Familiennachzug: Das lange Warten "macht Familien kaputt"
Familiennachzug nach Deutschland:Das lange Warten "macht Familien kaputt"
von Homeira Rhein
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Eine afghanische Familie wird auf der Flucht nach Deutschland getrennt, zwei der vier Töchter gehen im Iran verloren. Seit Jahren kämpft die Familie darum, die Mädchen nachzuholen.
Die Geschichte der Familie Satari aus Afghanistan ist eine von vielen, in denen Familien nicht gemeinsam fliehen konnten oder auf der Flucht getrennt wurden. 29.07.2025 | 3:22 min
Kaum hat Sorosh Satari die Nummer seiner Töchter gewählt, sind diese nach wenigen Sekunden auch schon auf dem Display seines Handys zu sehen. Doch nach einer freudigen Begrüßung fängt die Jüngere an zu weinen. So läuft es fast jeden Abend.
Weine nicht mein Schatz. Hast du heute schon Deutsch gelernt? Wenn du jeden Tag einen Satz lernst, können wir irgendwann auf Deutsch sprechen.
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Sorosh Satari
Die Geschichte der Sataris ist eine von vielen, in denen Familien nicht gemeinsam fliehen konnten oder auf der Flucht getrennt wurden. Während die Bundesregierung den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt hat, haben Asylberechtigte diese Möglichkeit immer noch. Doch einfach ist es auch für sie nicht.
Familie auf der Flucht getrennt
Sorosh Satari ist 2015 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Sein Plan: Arbeit finden und eine Wohnung. Sein Wunsch: ein Leben in Sicherheit für seine Frau und die vier gemeinsamen Töchter. Drei Jahre nach seiner Ankunft beginnt er, als Altenpfleger zu arbeiten. 2019 macht sich seine Frau Shamsia dann ebenfalls auf den Weg. Schleuser sollen sie und die vier Mädchen auf dem Landweg nach Deutschland bringen.
Subsidiär Schutzberechtigte, denen in ihrem Heimatland ernste Schäden drohen, durften bislang in begrenztem Maße Familienmitglieder nachholen. Das hat der Bundestag nun gestoppt.27.06.2025 | 1:55 min
Die Familie ist mit einer großen Gruppe von Geflüchteten unterwegs. Doch ihnen wird zum Verhängnis, dass sie nicht im gleichen Bus sitzen. Der, in dem sich zwei ihrer Töchter befinden, schafft es zwischen dem Iran und der Türkei nicht über die Grenze. Die Mädchen, zu diesem Zeitpunkt sieben und neun Jahre alt, bleiben im Iran. Immerhin kann ihr Onkel sie dort in seine Obhut nehmen. In Hamburg rennen die Sataris von Behörde zu Behörde, doch keine fühlt sich zuständig.
Die Ausländerbehörde hat uns an das Hamburger Welcome Center verwiesen. Das wiederum sagte, die Ausländerbehörde sei zuständig.
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Shamsia Satari
BAMF-Chef Sommer mit seinem Vorschlag, das individuelle Grundrecht auf Asyl abzuschaffen, eine heftige Debatte ausgelöst - auch bei den künftigen Koalitionären.06.04.2025 | 4:13 min
Pro Asyl beklagt lange Wartezeiten
Als zunächst Geduldete hätten die Sataris wohl sowieso schlechte Chancen gehabt, ihre Töchter nach Deutschland zu holen. Erst als der Vater 2023 eine Aufenthaltserlaubnis erhält, kann er einen Termin für seine Töchter in der deutschen Botschaft in Teheran beantragen. Dort müssen Angehörige persönlich erscheinen, damit ein Verfahren zum Familiennachzug überhaupt beginnen kann.
Familie Satari versammelt sich regelmäßig vor dem Handy, um mit den beiden Mädchen im Iran zu sprechen.
Quelle: ZDF
Die Sataris bekommen eine Registrierungsnummer. Aber danach passiert nichts. Solche langen Wartezeiten seien an der Tagesordnung, berichtet Wiebke Judith, Rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl.
Die eigenen Kinder sechs Jahre nicht gesehen zu haben, welche Entwicklungen passiert sind, an denen man nicht Teil haben konnte. Das bricht den Menschen das Herz, das macht Familien auf Dauer kaputt.
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Wiebke Judith, Pro Asyl
Und es mache den Menschen das Leben schwer und "verhindert jegliches Ankommen".
Familiennachzug: Visa für Angehörige
ZDFheute Infografik
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Die durchschnittliche Wartezeit für einen Termin in der deutschen Botschaft in Teheran gibt das Auswärtige Amt auf Nachfrage mit über einem Jahr an. Warum die Töchter der Sataris immer noch keinen bekommen haben, ist nicht klar.
Zu Einzelfällen macht das Ministerium keine Angaben. Es heißt auf Nachfrage: "Das Auswärtige Amt ist sich der belastenden Situation für die Personen, insbesondere für Familien, sehr bewusst und arbeitet an Lösungen, um die Wartezeiten langfristig zu verringern."
Leider übersteigt die Nachfrage derzeit an der Visastelle in Teheran die vorhandenen Kapazitäten.
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Auswärtiges Amt
Dass die Nachfrage nach Visa in Teheran so hoch ist, liegt unter anderem daran, dass es seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan keine deutsche Auslandsvertretung mehr gibt. Viele Afghaninnen und Afghanen sind seit 2021 ins Nachbarland Iran geflohen. Einige Antragsteller registrieren sich auch mehrfach, um ihre Chance auf einen Termin zu erhöhen.
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Afghanen werden aus Iran abgeschoben
Pro Asyl fordert, die Verfahren zu digitalisieren und damit zu vereinfachen. Gerade die persönliche Vorsprache zur Antragstellung sei ein Hindernis.
Dass eine Beschleunigung der Verfahren politisch gewollt ist, bezweifelt die Organisation allerdings. Sorosh und Shamsia Satari haben aus Verzweiflung eine Online-Petition gestartet. Denn die Situation ihrer Töchter hat sich noch einmal dramatisch verschlechtert. Sie wurden wie Hunderttausende andere Afghan*innen aus dem Iran abgeschoben und befinden sich seit Mitte Juli wieder in Afghanistan.
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Shamsia Satari, so hat das ZDF erfahren, ist vor wenigen Tagen zu ihren Töchtern nach Afghanistan geflogen. Diese sind weiterhin auf der Warteliste der deutschen Botschaft in Teheran. Die Familie kann nur hoffen, dass sie endlich einen Termin bekommen.
Homeira Rhein ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Hamburg.