Südafrika: Was ist dran an Trumps Genozid-Vorwurf?
Faktencheck
Angebliche Gräber in Südafrika:Was ist dran an Trumps Genozid-Vorwurf?
von Oliver Klein und Jan Schneider
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Trump zeigt dem Präsidenten Südafrikas ein Video mit angeblichen Gräbern weißer Farmer, um einen "Genozid" in dessen Land zu beweisen. Doch an den Behauptungen ist nichts dran.
US-Präsident Trump (r.) zeigt während eines Treffens mit Südafrikas Präsident Ramaphosa (l.) ein Video, das einen Genozid an weißen Farmern belegen soll.
Dann zeigt US-Präsident Trump erneut auf den Bildschirm: "Das ist schlimm!", sagt er. "Dies sind Begräbnisstätten." Der Clip zeigt eine Landstraße mit einer langen Schlange von Autos, am Straßenrand stehen Hunderte weiße Kreuze.
"Diese Autos stehen dort, um ihre Anteilnahme zu zeigen, an einem Sonntagmorgen. Jedes dieser weißen Dinger, die Sie da sehen, ist ein Kreuz. Es sind ungefähr eintausend. Alles weiße Farmer und deren Familien", erklärt Trump. Die Familien seien getötet worden. "Ein schrecklicher Anblick. Ich hab so etwas noch nie gesehen."
Clip zeigt keine Begräbnisstätte
Ramaphosa neben ihm scheint irritiert. "Hat man Ihnen gesagt, wo das ist?", fragt er Trump. Dass der südafrikanische Präsident den angeblichen Friedhof nicht kennt, ist kein Wunder: Es gibt ihn nicht. Der Clip zeigt keine Begräbnisstätte, sondern einen Trauerzug aus dem Jahr 2020 bei Newcastle im Osten Südafrikas, über den lokale Medien berichteten.
Dort war wenige Tage zuvor nach Angaben der Polizei ein weißes Farmer-Ehepaar ermordet worden. Auf Fotos und Videos des Protestzugs sind Traktoren mit Bannern zu sehen, darunter der Schriftzug: "Präsident Ramaphosa, wie viele müssen noch sterben???"
Weiße Kreuze sind in Südafrika ein gängiges Protestsymbol bei Demonstrationen gegen Gewalt an Farmern. Sie waren im Vorfeld des Protests symbolisch aufgestellt und später wieder entfernt worden. Aufnahmen von Google Street View aus dem Jahr 2023 zeigen dieselbe Straße ohne weiße Kreuze.
Rechts ein Screenshot des von Trump gezeigten Videos mit den weißen Kreuzen von 2020. In den Google-Street-View-Aufnahmen von 2023 sind die Kreuze nicht mehr zu sehen.
Quelle: Screenshot von Trump Video / Google Street View
Ein anderes Bild, das Trump als Beleg für angebliche Massenmorde an Weißen in Südafrika zeigte, stammt aus einem Video der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Kongo. Darauf sind Helfer zu sehen, die nach Kämpfen mit M23-Rebellen in der kongolesischen Stadt Goma Leichensäcke tragen.
US-Präsident Trump zeigt Nachrichtenartikel zur Gewalt in Südafrika - das abgebildete Foto im Artikel stammt jedoch aus dem Kongo
Quelle: ddp / JIM LO SCALZO
Oppositionschef singt "Kill the Farmer"
In einem anderen der Clips, die Trump dem südafrikanischen Präsidenten vorspielte, um einen angeblichen Genozid an weißen Farmern zu belegen, singt der Oppositionspolitiker Julius Malema den Song "Kill the Boer, Kill the Farmer" - es ist inzwischen das Erkennungszeichen des Politikers, das der EFF-Chef (Economic Freedom Fighters) regelmäßig bei seinen Kundgebungen anstimmt. Einen ähnlichen Clip hatte auch schon Elon Musk bei X geteilt.
Präsident Cyril Ramaphosa verurteilte gegenüber Trump den gezeigten Inhalt, wies jedoch darauf hin, dass in Südafrika Meinungsfreiheit herrsche.
Tatsächlich ist der Song in Südafrika äußerst umstritten. Verbände der weißen Minderheit sehen darin einen Aufruf zur Gewalt, klagten vor Gericht - jedoch ohne Erfolg. Der Song sei Teil des politischen Protests und werde von einer "vernünftigen, gut informierten Person" nicht wörtlich verstanden, urteilten die Richter. Das Lied sei vielmehr ein Weg, die politische Agenda der EFF voranzutreiben - nämlich die Beendigung von "Land- und Wirtschaftsunrecht".
Gesellschaftliche Konflikte spalten Südafrika
So spiegelt sich im Streit um das Lied auch der größere gesellschaftliche Konflikt in Südafrika wider: zwischen der Aufarbeitung kolonialer und apartheidbedingter Ungerechtigkeiten, dem Ruf nach wirtschaftlicher Umverteilung und dem Empfinden weißer Minderheiten, zunehmend ausgegrenzt oder bedroht zu werden.
Das Apartheidsregime in Südafrika endete zwar 1994, aber die Auswirkungen der weißen Vorherrschaft sind bis heute spürbar: Weiße haben im Durchschnitt einen höheren Lebensstandard und bessere Jobs. Sie stellen zwar nur knapp acht Prozent der Bevölkerung, besetzen aber über 60 Prozent der Spitzenpositionen.
Mindestens 45 Menschen sind bereits bei den Unruhen in Südafrika ums Leben gekommen. Ausgebrochen sind die Proteste, als der frühere Präsident Jacob Zuma festgenommen wurde.14.07.2021 | 2:47 min
Hohe Mordrate in Südafrika - aber kein Genozid
Den angeblichen Genozid an weißen Landwirten, den Trump mit seinen Videos beweisen wollte, gibt es nicht: Polizeistatistiken in Südafrika zeigen zwar eine dramatisch hohe Mordrate im Land, belegen aber keine besondere Gefährdung weißer Südafrikaner oder Farmer gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen.
Die Kriminalstatistiken in Südafrika unterscheiden Fälle nicht nach Hautfarbe, doch die verfügbaren Zahlen zeigen ein klares Bild: Im letzten Quartal 2024 wurden insgesamt 6.953 Menschen im Land ermordet - zwölf von ihnen stammten aus der "Farming Community", wie es in der Statistik heißt, also aus der Landwirtschaft. Nur eines der Opfer war tatsächlich Farmbesitzer, die übrigen Getöteten waren Mitarbeiter, vermutlich mehrheitlich Schwarze. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den vorangegangenen Quartalen. Die Statistik liefert also einen deutlichen Hinweis dafür, dass Gewalt in Südafrika weit verbreitet ist, sich aber nicht spezifisch gegen weiße Farmer richtet.
Verena Garrett, Leiterin des ZDF-Auslandsstudios Johannesburg ordnet ein:
Es ist faktisch nicht nachweisbar, dass es in Südafrika einen Völkermord gibt und dass Weiße systematisch verfolgt werden. Es ist eher das Gegenteil der Fall: Die meisten Morde werden an Brennpunkten begangen, in Townships und Armenvierteln des Landes.
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Verena Garrett, Leiterin des ZDF-Auslandsstudios Johannesburg
Es handele es sich bei den Opfern um Männer in ärmeren Gegenden, die meistens Schwarz seien, so Garret. Erst im Februar kam auch ein südafrikanisches Gericht in einem Urteil zu dem Schluss, dass es keinen Völkermord an Weißen gibt.
Das Narrativ eines "weißen Genozids" behauptet, dass weiße Farmer in Südafrika systematisch verfolgt oder getötet würden - oft im Kontext von einer von der Regierung anvisierten Landreform. Diese These wird von internationalen Rechtspopulisten und Rechtsextremen verbreitet.
Südafrikanische Gerichte, Menschenrechtsorganisationen und Experten weisen das Narrativ entschieden zurück. In einem Gerichtsurteil von Februar 2025 nannte ein Richter die Vorstellung eines Genozids an Weißen "offenkundig eingebildet und nicht real".
Rechtsextreme Parteien wie "Die Heimat" (früher NPD) oder der "Rassemblement National" (vormals Front National, Frankreich) nutzen das Thema, um ihre Agenda gegen Migration zu untermauern. Das Narrativ ist eng verwandt mit den Mythen über einen angeblichen "Großen Austausch" ("Great Replacement“-Theorie) und "antiweißen Rassismus".
Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte US-Präsident Donald Trump behauptet, dass es in Südafrika zu "groß angelegten" Tötungen weißer Farmer gekommen sei. Damals wie heute legte er dafür keinerlei Beweise vor.
Nach dem Ende der Apartheid 1994 hat Südafrika versucht, die extrem ungleiche Landverteilung - ein Erbe des Kolonialismus und der Apartheid - zu korrigieren:
2018 begann das südafrikanische Parlament mit der Diskussion über eine Verfassungsänderung, die es dem Staat ermöglichen sollte, in bestimmten Fällen Land ohne Entschädigung zu enteignen - vor allem ungenutztes oder spekulativ gehaltenes Land. Ziel war es, die Rückgabe von Land zu beschleunigen. Die Verfassungsänderung wurde nicht verabschiedet, weil sie 2021 im Parlament scheiterte - es fehlte eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Das neue Enteignungsgesetz wurde dann im Januar 2025 unterzeichnet und trat in Kraft. Es erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Enteignung von Land ohne Entschädigung. Bisher wurde es aber noch nicht angewendet.
Die Debatte ist emotional sehr aufgeladen, wird aber nicht in diskriminierender Weise gegen weiße Farmer gerichtet, sondern als Versuch gewertet, die historische Ungerechtigkeit in der Landverteilung zu korrigieren.