IAA: Wie können deutsche Autobauer das Comeback schaffen?

Interview

Autoindustrie in der Krise:Wie schaffen deutsche Autobauer das Comeback?

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Sinkende Marktanteile, Gewinnverluste, Jobkürzungen: Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise. Wie können Mercedes, BMW, VW und Co. doch noch das Comeback schaffen?

Die Logos der deutschen Autobauer VW, BMW und Mercedes.

Die deutschen Autohersteller stecken in der Krise. Marktanteile gehen verloren genauso wie Arbeitsplätze. ZDFheute live analysiert was VW, BMW und Co. für ein Comeback tun können.

08.09.2025 | 29:06 min

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise. Marktanteile und Gewinne sind in den letzten Jahren eingebrochen, Hersteller kürzen Jobs, Zehntausende weitere sind in Gefahr. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München stellen Hersteller jetzt viele neue Modelle vor - die laut einigen Beobachtern die letzte Chance für deutsche Autobauer sein könnten.

Wie kann es die deutsche Autoindustrie aus der Krise schaffen? Ist ein Comeback für VW, Mercedes, BMW und Co. angesichts der Konkurrenz aus China überhaupt zu schaffen?

Automobil-Expertin Beatrix Keim erklärt bei ZDFheute live, dass sie an die Chancen deutscher Hersteller glaubt: "Ich glaube, sie können das, sie haben schon sehr viele Krisen gemeistert." Klar sei, dass sich nun vieles im Bereich der E-Mobilität abspielen müsse. Das betont auch ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. Wie groß die Krise ist und was nach Ansicht der Experten nötig ist, um den Absprung zu schaffen. Ein Überblick.

Wie groß ist die Krise der deutschen Autoindustrie?

Es sei "ein wirklich perfekter Sturm", der sich über Deutschlands Autobranche zusammenbraue, erklärt ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann.

Das ist wahrscheinlich die größte Krise der deutschen Autoindustrie seit Bestehen dieser Industrie.

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

Weltweit sei man mitten im Umbruch zu neuen Antriebsformen, die deutsche Autoindustrie laufe allerdings hinterher. Probleme gebe es im Wesentlichen in drei Märkten: dem Heimatmarkt, dem chinesischen und dem US-Markt.

ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann

Die Lage für die deutsche Autoindustrie sei noch nie so drastisch gewesen, sagt ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. Bei der E-Mobilität seien deutsche Marken hinterher.

08.09.2025 | 8:17 min

Die deutsche Autoindustrie verkaufe auf dem Heimatmarkt weniger Autos - zuletzt habe es weniger Neuzulassungen als vor der Corona-Krise gegeben, so Neuhann. Nach Erholung sehe es derzeit nicht aus. Auf dem chinesischen Markt, wo mit Abstand die meisten Autos verkauft würden, verlieren die deutschen Hersteller laut Neuhann seit Jahren Marktanteile - vor allem im Premiumsegment. Im US-Markt seien vor allem die Zölle von Präsident Donald Trump ein Problem.

Insofern eine Dreifachkrise, die die deutsche Autoindustrie da voll trifft.

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

Warum hinkt die deutsche Autoindustrie hinterher?

ZDF-Wirtschaftsexperte Neuhann spricht von einem Zusammenspiel aus internen und externen Faktoren. Extern seien das eben jene US-Zölle. Intern sei aber auch Unentschiedenheit ein zentrales Problem, sowohl bei der deutschen Autoindustrie selbst als auch bei der Politik in Europa und Deutschland:

Insbesondere eine Unentschiedenheit, wenn es darum geht, soll man wirklich auf diese neuen Antriebe setzen und vor allem auf welche soll man setzen?

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

"Der Weltmarkt, der hat sich sich längst entschieden", stellt Neuhann klar. Nämlich für den E-Antrieb. In China etwa sei längst ganz klar, dass die Reise zum Elektroantrieb geht. In Deutschland sei man lange sehr zurückhaltend gewesen, weil man noch sehr viel Geld mit dem Verbrenner verdient habe. Die deutsche Politik habe etwa mit dem abrupten Ende der Förderkaufprämie für Elektroautos ihren Teil beigetragen. Das habe beim Kunden für Verunsicherung und Zurückhaltung gesorgt.

All das habe mit dazu geführt, dass die deutsche Autoindustrie da steht, wo sie jetzt steht: In weiten Bereichen abhängig von China und beispielsweise im Bereich der Batterie oder Software überholt. Neuhann bilanziert:

Da ist einiges schiefgelaufen.

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

Automobil-Expertin Keim betont, dass auch der Markt eine Rolle bei dieser Entwicklung gespielt habe. Bei der ersten Generation E-Autos habe man den Eindruck gewonnen, die Menschen seien noch nicht bereit dafür. Es habe viel Unverständnis und auch Mythen zum Beispiel zur Reichweite gegeben. Industrie und Politik hätten aber versäumt, damit aufzuräumen. Inzwischen wachse die Akzeptanz.

Eine Hand poliert mit einem Tuch ein Logo eines BMW-Fahrzeugs auf der Auto-Messe IAA.

Die deutschen Autohersteller stecken tief in der Krise. In den letzten Jahren haben sie massive Gewinneinbrüche erlitten und Marktanteile verloren.

08.09.2025 | 0:59 min

Wie wichtig ist die Autoindustrie für die deutsche Wirtschaft?

"An der deutschen Autoindustrie hängt ein großer Teil unseres Wohlstands", betont Neuhann. Sie sei eine Kern- und Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft.

Wenn die Autoindustrie hustet oder eine Grippe hat, hat das ganze Land ein echtes Problem.

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

In der deutschen Autoindustrie gab es 2024 rund 737.000 Jobs. Prognosen zufolge könnten gegenwärtig mehr als 100.000 davon in Gefahr sein, meint der ZDF-Wirtschaftsexperte. Allein VW wolle bis 2030 35.000 Stellen abbauen.

Ein Umdenken in der Branche und ein verstärkter Fokus auf E-Mobilität spiele in die Rechnung mit rein: "Man weiß, dass für den Elektroantrieb deutlich weniger Menschen gebraucht werden", so Neuhann. Für ein Verbrennerauto brauche man ungefähr 1.000, teils 2.000 Teile. Zulieferer seien also gefragt. Für ein Elektroauto brauche man manchmal nur rund 200 Teile - in der Zulieferindustrie als Kernbestandteil der deutschen Autoindustrie werden laut Neuhann in den nächsten Jahren also noch sehr viele Jobs wegfallen.

ingang der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA Mobility)

Auf der IAA in München präsentieren die deutschen Automobilhersteller neue Modelle und Innovationen. Ziel ist es, zur internationalen Konkurrenz aufzuschließen.

08.09.2025 | 1:36 min

Hat die Branche das Problem erkannt?

Neuhann bestätigt: "In der Autoindustrie hat es in den letzten Jahren ein echtes Aufwachen gegeben." Dass es auf der IAA nun sehr viele Premieren gebe, mache erst einmal Mut. Letztendlich müsse man aber erneut die Frage der Entschiedenheit stellen - auch in Richtung Politik. Die grundsätzliche weltweite Bewegung hin zur E-Mobilität sei klar und "daran sollte man nicht mehr rütteln", mahnt der ZDF-Wirtschaftsexperte.

Wenn Deutschland da nicht mitzieht, dann haben wir über Jahren ein echtes Problem.

Florian Neuhann, ZDF-Wirtschaftsexperte

An der "Cash-Cow" des Verbrenners könne man zwar noch ein paar Jahre gut verdienen, langfristig werde man mit diesem Fokus aber nicht mehr mithalten können. "Ich glaube, das Entscheidende ist diese klare Festlegung, die sowohl die Autoindustrie als auch die Politik machen müssen, dass der Antrieb der Zukunft der Elektromotor ist." Keim berichtet von einer wahrnehmbaren Aufbruchstimmung bei deutschen Herstellern - auch auf der IAA in München. Insgesamt brauche es mehr von diesem Optimismus.

Auto-Expertin Beatrix Keim vom Center for Automotive Research

Auto-Expertin Keim ist optimistisch, dass die deutsche Autoindustrie es aus der Krise schafft. Dafür brauche es eine gute Modellpalette und eine Anpassung an verschiedene Märkte.

08.09.2025 | 17:11 min

Der Markt fordere zwar teilweise auch noch Verbrenner, künftig müssten aber mehr Investitionen in schadstofffreie Varianten oder alternative Technologien fließen, so die Expertin. Jeder habe verstanden, "dass es mit fossilen Brennstoffen so nicht weitergehen kann".

Um es aus der Krise herauszuschaffen, sei im Bereich der E-Mobilität zudem eine gute Modellpalette wichtig, die auch günstige Fahrzeuge bietet, so Keim. Auch eine Unterscheidung der Modelle von Markt zu Markt je nach Geschmack werde erforderlich sein.

Man wird nicht mehr ein Modell für alle haben.

Beatrix Keim, Automobil-Expertin

Offenheit gegenüber den Marktbedürfnissen, stringentes Kostenmanagement und nicht mehr China aus den Augen verlieren - so könne das Comeback der deutschen Autobauer gelingen.

Die Interviews bei ZDFheute live führte Philip Wortmann. Zusammengefasst hat sie Laura Marie Mertes.

Quelle: ZDF

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