Graffitis gegen Merz: Rechtswidrige Durchsuchung bei Juso-Chefin

Graffitis gegen CDU und Merz:Durchsuchung bei SPD-Politikerin rechtswidrig

Daniel Heymann
von Daniel Heymann
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Im April durchsuchte die Polizei in Menden die Wohnung der Juso-Vorsitzenden Kruschinski - doch der zugrundeliegende Gerichtsbeschluss war rechtswidrig. Der Fall wirft Fragen auf.

Graffitis gegen Merz an der Schüztzenhalle in Menden.

Im Januar wurden Graffitis gegen Merz und die CDU an die Schützenhalle in Menden gesprüht.

Quelle: dpa

"Rechtsstaatlich bedenklich" - mit deutlichen Worten hat das Landgericht Arnsberg einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts für rechtswidrig erklärt.

Hintergrund war eine Durchsuchung Anfang April bei Nela Kruschinski, Juso-Vorsitzende im sauerländischen Menden. Die damals 17-Jährige wurde verdächtigt, vor einem Wahlkampfauftritt von Friedrich Merz im Januar Schmierereien an die örtliche Schützenhalle gesprüht zu haben mit Parolen wie "FCK CDU" oder "Merz aufs Maul".

Doch nach dem Beschluss des Landgerichts bestand gegen Kruschinski noch nicht einmal ein Anfangsverdacht, die Tat begangen zu haben. Vielmehr zeigt sich in dem Verfahren eine Reihe von Unregelmäßigkeiten - bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft und beim Amtsgericht Arnsberg. Ein Überblick.

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Wie kam es zu den Ermittlungen gegen Kruschinski?

Nach Recherchen des WDR stützte sich die Polizei bei ihren Ermittlungen zum einen auf die Aussage einer Zeugin, die in der Tatnacht zwei jüngere Personen, eine Frau und einen Mann, in der Nähe der Schützenhalle gesehen haben will. Aber: Keinen von beiden hatte sie erkannt. Das Landgericht bewertete die Aussage als "ersichtlich nicht geeignet".

Die Vernehmung der Zeugin führte der CDU-Kommunalpolitiker und Polizist Wolfgang Exler durch, der auch Mitglied des Schützenvereins ist. Einen Interessenkonflikt wies er gegenüber dem WDR zurück.

Grundlage ein anonymer Hinweis?

Zum anderen ging bei der Polizei Hagen ein anonymer Hinweis ein, wonach man Kruschinski und einen Bekannten "ins Visier" nehmen sollte. Weiteren Inhalt, etwa zur Sache oder zum Urheber des Schreibens, gab es nicht. "Keinerlei sachliche Qualität" attestierte das Landgericht daher dem Hinweis.

Zudem stellte das Landgericht klar, dass die Mitgliedschaft in einer konkurrierenden demokratischen Partei nicht ausreiche, um den Verdacht einer Straftat anzunehmen.

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Polizei setzte auf anonymen Hinweis - Gericht sieht keine Basis

Das Landgericht kritisierte in seinem Beschluss auch, dass die Akte keinen Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Durchsuchung enthielt. Vielmehr soll die Polizei die Durchsuchung angeregt und die Staatsanwaltschaft gegenüber den Beamten zugestimmt haben - einen Kontakt zwischen dem ermittelnden Staatsanwalt und dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht gab es nicht.

Das Verfahren zur Durchsuchung ist in den §§ 102 ff. Strafprozessordnung geregelt. Für jede Durchsuchung braucht es zunächst einen Anfangsverdacht. Es muss also gewisse, auf Tatsachen gestützte Anhaltspunkte für eine Straftat geben.

In Deutschland ist für eine Durchsuchung in der Regel ein richterlicher Beschluss erforderlich. Nur bei Gefahr im Verzug, also vor allem in Fällen besonderer Eile, darf ausnahmsweise auch die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung anordnen. In der Praxis stellt üblicherweise die Staatsanwaltschaft einen Antrag beim zuständigen Gericht, das dann über die Durchsuchung entscheidet.

Durchsuchungen müssen außerdem verhältnismäßig sein. Die Durchsuchung muss also vor allem ein angemessenes Mittel für den damit verfolgten Zweck, zum Beispiel das Auffinden von Beweismitteln, darstellen. Gerade bei Bagatelldelikten kann eine Durchsuchung unverhältnismäßig sein.

Quelle: ZDF


Kruschinskis Anwalt, der SPD-Politiker und ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, äußerte sich gegenüber der Plattform "beck-aktuell" sehr verwundert über das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft, er habe das "so noch nie gesehen".

Besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abweichen vom üblichen Vorgehen rechtfertigen könnte, lässt sich in dem Fall nicht erkennen. Das Amtsgericht erließ den Durchsuchungsbeschluss erst einen Monat nach der Tat.

Wieso wird auch über Charlotte Merz gesprochen?

Ein weiteres Detail, das in dem Fall für Aufsehen sorgt: Das Amtsgericht Arnsberg, das die rechtswidrige Durchsuchung angeordnet hat, wird von Charlotte Merz, der Ehefrau von Friedrich Merz, geleitet. Deshalb wird gerade in den sozialen Medien über eine mögliche Einflussnahme spekuliert.

Der Tenor: Gerade an einem vergleichsweise kleinen Gericht würden die Richterinnen und Richter sich doch über prominente Fälle austauschen.

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Faktisch gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. Richter sind nach dem Grundgesetz unabhängig - die Direktorin eines Gerichts kontrolliert nicht die Arbeit der dort tätigen Richterinnen und Richter. Außerdem wird die Zuständigkeit der einzelnen Richterinnen und Richter im Vorhinein durch einen Geschäftsverteilungsplan festgelegt. Den bestimmt nicht die Direktorin, sondern das Präsidium des Gerichts.

Und auch das Landgericht Arnsberg schreibt in seinem Beschluss: Charlotte Merz habe von dem Verfahren und dem Durchsuchungsbeschluss erst am 1. September 2025 Kenntnis erlangt.

Daniel Heymann berichtet für die ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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