Trump, Zölle & China: Kann sich Japan noch auf die USA verlassen?
Analyse
Trump, Zölle & China:Kann sich Japan noch auf die USA verlassen?
von Miriam Steimer, Atsugi, Japan
|
80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg steht das Verhältnis zwischen Japan und den USA auf der Kippe - und die Frage im Raum, wer wen mehr braucht.
Verlässliche Partner? Japans Vertrauen in die USA bröckelt - und Trump stellt das alte Bündnis offen infrage.
Quelle: AFP
Statt Uniformen tragen die US-Soldaten heute traditionelle japanische Gewänder: Yukata ist eine Art Kimono für den Sommer. Es herrscht eine nervöse Anspannung, denn sie feiern "Bon Odori", ein japanisches Familienfest, bei dem ursprünglich an verstorbene Vorfahren erinnert wird.
Einzige Militärbasis mit amerikanischen und japanischen Streitkräften
"Wir lieben es, an Japans Kultur teilzuhaben und die Freundschaft zwischen unseren Nationen zu stärken", sagt Erik Davis. Er ist der Kommandant von "Camp Zama". Das US-Camp 40 Kilometer von Tokio entfernt ist das einzige, in dem sowohl US-Militär als auch japanische Streitkräfte leben. Die Straße heißt "Freundschaft-Avenue" - und die wollen sie auch heute Abend feiern.
Unabhängig von wechselnden politischen Parteien bleibt die Allianz zwischen den beiden Streitkräften bestehen. (…) Diese Beziehung ist zeitlos.
„
Col. Erik Davis, Kommandant der US-Basis "Camp Zama"
Ein paar Kilometer vom Festival entfernt ist man deutlich skeptischer: "Furchtbar! Und es wird noch schlimmer werden, solange Trump Präsident ist", sagt Shimamura Kazuyoshi. Hinter ihm demonstriert eine kleine Gruppe: "Schützt Artikel 9" steht auf einem Plakat.
Vertreter der EU wollen heute in Washington im Zollstreit weiter verhandeln. Mit Japan haben die USA sich bereits auf gegenseitige Zölle von 15 Prozent geeinigt.23.07.2025 | 0:19 min
Damit ist der Teil der Verfassung gemeint, der Japan nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegt wurde: Verzicht auf Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte. "Man ist weder auf gleicher Augenhöhe noch gleichberechtigt. Das muss korrigiert werden", sagt Ishii Fumie zum Verhältnis zwischen Japan und den USA.
Immer mehr Japaner bezweifeln Amerikas Verlässlichkeit
Die beiden Staaten verbindet ein Sicherheitsvertrag, der US-Militärstützpunkte auf japanischem Boden erlaubt und das Versprechen beinhaltet: Im Ernstfall wird die USA Japan verteidigen. Doch immer mehr Japaner haben Zweifel, ob das noch gilt.
Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs, fragen sich viele Menschen, ob man sich wirklich vollständig auf die USA verlassen sollte.
„
SARUTA Sayo, Direktorin Thinktank "New Diplomacy Initiative"
Laut Umfragen antworten fast 80 Prozent der Japaner darauf mit "Nein". Das liegt auch am US-Präsidenten Donald Trump und seinen unberechenbaren Entscheidungen.
Das Zoll-Chaos schürt Unsicherheit. Gift für die Weltwirtschaft. Amerika droht die Rezession. Was steckt hinter Trumps wilder Wirtschaftspolitik? Und wer könnte davon profitieren? 16.05.2025 | 14:02 min
Donald Trump: Partnerschaft mit Japan "unfair"
Japans Premier Shigeru Ishiba war zwar einer der ersten, der Trump nach Amtseinführung getroffen hat, von ihm als "gutaussehend" und "sehr, sehr stark" bezeichnet wurde. Doch das schützte sein Land nicht vor dem Schock, dass Trump auch Japan nicht ausließ, als er die Welt mit Zöllen überzog.
Während der Verhandlungen bezeichnete Trump die Partnerschaft zwischen den USA und Japan als ungleich und unfair. Japan müsse für den US-Schutz zahlen. Dabei nutzt die US-Armee die Stützpunkte in Japan nicht nur, um das Land vor China oder Nordkorea zu schützen, sondern auch, um Amerikas Einfluss in der Region zu sichern.
Streit im Ostchinesischen Meer: Mit neuen Marine-Streitkräften will sich Japan im Ernstfall gegen China verteidigen. Für eine pazifistisch geprägte Gesellschaft eine Zeitenwende.21.08.2024 | 6:48 min
Kehrtwende in Japans Sicherheitspolitik
Schon unter Joe Biden beschloss Tokio eine Kehrtwende - auch als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine: Schluss mit der ausschließlich auf Verteidigung ausgerichteten Sicherheitspolitik, Japan soll seine eigene militärische Stärke massiv ausbauen.
Die rechtspopulistische Partei Sanseito, die bei der Oberhauswahl im Juli überraschend erfolgreich war, regt sogar eine Debatte über den Besitz von Atomwaffen zur Abschreckung an - und sorgt damit für einen Aufschrei im Land von Hiroshima und Nagasaki, das als einziges die Konsequenzen einer Atombombe hautnah erlebt hat.
In der "Innenstadt von Hiroshima" sei "die Geschichte so greifbar". Trotz großer Hitze ließen es sich viele ältere "nicht nehmen", bei "der Gedenkveranstaltung dabei zu sein" berichtet ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer.06.08.2025 | 3:28 min
Es ist eine Zeitenwende für Japan, dessen Militär sich "Selbstverteidigungsstreitkräfte" nennt. Die Regierung in Tokio hat ihr Verteidigungsbudget gerade verdoppelt, ist von Trumps für Nato-Staaten geforderten fünf Prozent aber immer noch weit entfernt.
"Selbst wenn wir die Verteidigungsausgaben auf 3,5 oder 5 Prozent erhöhen, könnten wir militärisch nicht mit China mithalten, da deren Wirtschaftskraft fünf- bis sechsmal so hoch ist", ordnet Sayo Saruta vom "New Diplomacy Initiative"-Thinktank diese Zahl ein.
Gemeinsames Militärmanöver von China und Russland
Der mächtige Nachbar China will seinen Einflussbereich ausdehnen und beansprucht zum Beispiel die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln. Die sind zwar unbewohnt, aber strategisch wichtig: Wer hier das Sagen hat, kann die Seewege der Region kontrollieren. Gerade erst ließ Peking bei einem gemeinsamen Militärmanöver mit Russland direkt vor Japans Küste die Muskeln spielen - und baut auch seine Wirtschaftsbeziehungen strategisch aus.
Die Bedrohung durch Peking im Chinesischen Meer nimmt zu - dort verläuft eine der wichtigsten Handelsrouten. Welche Rolle spielt Deutschland im Konflikt? ZDFheute live ordnet ein.
33:33 min
Expertin: Japan muss neue Kooperationen aufbauen
Viele Länder in Asien würden sich, wenn sie sich jetzt zwischen den USA und China entschieden müssten, wohl für China entscheiden, sagt die Expertin Saruta. Doch statt nur an die USA zu denken, sei es wichtiger, an ihr eigenes Land zu denken: "Wir müssen mit anderen Ländern zusammenarbeiten, neue Kooperationen aufbauen, natürlich auch mit europäischen und asiatischen Ländern."
So verändert sich das geopolitische Machtgefüge in und um Japan - mit Folgen für die ganze Welt.
Miriam Steimer ist Korrespondentin für Ostasien und leitet das ZDF-Studio in Peking.