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Etteln in Nordrhein-Westfalen:Digitalisierung: Wie ein Dorf zum Vorbild wird
von Alexander Roettig
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Das 2.000-Einwohner-Örtchen Etteln bekam Ende 2024 einen Preis für die weltweit bestvernetzte "Smart City". Was Kommunen lernen können und welche Herausforderungen noch anstehen.
Der weltgrößte internationale Ingenieursverband IEEE setzt die westfälische Kommune, gelegen vor den Toren Paderborns, im Ranking vor Hongkong - das muss man erstmal hinkriegen. Denn eigentlich läuft Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltung anderen Nationen hinterher - High-Tech-Standorten wie Singapur und Staaten wie Estland.
Digitalisierung in der Fläche
Die deutschen Digitalminister und -ministerinnen haben Anfang der Woche im rheinland-pfälzischen Ingelheim darüber beraten, wie sie die Digitalisierung der Verwaltung endlich flächendeckend hinbekommen. Die rheinland-pfälzische Digitalministerin Dörte Schall erklärte:
Wichtig ist, dass wir eine gemeinsame Strategie haben: Wir können nicht mehr mit dem Kleinklein weitermachen.
Dörte Schall, SPD Digitalministerin Rheinland-Pfalz
Etteln - das digitale Dorf
Für sie könnte sich der Blick nach Etteln, einem Ortsteil der Gemeinde Borchen im Kreis Paderborn lohnen. Info-Säulen mit wetterfestem Touchscreen stehen dort - zum Beispiel neben der Kirche. Neueste Dorfnachrichten lesen, einen Schrank verkaufen - oder das kostenlose Elektro-Lastenfahrrad der Kommune reservieren? Geht hier - aber auch über die Handy-App "Crossiety".
600 User haben die mittlerweile heruntergeladen. "Da schau ich regelmäßig rein, was für Angebote es gibt - kulturelle Angebote zum Beispiel", sagt Anette Grote, die im Ortskern wohnt. Auch die 75-jährige Cecilie Clark nutzt die Dorf-App - und das sogenannte "Ettcar": Die Kommune stellt das Elektro-Auto mit sieben Sitzen und großer Ladefläche kostenlos zur Verfügung.
Es soll die Verkehrs- und Umweltbelastung senken - und kann Familien den teuren Zweitwagen ersparen - ohne den es auf dem Land sonst hakt, so Cecilie Clark: "Man braucht eigentlich zwei Autos. Wenn ein Auto nicht da ist, zur Arbeit oder so - und das andere Familienmitglied muss zum Arzt oder zur Behörde: Das sind ja oft nur ganz kurze Wege - aber man braucht einfach ein Auto dafür."
Infos über die Dorf-App
Die Mitfahrbank - das ist eine weitere Idee. Wer ins Nachbardorf will, wenn der Bus nicht fährt, findet an der Bushaltestelle auch eine Tafel mit Druckknöpfen: Für den Nachbarort Nordborchen die Drei drücken - eine Leuchtanzeige informiert dann den Durchgangsverkehr über den Mitfahrwunsch.
Den bekommen gleichzeitig auch alle Nutzer der Dorf-App aufs Handy. Aus Sicht der Ettelner Digitalmanagerin Christine Wegner erfüllt die App gleich mehrere Ansprüche:
Die App ist Veranstaltungskalender, Tauschbörse und Infokanal gleichzeitig.
Christine Wegner, Projektmanagerin Digitalisierung Etteln
Und auch das digitale Rathaus gebe via App regelmäßig Informationen an die Bevölkerung weiter, so Wegner.
Digitale Angebote zur Gesundheitsversorgung geplant
Bürgermeister Uwe Gockel will das Projekt im gesamten Stadtgebiet ausbauen: Digitale Angebote zur Gesundheitsversorgung plant die Gemeinde, die Vernetzung der vielen Solar- und Windanlagen funktioniert schon.
Aber: Entscheidend wird sein, diese Dienstleistungen künftig nicht nur auf kommunaler Ebene zur Verfügung zu stellen - sondern auch die Vernetzung mit Bundes- und Landesbehörden hinzubekommen. Damit zum Beispiel auch Bauanträge oder Fahrzeugummeldungen komplett digital bearbeitet werden können.
Uwe Gockel, der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Borchen meint: Dazu brauche es Softwarelösungen, die bundesweit funktionieren. Wenn jedes Dorf für sich an Lösungen schraube, dann werde das nichts:
Wir brauchen von den Digitalministern hier einheitliche Rahmenvorgaben.
Uwe Gockel, Bürgermeister Gemeinde Borchen
Vor allem, so Gockel weiter, um das Zusammenspiel zwischen einzelnen Anwendungen zu verbessern und die Kosten für alle im Blick zu behalten. Das dürfte noch ein langer Weg werden - oft funktioniert die Vernetzung der Behörden nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes.
Alexander Roettig ist Reporter im ZDF-Studio in Düsseldorf.
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