Analyse
Vor Rutte-Besuch:Warum es in Bosnien und Herzegowina kriselt
von Laura Meyer
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Erst Verurteilung, dann seperatistische Gesetze: Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik zündelt und verunsichert Teile der Bevölkerung. Europa hat noch keine klare Antwort.
Milorad Dodik mit Anhängern im Februar.
Quelle: AP/dpa/Radivoje Pavicic
Seit der Verurteilung des Nationalisten und Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, überschlagen sich die Ereignisse in Bosnien und Herzegowina. Teile der Bevölkerung sorgen sich um die eigene Sicherheit, seit Dodik Gesetze unterschrieben hat, die das ohnehin gespaltene Land weiter trennen und eine Abspaltung der Republika Srspka vom Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina vorantreiben würden.
Seit Ende des Bosnienkrieges 1995 ist das Land in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska und die Föderation Bosnien und Herzegowina, in der hauptsächlich bosnische Kroaten und Bosniaken leben, aufgeteilt. Die beiden Landesteile sind halbautonom vom Zentralstaat. Ein Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen soll die Einhaltung des Friedensvertrages, der auch die bosnische Verfassung ist, sicherstellen. Derzeit hat der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt das Amt inne.
Kreml-Freund und Nationalist Dodik setzt sich seit Jahren für die Abspaltung der Republika Srpska vom bosnischen Staat ein und leugnet den Genozid von Srebrenica. Mittlerweile hat das bosnische Verfassungsgericht die separatistischen Gesetze per einstweiliger Verfügung zwar aufgehoben - Dodik hat allerdings angekündigt, das nicht anzuerkennen.
Internationale Gemeinschaft sorgt sich
US-Außenminister Marco Rubio hatte die Pläne Dodiks als Bedrohung für "Sicherheit und Stabilität" des Landes gewertet. Laut Balkanexperte Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik scheint Dodik sehr darauf gesetzt zu haben, dass die neue US-Regierung still bleiben und seinen Kurs unterstützen würde. Dies scheine nach den Aussagen von Rubio auf X aber nicht der Fall zu sein. Dodik habe sich hier wohl verkalkuliert. Insgesamt stehe die Region unter dem Einfluss von rasanten globalen Verschiebungen, die Donald Trump angestoßen habe.
"Europa und die internationale Weltordnung befinden sich im Umbruch", sagt Dzihic. Die rechten und autoritären Allianzen fühlten sich durch die Autokratisierung der USA gestärkt.
Diese Situation versucht auch Milorad Dodik auszunutzen und den Westen gewissermaßen zu testen.
Vedran Dzihic, Politikwissenschaftler
Angesichts der Lage kündigte die EU-Militärmission Eufor eine "vorübergehende Verstärkung" ihrer Kräfte vor Ort an. Dabei handele es sich um eine "proaktive Maßnahme, die darauf abzielt, Bosnien und Herzegowina im Interesse aller seiner Bürger zu unterstützen", erklärte sie. Aktuell sind rund 1.500 Soldatinnen und Soldaten aus 24 Ländern an der Mission beteiligt. Nach Angaben der Bundeswehr sind darunter bis zu 50 Deutsche.
Bisher keine eindeutige Antwort von EU und Nato
Die Nato kündigte an, dass Generalsekretär Mark Rutte am Montag nach Sarajevo reisen werde. Die EU-Delegation im Land rief zu einer Deeskalation auf.
Sowohl EU als auch die Nato hätten in der derzeitigen Situation überhaupt kein Interesse an einem Konflikt im Westbalkan, sagt Politikwissenschaftler Dzihic. Die Antworten von Rubio und der EU seien "unmissverständlich und es läuft darauf hinaus, dass man dieses gefährliche politische Spiel nicht mehr dulden möchte". Konkrete Maßnahmen wurden noch nicht ankündigt.
Srebrenica Memorial Center vorerst geschlossen
Für Teile der Bevölkerung vor Ort bleibt insbesondere in der Republika Srpska die Sorge vor einer erneuten Eskalation. Das Srebrenica Memorial Center zum Gedenken an den Völkermord von Srebrenica im Jahr 1995 kündigte auf X an, dass es aufgrund der Sicherheitslage bis auf weiteres geschlossen bleibe. Es befindet sich in der Republika Srpska.
Wir rufen die Staatsführung auf, so schnell wie möglich alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die grundlegende Sicherheit aller Bürger in jedem Winkel dieses Landes zu gewährleisten, beginnend in Srebrenica.
Statement des Srebrenica Memorial Centers auf X am 7.3.2025
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