Zollstreit: Was Europa von Donald Trump lernen muss
Analyse
Zollstreit:Was Europa lernen muss: Dealen wie Donald
von Florian Neuhann
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Der Rauch hat sich verzogen, die neuen Zölle auf EU-Produkte gelten - und nun? Was Europa jetzt von Donald Trump lernen muss.
Um im Zeitalter von Trumps Zoll-Deals zu überleben, muss Europa manche Strategie überdenken. ZDF-Wirtschaftskorrespondent Florian Neuhann zeigt, was Europa von Donald Trump lernen kann.13.08.2025 | 15:28 min
Was bleiben wird von diesem Sommer des Zollstreits, sind die Bilder aus dem Turnberry Golf Club in Schottland: Die vermeintlich mächtigste Frau Europas, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, reist zur Audienz zum Inhaber des Golfclubs - im Nebenberuf US-Präsident - und lässt sich die Bedingungen für einen Zoll-Deal diktieren.
US-Zölle auf Waren aus Europa: Deal als Demütigung
15 Prozent auf Waren aus der EU, für die bislang ein durchschnittlicher Zollsatz von zwei Prozent galt - ein Deal als Demütigung. Oder, wie es Trumps ungarischer Ober-Fan Viktor Orban formulierte: Donald Trump habe Ursula von der Leyen "zum Frühstück verspeist".
Natürlich, die Europäische Union hatte eine denkbar schlechte Verhandlungsposition. In Sicherheitsfragen, abhängig vom Schutz der Militärmacht USA, konnte Europa nicht so auftrumpfen, wie es mancher sich gewünscht hätte. Aber musste es sich deshalb so verzwergen? Was Europa jetzt lernen muss.
Ursula von der Leyen und Donald Trump haben sich auf einen Zoll-Deal geeinigt. Was bedeutet das für die EU? Ein Überblick.28.07.2025 | 1:08 min
Lehre 1: Das Recht des Stärkeren
Freier Handel mit gleichen Regeln für alle: Das galt mal ein schönes Ideal. Donald Trump hat es abgeschafft. Er setzt Handel radikal als Waffe ein - so wie es der russische Präsident Wladimir Putin mit der Energie tat, so wie es Chinas Machthaber Xi Jinping mit den Rohstoffen tut, die der Rest der Welt unbedingt braucht.
"Diese Realität sollte Europa anerkennen", sagt der deutsch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann, der an der Universität Notre Dame in Indiana (USA) lehrt. "Europa hat jetzt schlicht und ergreifend die Wahl: Wird es ein Pol in dieser neuen multipolaren Welt oder nicht."
Dafür, so Bachmann, müsse Europa auch lernen, den Zugang zum eigenen Markt als Druckmittel einzusetzen:
Wir sind ein Markt von 450 Millionen zahlungskräftigen Bürgern. Wenn du hier Zugang haben willst, dann musst du nach bestimmten Regeln spielen.
„
Rüdiger Bachmann, Wirtschaftswissenschaftler
Die Zollpolitik von Donald Trump verunsichert die Märkte und Unternehmen weltweit. Viele Firmen in Europa hoffen deshalb auf Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen - vermittelt durch die EU.07.08.2025 | 2:27 min
Den Zugang zum eigenen Markt einschränken: Das nötige Instrument dafür hat die EU seit 2023. Das Anti-Zwangsmaßnahmen-Instrument - von manchen als "wirtschaftliche Atombombe" bezeichnet - wurde eingeführt, um sich gegen handelspolitischen Druck von China wehren zu können.
Mithilfe dieses Instruments könnten Direktinvestitionen oder etwa der Zugang der Digitalkonzerne auf den europäischen Markt eingeschränkt werden. Ausreichend dafür wäre eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten. Ernsthaft damit gedroht aber hat die EU im Zollstreit dieses Sommers offenbar nicht.
Lehre 2: Müssen wir die WTO vergessen?
Mit dem Deal zwischen Europa und den USA hat die Welthandelsordnung, wie sie bisher bestand, einen weiteren heftigen Schaden erlitten. Ein Grundpfeiler dieser Ordnung unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) war das Prinzip der "Meistbegünstigung": Den Zugang, den ein Land einem anderen anbietet, muss es allen anderen auch anbieten. Mit dem Deal zwischen den USA und der EU ist das für einen wichtigen Teil des internationalen Handels Geschichte.
Zur Realität gehört aber auch: Die WTO, gegründet 1995, war schon lange vorher nicht mehr funktionsfähig. Seit Jahren hatten die USA - zunächst unter der ersten Präsidentschaft Trumps, später aber auch unter Joe Biden - die Besetzung von Richterstellen im Berufungsgericht der WTO blockiert. Bei Handelsstreitigkeiten konnte es seitdem keine endgültige Entscheidung mehr geben.
Trump feiert die neuen US-Zölle als Erfolg. Doch ob die US-Unternehmen und -Verbraucher davon profitieren, ist unklar – erste Anzeichen sprechen eher für Nachteile.07.08.2025 | 1:35 min
"Sie alle wissen, dass die WTO nicht mehr funktioniert": So hatte es zuletzt im Juli auch Bundeskanzler Friedrich Merz nach einem EU-Gipfel formuliert. Europa muss lernen, dass es sich nicht mehr auf die bisher geltende regelbasierte Welt verlassen kann und dass es Alternativen zur WTO braucht.
Lehre 3: Wir brauchen Deals!
Das Zauberwort der neuen Handelspolitik ist ein Wort, das Donald Trump beinahe inflationär gebraucht: Deals. Trump setzt auf - wenn auch in seinem Fall völlig vorläufige, grobe und wenig verlässliche - Handelsabkommen mit einzelnen Nationen. Und Europa bleibt nichts anderes übrig, als sich auf dieses neue Spiel einzulassen und selbst möglichst viele Handelsabkommen abzuschließen.
Geredet wird seit Jahren darüber - nur gehandelt zu wenig.
"Zum Jubeln" ist dem Fraktionsvorsitzenden der Christdemokraten im Europaparlament anlässlich der Zoll-Einigung zwischen EU und USA nicht. Doch man habe Schlimmeres verhindert.
Interview
Ein Problem: Europa versucht in diesen Abkommen, nicht bloß den Handel zu regeln, sondern zahlreiche andere Bereiche ebenso - von Tierhaltung über Umweltstandards bis hin zu sozialen Fragen. Was Europa in diesem Fall von Trump lernen könnte: Dass Handelsabkommen sich möglicherweise auch mal beschränken müssen auf Fragen des Handels, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann:
Ich sage ja nicht, dass wir da jetzt unsere Werte verraten müssen. Aber es ist vielleicht nicht das erste, mit dem man etwa den Südamerikanern gegenüber kommen muss.
Verteidigung nur noch unter Bedingung: Was tun, wenn die NATO nicht mehr auf die Bündnistreue der USA zählen kann? Zeit, Europas Sicherheitspolitik neu auszurichten?
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Europa darf und sollte sich vieles nicht anschauen von Trump: Seine Verachtung für internationale Regeln, seinen Angriff auf demokratische Werte und Institutionen.
Aber um im Zeitalter des Trumpismus zu überleben, muss Europa manche Strategie wohl oder übel selbst umsetzen.
Florian Neuhann leitet das ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.