CCS: Wie schnell kommt das Gesetz zur CO2-Speicherung?
Umweltschutz durch CCS-Technik:CO2-Speicherung: Kommt das Gesetz im Eiltempo?
von Mark Hugo
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CO2 einfach abscheiden und unter die Erde pumpen? Mit einem Gesetz dafür könnte es jetzt sehr schnell gehen. Die Umsetzung wird aber dauern. Außerdem gibt es Kritik und Zweifel.
Die Zementherstellung auf klimaneutral umstellen ist extrem schwierig. CCS-Anlagen, die Kohlendioxid einfangen, könnte dabei helfen.
Quelle: SVEN SIMON
Es klingt herrlich einfach: Statt klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entweichen zu lassen, wird es eingefangen und tief unter die Erde gepumpt. Technisch geht das im Prinzip bereits und wird auch schon gemacht - etwa im norwegischen Brevik, wo im Juni die weltweit erste Anlage für CCS (Carbon Capture and Storage) im industriellen Maßstab für die Zementindustrie eröffnet wurde.
Eine Mülldeponie für CO₂ unter der Nordsee bietet das CCS-Pilotprojekt. Dabei wird das verflüssigte CO₂ durch Tanks und 100 Kilometer Pipeline 2600 m tief in den Grund gepumpt.23.10.2024 | 2:04 min
Gesetz soll CCS schnell erlauben
In Deutschland ist CCS dagegen bisher nicht zulässig. Ein Gesetz soll das jetzt so rasch wie irgend möglich ändern. Das jedenfalls wünscht sich die Bundesregierung. Es baut auf einen Ampel-Entwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speichergesetzes (KSpG) vom letzten Jahr auf. Im Juli lag ein Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium vor.
Mit CCS (Carbon Capture and Storage) sind Verfahren gemeint, die CO2 an der Quelle einfangen und dann speichern. Das heißt, sie reduzieren in der Regel nur den Ausstoß. "Negative Emissionen" bedeutet dagegen: Treibhausgase, die bereits in der Atmosphäre sind, werden technisch oder natürlich entnommen. CCS kann auch dazu beitragen, wenn CO2 eingefangen wird, das etwa aus Biomasse stammt, also vorher von Pflanzen aus der Luft geholt wurde.
Kritik kam ebenfalls prompt. Unter anderem vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der mit Blick auf die vielen eigenen Abfallunternehmen, die ohne CCS nur schwer auf klimaneutral zu bürsten sind, das Gesetz zwar grundsätzlich begrüßt. Nur: "Die kurze Konsultationspflicht" sei "eine Zumutung". Wie andere Verbände wurde der VKU um Stellungnahme gebeten, eben im Eiltempo.
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Klimaneutralität bei Zementherstellung schwierig
Weit begeisterter ist der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ). Die Branche gehört neben der Abfallwirtschaft und der Chemieindustrie ebenfalls zu den Bereichen, die sich nur sehr schwer auf klimafreundlich umstellen lassen. Die Rede ist von so genannten "schwer vermeidbaren Restemissionen".
Gemeint sind damit Treibhausgase, die auch dann noch ausgestoßen werden, wenn es die Bereiche Industrie, Verkehr und Energie sonst gar nicht mehr tun. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Dann noch ausgestoßene Treibhausgase müssten ausgeglichen werden, indem sie anderswo aus der Atmosphäre geholt werden. Oder sie müssten mit CCS direkt vor Ort eingefangen werden. Eine klare Definition, wann Emissionen jetzt und künftig "schwer vermeidbar" sind, gibt es aber noch nicht.
Bei der Zementproduktion geht es dabei nicht nur um Energie. CO2 wird auch durch eine chemische Reaktion beim Brennen freigesetzt. Bedeutet: Selbst bei 100 Prozent grünem Strom sind Emissionen nicht vermeidbar, jedenfalls solange mit dem gängigen Zement gebaut wird.
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Erste CCS-Projekte wohl schon "in den Startlöchern"
"Die Zeit drängt für die industrielle Dekarbonisierung", mahnt nun der VDZ. Denn ab 2040 sollen im EU-Emissionshandel keine neuen Zertifikate mehr ausgegeben werden. Heißt: Produziert ein Hersteller bis dahin nicht klimaneutral, muss er praktisch schließen. Kein Wunder, dass der VDZ das Gesetz feiert. CCS-Projekte seien bereits "in den Startlöchern".
Deutlich kritischer äußert sich der Umweltverband BUND: So wie auch viele Klimaschützer und -forschende fürchtet er so genannte Lock-in-Effekte. Gemeint ist die Gefahr, dass man sich voll und ganz auf CCS verlässt und dabei - auch wegen der hohen Investitionen - versäumt, Treibhausgase zu reduzieren und klimafreundliche Alternativen zu suchen. Von einer "teuren Scheinlösung" ist daher die Rede.
Rund um den Industriemüll sollen ganze Industrien mit Pipelines, Anlagen und CO2-Endlager errichtet werden. Milliarden öffentlicher Gelder könnten an Verschmutzer fließen.
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Olaf Bandt, Vorsitzender BUND
Das sei nebenbei riskant und schade der Natur. Der BUND stört sich nämlich auch an dem Plan, dem Ausbau der Infrastruktur ein "erhöhtes öffentliches Interesse" einzuräumen, womit er Vorrang etwa vor dem Umweltschutz haben könnte. Auch der Verband kommunaler Unternehmen sieht das Problem und warnt vor einer Belastung des Trinkwassers im Umfeld möglicher Speicher.
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CO2-Speicherung teuer und aufwendig
Die Speicher übrigens gibt es in Deutschland noch ebenso wenig wie CO2-Pipelines. Der Aufwand ist groß. "Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 werden sehr teuer sein", sagt Prof. Klaus Wallmann vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) dem Science Media Center (SMC).
Laut dem vorliegenden Entwurf soll CCS grundsätzlich auch bei Gaskraftwerken nicht ausgeschlossen werden. Eine klimafreundliche Alternative also zu den Erneuerbaren? Experten bezweifeln das. CCS kann nicht alle Emissionen auffangen, außerdem ist es teuer und energieintensiv. Ein Teil des Gases müsse allein dafür verfeuert werden. Dass die Kraftwerke als Backup für Wind und Solar gedacht sind und nicht dauerhaft laufen sollen, mache es zusätzlich unwirtschaftlich. Ohne "massive Subventionen", würde das nicht klappen, sagt Prof. Klaus Wallmann vom GEOMAR.
Die Erkundung von Speichern in der Nordsee oder später auch an Land koste Millionen und viel Zeit. Erste deutsche Speicher könne es frühestens in zehn Jahren geben, glaubt er. Ein Export ins Ausland, etwa nach Norwegen, wäre schneller möglich. Noch kann aber niemand genau sagen, in welchem Umfang Deutschland diese Speicherkapazitäten wird nutzen können.
Hinter CCS stehen also noch Fragezeichen. Dass es auf dem Weg zur Klimaneutralität auch bei uns eine Rolle spielen wird, ist wahrscheinlich. Dass es aber die notwendige deutliche Reduktion von Treibhausgasen nicht ersetzen kann, weiß wohl auch die Bundesregierung.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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