Autonomer ÖPNV in Hamburg: Bahnen und Busse werden fahrerlos
Autonomer ÖPNV in Hamburg:Bahnen und Busse werden fahrerlos
von Sven Rieken
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Die Zeichen im öffentlichen Personennahverkehr stehen auf autonom. Deutschland soll das Vorzeigeland in Sachen fahrerloser Transport werden. Ein Praxistest in Hamburg.
In Hamburg wird bei einem Kongress ein selbstfahrender Elektrobus vorgestellt, der ab nächstem Jahr vom Stadtrand ins Zentrum fahren soll - möglich durch technische Innovation.17.06.2025 | 1:35 min
Die App ist neu, die Idee nicht: Ich tippe in die "Switch"-App, wohin ich möchte, und schon kommt die Route. Ein Moia-Shuttle wird mich zur U-Bahn bringen. Das gehe am schnellsten, so die App. Zwei Minuten später ist der ID.Buzz vor mir - das Lenkrad bewegt sich allerdings von alleine.
Die neue Fahrzeuggeneration aus dem Hause VW navigiert vollkommen autonom durch Hamburg. "Der Sicherheitsfahrer", erklärt mir Christoph Ziegenmeyer von Moia, "ist ab Spätherbst nicht mehr dabei." Dann starte die nächste Stufe des Testbetriebs: ohne Fahrer mit ausgewählten Fahrgästen.
Autonom ist die Zukunft im ÖPNV
Wie gut die KI schon jetzt fährt, zeigt sich an der ersten Ampel: neben uns ein Touristenbus. Der beschleunigt und zieht links rüber. Auf dem Analysemonitor meines Wagens war der Bus schon vorher rot markiert.
"Das System merkt sich alle kritischen Situationen", erläutert Ziegenmeyer. "Durchaus möglich, dass es mit dieser Art Verkehrsteilnehmer schon mal Probleme gab." Das autonome Moia verhalte sich immer defensiv. Das, so Ziegenmeyer, verbessere auch die Akzeptanz auf der Straße.
Das stimmt - ich hätte in dieser Situation vermutlich Gas gegeben.
VW-Manager: "Autonome Fahrzeuge haben industrielle Bedeutung"
Christian Senger steht neben einem Moia. Er ist Chef bei Volkswagen für die autonome Fahrzeugentwicklung. Die intelligenten Fahrzeuge auf Basis des ID.Buzz sollen den Konzern an die Weltspitze bringen. "Das voll autonome Fahren wird in Größenordnungen kommen", so der Manager, "dass wir von mehr als 100.000 Neufahrzeugen pro Jahr sprechen."
Autonome Fahrzeuge haben in Deutschland industrielle Bedeutung.
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Christian Senger, VW Vorstand für autonome Mobilität
Damit würden Arbeitsplätze nicht nur gesichert, sondern auch neu geschaffen, so Senger.
Robo-Taxis - auch in der Größe eines ID.Buzz - gibt es zwar längst in den USA und China. "Der große Unterschied zu den bereits autonomen Transportanbietern aber ist", erklärt Lorenz Kasch, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein, "wir sprechen hier über Nahverkehr, barrierefrei, Bürger beteiligt". Da sei etwas völlig anderes als die kommerziellen Taxidienste.
In der chinesischen Stadt Wuhan fahren so viele fahrerlose Taxis wie nirgendwo sonst: 500 autonom fahrende Autos sind in der 11-Millionen-Stadt unterwegs, bis Ende 2024 sollen es 1 000 sein. 16.07.2024 | 4:33 min
Ab 2028 fahren die ersten autonomen Midibusse in Hamburg
Hamburg hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt im ÖPNV. "Alle Verkehrsunternehmen wollen das Angebot weiter ausweiten", erläutert Robert Henrich, Vorstandschef der Hamburger Hochbahn AG. Aber es fehlten schlicht die Fahrer - Fachkräftemangel. Daher sei es unerlässlich, auf autonome Busse umzusteigen.
Ab kommendem Jahr fahren die kleinen Shuttle autonom, so der Zeitplan. Ab 2028 kommen Midibusse mit bis zu 40 Personen hinzu, ab 2032 fahren auch die ersten Großfahrzeuge mit 70 Personen und mehr allein.
Soll ein autonomes Fahrzeug in einer Notsituation Rentner retten oder Kinder? Wie muss der Algorithmus programmiert werden, um richtig zu entscheiden? Wir sprechen mit Christian Müller.20.11.2023 | 5:29 min
Bürgerdialoge: Fahrgästen fehlt ein Ansprechpartner
Was es mit den Fahrgästen macht, wenn vorne links niemand mehr sitzt, haben die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein in ihrem Testgebiet im Süderelberaum erfragt. In mehreren Bürgerdialogen wurde dabei eines deutlich: Den Fahrgästen fehlt mit dem Busfahrer ein Ansprechpartner, falls einem schlecht wird oder man sich unwohl fühlt.
"Wir haben daraufhin einen Verhaltenskodex erarbeitet", erläutert Michelle Mittmann, die den Bürgerdialog für die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein abhält. Acht Punkte sind dabei entstanden - von gegenseitiger Hilfe bis Müll mitnehmen. Eigentlich alles selbstverständlich, aber die einzige Aufsicht im Wagen sind Kameras und die Leitstelle. "Das macht was mit den Menschen", resümiert Mittmann.
Test im dichten Feierabendverkehr bestanden
Technisch jedenfalls sind die autonomen Fahrsystem längst gut genug, um auch im dichten Hamburger Feierabendverkehr mitzuhalten. Mein Moia-Shuttle jedenfalls hat beide Radfahrer an der Ampel gesehen und rot markiert. Einer wäre im toten Winkel gewesen. Die 13 Kameras und 13 Radarsensoren leisten gute Arbeit.
Was aber passiert, wenn auch das nicht reicht, beantwortet Moia mit Offenheit. "Dann", so CEO Sascha Meyer, "legen wir alle Daten auf den Tisch und kommunizieren sehr offen".
Vertrauen in die Technik ist eben Grundvoraussetzung auch für das autonome Mitfahren.
Sven Rieken ist Korrespondent im ZDF-Studio in Hamburg.
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