Mannheim-Angriff: Abschiebungen nach Afghanistan gefordert

Nach Messerangriff in Mannheim:Reul: Sicherheit geht vor Bleiberecht

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Der Messerangriff von Mannheim hat eine Debatte über die Migrationspolitik ausgelöst. Politiker fordern striktere Abschiebungen nach Afghanistan, auch NRW-Innenminister Reul.

Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim mehren sich Forderungen nach strikteren Abschiebungen ausländischer Straftäter. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte am Dienstag in Berlin, sie lasse seit mehreren Monaten prüfen, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen könnten. Sie wolle die Entscheidung "so schnell wie möglich".

Für mich ist klar, dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)

Nancy Faeser (SPD), aufgenommen am 21.05.2024 in Berlin
Am 14. Juni ist es soweit: Die Fußball-EM startet in Deutschland. Viel Grund zur Freude - aber auch zur Sorge. Laut Innenministerin Faeser ist die Sicherheitslage angespannt.04.06.2024

Reul: Sicherheit geht vor Bleiberecht

In diesen Fällen überwögen Sicherheitsinteressen gegenüber den Bleibeinteressen von Betroffenen, sagte Faeser. "Sicherheit geht vor Bleiberecht", betonte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Im ZDF-Mittagsmagazin sagte er:

Die Abschiebungsdebatte ist notwendig, aber sie löst nicht die Probleme. Die eigentliche Frage kann man nur lösen, indem man den Zugang von Menschen begrenzt. Punkt.

Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen (CDU)

Die Glaubwürdigkeit von Politikern leide, wenn "wir alle dicke Sprüche machen" und Abschiebungen dann an anderen Vorgaben scheitern. "Es gibt keine Simsalabim-Lösung", betonte er.

Dürr: Auch nach Afghanistan abschieben

Vor Reul und Faeser hatten mehrere unionsregierte Bundesländer den Vorschlag des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer künftig auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, unterstützt. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der "Bild":

Personen, die hier islamistisch auffällig werden, sollten auch in Länder abgeschoben werden, in denen das bisher nicht möglich war, wie beispielsweise Afghanistan.

Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

Bundesanwaltschaft geht von religiösem Motiv aus

Ein 25-jähriger Afghane hatte am Freitag bei einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz ein Messer gezogen und sechs Männer verletzt, darunter einen Polizisten. Der 29 Jahre alte Beamte starb später seinen Verletzungen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb am Montagabend auf der Plattform X, mittlerweile lägen "klare Hinweise für ein islamistisches Motiv" vor. Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft verkündet, sie gehe von einer religiösen Motivation des Täters aus, und die Ermittlungen an sich gezogen. Man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte, sagte eine Sprecherin.

Debatte um Umgang mit ausländischen Straftätern

Der Fall hat die Debatte über den Umgang mit Islamismus und ausländischen Straftätern befeuert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will nun am Donnerstag nach dpa-Informationen im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage abgeben. Ob der Schwerpunkt innen- oder außenpolitisch sein wird, ist allerdings offen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), "die Voraussetzungen für Rückführungsmöglichkeiten von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan zu schaffen - natürlich unter verfassungsgemäßer Abwägung der Grund- und Menschenrechte und bei differenzierter Betrachtung der Einzelfälle". Der Bund verweise regelmäßig auf fehlende diplomatische Kontakte - das sei nicht akzeptabel.

Grote: Möglichkeiten für Abschiebungen finden

Am Montag war der Hamburger Vorstoß für die nächste Innenministerkonferenz (IMK) bekanntgeworden. Die Ministerrunde solle das Bundesinnenministerium bitten, die Sicherheitslage in Afghanistan und in der Region der syrischen Hauptstadt Damaskus neu zu bewerten. Minister Grote sagte:

Wir müssen einen Weg finden, für Straftäter, aber auch für Gefährder und islamistische Verfassungsfeinde, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen.

Andy Grote, Hamburger Innensenator (SPD)

"Zu spät, aber immerhin", sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) dem RND dazu.
Auch Der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), sagte dem RND:

Die Debatte, schwere Straftäter auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben, gibt es schon lange. Wenn wir jetzt zu einer Einigung in dieser Frage kommen, wäre das sehr zu begrüßen.

Michael Stübgen, Brandenburger Innenminister (CDU)

Es müsse aber auch klar sein, "dass wir alleine mit Abschiebungen nicht alle Probleme lösen".

Experte: Abschiebung oft laut Gesetz unmöglich

Nach dem deutschen Gesetz gibt es allerdings klare Regeln, wer auf keinen Fall abgeschoben werden darf. Darauf weist der Asyl-Experte Daniel Thym bei ZDFheute live hin.

Menschen, denen eine Verfolgung droht, dürfen nie abgeschoben werden. Ich weiß, dass Bürger und Bürgerinnen das schwer akzeptieren, aber selbst wenn jemand einen Terrorakt begeht - wenn er verfolgt wird, wenn ihm eine Verfogung droht - dann darf er nicht abgeschoben werden.

Daniel Thym, Asyl-Experte an der Universität Konstanz

Thym betont, dass davon aber nur etwa die Hälfte derjenigen betroffen sei, die Zuflucht in Deutschland suchen. Und: Die Politik habe nur begrenzt Einfluss darauf, welche Länder als unsichere Herkunftsländer eingeordnet werden, und welche nicht. Ob die Voraussetzungen für eine Abschiebung gegeben sind, entscheiden das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die deutschen Gerichte, betont Thym.

Forderungen nach Messerverboten

In Afghanistan hatten im Sommer 2021 die islamistischen Taliban die Macht zurückerobert. In Syrien hatte Machthaber Baschar Al-Assad 2011 Proteste brutal niedergeschlagen, der folgende Bürgerkrieg dauert bis heute an.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte in einem Gastbeitrag in der "Welt" einen Aktionsplan "Politischer Islam". Islamistische Organisationen seien zu verbieten, Kalifat-Forderungen strafrechtlich zu verfolgen. Und:

Wer in unser Land als Gast und Schutzsuchender kommt, sich aber nicht an unsere Rechtsordnung hält und unsere Werte mit Füßen tritt, hat sein Gastrecht verspielt.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

Als Reaktion auf die Bluttat von Mannheim gibt es auch Forderungen nach Messerverboten an bestimmten Orten. "Besonders problematisch ist es dort, wo viele Menschen zusammenkommen - etwa in Zügen oder an Bahnhöfen", sagte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der "Rheinischen Post". Dort solle ein "zugriffsbereites Mitführen von Messern" verboten werden.

Städtetag: Keine absolute Sicherheit

Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte, Bund und Länder sollten dafür sorgen, dass die Städte Messerverbotszonen rechtssicher einführen können. Es gebe Beispiele, bei denen ein Gericht solche Verbotszonen wieder gekippt habe. Dedy betonte:

Waffen- und Messerverbotszonen sind eine Möglichkeit, ein klares Zeichen gegen Gewalt zu setzen und das Sicherheitsgefühl in der Stadt zu erhöhen.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer Deutscher Städtetag

Absolute Sicherheit böten sie aber nicht. Auch der stellvertretende CDU/CSU-Bundestagsfraktions-Vorsitzende Jens Spahn forderte im Fernsehsender "Welt" mehr Messerverbotszonen.
Quelle: dpa, epd, ZDF

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