Hausarzt: Union und SPD debattieren über neue Regelung

"Hausarzt First"?:Schwarz-Rot debattiert über Hausarztregelung

von Helena Vollbrecht
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Immer zuerst zum Hausarzt? Union und SPD schwebt eine Hausarztregelung vor, eine freie Arztwahl in Deutschland würde damit wegfallen. Bei Ärzten gehen die Meinungen auseinander.

Arztpraxis
Union und SPD wollen das Primärarztsystem einführen, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Demnach sollen Patienten zuerst zum Hausarzt und dann zum Facharzt gehen. Was bedeutet das für die Ärzte und die Patienten?04.04.2025 | 1:58 min
Auf die Frage, was im Gesundheitswesen schiefläuft, lacht Doktor Sandra Ballhausen herzhaft auf: "Ja, wo soll ich anfangen?" Die Landärztin aus Rheinland-Pfalz beginnt aufzuzählen: die Privatisierung, Bürokratie, bessere Bedingungen für die Behandelnden.
Dr. Ballhausen ist in der Hausarztpraxis im rheinland-pfälzischen Münstermaifeld tätig. Bis vor Kurzem gab es in der ländlich gelegenen Gemeinschaftspraxis noch einen Aufnahmestopp für Patienten.
Nun soll eine neue Regelung das Gesundheitssystem zumindest etwas verbessern: ein sogenanntes Primärarztsystem. Erster Ansprechpartner wäre dabei immer zunächst der Hausarzt, der gegebenenfalls eine Überweisung zu einem Facharzt ausstellt.

Koalitionsverhandlungen: Kosten senken als Anreiz

In den aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen diskutieren CDU, CSU und SPD bereits über das von der Bundesärztekammer unterstützte System. Die Politiker versprechen sich mehrere Vorteile, darunter eine deutliche Senkung der Kosten. Bis ins Jahr 2028 könnten mit dem System zwei Milliarden Euro eingespart werden, so die Kalkulationen der potenziellen Koalitionspartner.
Auch eine zielgerichtetere Versorgung der Patienten soll mit der Hausarztregelung erreicht werden. Ausnahmen sollen für die Augenheilkunde und die Gynäkologie gelten.
Nahaufnahme: Ärztemangel
In Rheinland-Pfalz fehlen knapp eintausend Hausärzte. Die Gemeinde Monsheim betreibt jetzt eine eigene Praxis, die Ärzte sind angestellt. Ein Zukunftsmodell?29.11.2024 | 3:36 min

Hausarztregel für bessere Patientensteuerung

Für die Landärztin geht es bei einer Hausarztregelung nicht um eine Bevormundung, sondern um eine beratende Tätigkeit:

Der Hausarzt kennt den Patienten und seine Geschichte.

Sandra Ballhausen, Hausärztin

Ja, es gebe auch Nachteile. Etwa, dass vermutlich mehr Patienten in der Praxis erscheinen würden. "Es würden aber mehr Patienten sinnvoller durch das Medizinsystem geführt werden können", entgegnet Ballhausen darauf. Damit könne man Zeit und Geld sparen.
Denn als Patient könne man nicht immer einschätzen, zu welchem Spezialisten man muss. "Und das kann dazu führen, dass man beim falschen Facharzt lange auf einen Termin wartet", folgert sie.

Facharzt: Patienten leiden unter Umweg über Hausarzt

Mit der freien Wahl eines Facharztes steht das deutsche Gesundheitssystem weltweit als Ausnahme da. Allerdings gehen Deutsche im Vergleich zu den Niederlanden und Österreich auch deutlich häufiger zum Arzt, im Schnitt fast zehn Mal pro Jahr.
Für Dr. Torsten Hemker, Orthopäde in einer Hamburger Praxis, bedeutet das Hausarztsystem einen klaren Umweg, unter dem Patienten zu leiden hätten:

Warum sollte ein Patient, der weiß, seine Probleme hängen mit seiner Hüfte zusammen, zuerst zum Hausarzt?

Torsten Hemker, Orthopäde

Die Nachteile des Systems sieht Hemker lediglich bei den Patienten, nicht aber für sich als praktizierender Arzt. Die Hausärzte seien ohnehin bereits überlastet, sodass Patienten schlecht an Termine gelangten.

Primärarztsystem: Bayerischer Facharztverband dagegen

Nicht nur in Norddeutschland sprechen sich Fachärzte gegen die Verordnung aus. Auch beim bayerischen Facharztverband regt sich Widerstand gegen die Pläne der Politik. Geschlossen spricht sich der Verband gegen das Primärarztsystem aus. Laut einer Umfrage des Verbandes erwartet die Mehrheit der Befragten mit einem Hausarztsystem eine Verschlechterung der Versorgung.
Matthias Miersch in der ZDF-Wahlsendung Schlussrunde
SPD-Generalsekretär Miersch beobachtet eine Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten – vor allem bei Fachärzten. Die SPD-Forderung daher: Eine Termingarantie.20.02.2025 | 2:18 min
Den Verhandlern aus Union und SPD schweben mit dem Primärarztsystem zwar eine schnellere Terminvergabe und sogar eine Termingarantie beim entsprechenden Facharzt vor. Ärzteverbände halten das allerdings bei der der aktuellen Personallage für unrealistisch.

Die Hausärzte, die dieses Primärarztsystem tragen sollen, gibt es nicht.

Klaus Holler, Sprecher des Bayerischen Fachärzteverbandes

Eine mögliche Entlastung könnte zwar die Digitalisierung bieten, Telemedizin und Künstliche Intelligenz kommen allerdings bisher noch wenig zum Einsatz.

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Quelle: dpa

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