MAX: Wie Russland für mehr Online-Zensur sorgen will

Noch mehr Kontrolle übers Netz:Wie Russland für mehr Online-Zensur sorgen will

ZDF-Korrespondentin Anna Feist
von Anna Feist
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Ab heute gelten in Russland neue Gesetze, die dem Land noch mehr Kontrolle über Online-Inhalte geben. Auch ein Messenger-Dienst, der seine Abonnenten ausspäht, wird etabliert.

Ein Demonstrant in Russland mit einem Plakat auf dem steht "Für ein Russland ohne Zensur"

Der Kreml will Online-Inhalte weitgehender kontrollieren. Ein neues Gesetz enthält eine Liste sogenannter "extremistischer Inhalte" - darauf auch die Namen von Oppositionellen.

01.09.2025 | 1:39 min

Was ist eigentlich extremistisch und damit strafbar? In Russland gibt es dafür eine lange Liste mit islamischen Hasspredigten, mit Nazi-Literatur wie den Tagebüchern von Goebbels, aber auch Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und seine Biographie sind hier gelistet.

Insgesamt fast 5.500 vermeintliche extremistische Buchtitel, Videos und Musiken. Wer im Internet ab heute danach sucht, der riskiert ein Bußgeld von umgerechnet 50 Euro und einen Eintrag in die Akte.

Messenger Made In Russia: Der Kurznachrichtendienst MAX

In Russland muss nun auf jedem Smartphone die im Auftrag des Kreml entwickelte Messenger-App MAX installiert sein. Kritiker befürchten eine stärkere Überwachung der Bevölkerung.

01.09.2025 | 0:21 min

"Schlechte Nachrichten", so kommentiert Dmitri Kolesew auf seinem YouTube-Kanal das neue Gesetz.

Die russischen Behörden unternehmen einen sehr wichtigen und gefährlichen Schritt in ihrer repressiven Politik.

Dmitri Kolesew, Polit-Journalist

"Zum ersten Mal im Land werden sie nicht nur die Urheber verbotener Informationen, sondern auch deren Konsumenten bestrafen", so Kolesew.

Demonstrierende Anhänger Nawalnys

Nach Nawalnys Tod sucht die russische Opposition nach einer Strategie. Doch im Exil herrscht Streit, während Oppositionellen in Russland Repressionen drohen.

08.05.2025 | 29:51 min

Kolesew: "Noch ist dieser Kampf nicht verloren"

Auch er kann davon ausgehen, dass sein YouTube-Kanal bald gelistet ist: Dmitri Kolesew ist Polit-Journalist, Kreml-Kritiker und Kriegsgegner - seit 2022 lebt er im Exil, mittlerweile in Portugal. In seiner Heimat gilt er als "ausländischer Agent". Und seit Juli 2025 auch als "Extremist und Terrorist". Das Problem, so sagt er, sei nicht das Gesetz selber, denn das sei an sich gar nicht so hart formuliert. Aber:

In Russland können Gesetze willkürlich ausgelegt werden. Wenn das so gewollt ist, können auch die bestraft werden, die nicht explizit gegen das Gesetz verstoßen haben.

Dmitri Kolesew, Polit-Journalist

Grafik: Donald Trump als Schatten, dahinter Erdkugel mit zerfetzter USA-Flagge und dunkle Wolken, Schriftzug: "Der Trump Effekt - sind Autokratien stärker als Demokratien?"

Sind Autokratien wie China und Russland effizienter als Demokratien? Oder haben die Demokratien lediglich vergessen, was ihre eigentliche Stärke ausmacht?

26.03.2025 | 47:31 min

Die Menschen seien schon im Vorfeld verängstigt und würden übervorsichtig. Auch er und andere Exil-Journalisten merken das etwa dadurch, dass ihre Abonnenten-Zahlen rückläufig sind. Dmitri Kolesew hat über 600.000 Abonnenten, bisher seien es nur ein paar Hundert, die ihm nicht mehr folgen, aber:

"Es wird für russische unabhängige Medien zunehmend schwieriger, ihr Publikum zu erreichen. Noch ist dieser Kampf nicht verloren. Die enormen Anstrengungen der russischen Behörden, unabhängige Medien zu blockieren, unabhängige Journalisten zu verfolgen und ihnen den Mund zu verbieten deuten darauf hin, dass die russischen unabhängigen Medien für sie nach wie vor ein großes Problem und eine große Bedrohung darstellen. Sonst würden sie nicht so aktiv dagegen ankämpfen", so Kolesew.

Und das gibt uns das Gefühl, dass unsere Arbeit nicht umsonst ist.

Dmitri Kolesew, Polit-Journalist

Russland weist Journalisten aus

Als Reaktion auf das Aufenthalts- und Arbeitsverbot für einen Korrespondenten von Channel One gab Russland nun die Ausweisung von zwei ARD-Mitarbeitern aus Moskau bekannt.

28.11.2024 | 1:49 min

Widerstand gegen die neue Online-Scharfmachung

Nicht nur im Exil, auch in Russland selber gibt es Widerstand gegen die neue Online-Scharfmachung: Boris Nadeschdin wollte 2024 Kreml-Chef Wladimir Putin im Präsidentschaftswahlkampf herausfordern, doch er wurde nicht als offizieller Kandidat zugelassen.

Putin trifft sich mit Teilnehmern des Bildungsmarathons Znaniye.Pervye in Moskau

Am 7. Mai 2000 wurde Putin erstmals als Präsident in sein Amt eingeführt. Ein Blick auf die Kreml-treue Berichterstattung in Russland zeigt, wie Putins Macht und Verehrung inszeniert werden.

05.05.2025 | 2:18 min

Ende Juli 2025, an dem Tag, als das Gesetz beschlossen wurde, steht Nadeschdin mit einer kleinen Gruppe - vorrangig Journalisten - vor der Staatsduma und lässt öffentlichkeitswirksam seiner Wut freien Lauf: "Das wird Probleme für Millionen Menschen verursachen. Lasst uns WhatsApp verbannen, lasst uns Wikipedia verbannen, lasst es uns verbieten nach Worten im Internet zu suchen."

Das ist eine Dystopie. Aber wir werden dagegen halten.

Boris Nadeschdin

Denn es gibt noch ein zweites Staatsvorhaben, das Nadeschdin so gar nicht passt.

Kremlchef Wladimir Putin ist vor ukrainischen Banknoten zu sehen.

Mit einem neuen Gesetz will Präsident Selenskyj Anti-Korruptionsbehörden vor dem Kriegsfeind Russland schützen. Warum er damit massive Proteste auslöst – Analyse bei ZDFheute live.

23.07.2025 | 26:28 min

Ein russischer Messenger-Dienst, der ausspäht

Ab heute, dem 1. September, wird der Messenger-Dienst MAX zur nationalen Kommunikationsplattform. MAX ist eine Art russisches WhatsApp - der Entwickler VK, natürlich staatstreu, ist bekannt dafür, Regime-Kritiker auszuspähen. MAX, so das erklärte Ziel des Kremls, soll Signal, Telegram und WhatsApp verdrängen, all jene Nachrichtendienste also auf die der Einfluss vom Kreml nur begrenzt Wirkung zeigt.

Sie kann der Kreml nicht zwingen, sich an seine Zensur zu halten, seine Propaganda zu verbreiten und Nutzerdaten an seinen Geheimdienst weiterzugeben. Noch ist MAX zwar nicht obligatorisch, der Staat aber nutzt schon jetzt verschiedene Methoden, um die Bürger zu zwingen, die App zu benutzen. So etwa Eltern mit schulpflichtigen Kindern in Moskau, die müssen den russischen Messenger-Dienst ab heute installiert haben.

Putin vor russischer Flagge, Kreml im Hintergrund.

Russland geht verstärkt gerichtlich gegen Kritiker, Journalisten und sogar einfache Bürger vor. ZDFheute live spricht darüber mit Friedensnobelpreisträger Ratschinski.

20.04.2023 | 40:13 min

Nadeschdin will sich nicht einschüchtern lassen

Kritiker fürchten die App werde nicht nur in der Lage sein, private Nachrichten mitzulesen und Einsicht auf alle Kontakte und Fotos zu haben, sondern ihr werde es auch möglich sein, den Nutzer auf Schritt und Tritt zu lokalisieren. Nachfrage bei dem Oppositions-Politiker Nadeschdin, wie wird er damit umgehen? "Wie so viele Russen habe ich mir eine einfache Lösung überlegt: Ein Telefon mit WhatsApp und Telegram, und ein Telefon, wo MAX installiert ist."

Denn, so viel steht fest, davon einschüchtern lassen wolle er sich nicht - und die Not, sie macht in Russland erfinderisch.

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