission im April erstmals eine gemeinsame Liste von sieben sicheren Herkunftsländern vorgeschlagen, darunter auch Bangladesch. Asylanträge aus diesen Ländern sollen bevorzugt im Schnellverfahren geprüft werden. Die Liste würde EU-weit gelten, ersetzt jedoch nicht die nationalen Einstufungen. Mitgliedstaaten könnten weiterhin eigene Listen führen. Ausnahmen hiervon sollen möglich bleiben, etwa für besonders schutzbedürftige Gruppen oder Herkunftsregionen. Der Vorschlag bedarf noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten.
In der Praxis erwies sich Melonis Asylmodell bislang als weitgehend wirkungslos, die Lager in Albanien blieben monatelang leer. Erste kleinere Gruppen von Geflüchteten mussten auf Anordnung der Gerichte doch nach Italien gebracht werden. Inzwischen nutzt die italienische Regierung die albanischen Asylzentren anders: als Abschiebelager für ausreisepflichtige Personen.
Philip Traxel berichtet für die Redaktion Recht & Justiz des ZDF
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