Missernten und steigende Preise: Klimawandel: Auf der Suche nach dem Super-Kaffee

Missernten und steigende Preise:Klimawandel: Auf der Suche nach dem Super-Kaffee

Porträt von Christoph Röckerath, ZDF-Auslandsstudioleiter Rio de Janeiro
von Christoph Röckerath
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Extreme Wetterphänomene aufgrund des Klimawandels machen den Kaffeebauern in Brasilien zu schaffen. Das Land ist der größte Exporteur der Welt.

Kaffee-Ernte in Brasilien
Brasiliens Kaffeebauern stecken in der Krise. Im größten Kaffee-Exportland der Welt sorgen Dürre, Starkreden, extreme Hitze oder extreme Kälte in den Anbauregionen für Ernteausfälle.04.07.2025 | 4:33 min
Auf den ersten Blick erinnern sie an missratene Cornflakes. Gelbliche Flocken, fein säuberlich aufgereiht in Petrischalen, erstrecken sich über den Labortisch im Agrarinstitut Embrapa in Campinas, in der Nähe von São Paulo. Es handelt sich um Kaffee-Embryonen - Keime neu gezüchteter Pflanzen. Wissenschaftler in Brasilien arbeiten daran, Varianten der Kaffeepflanze zu entwickeln, die resistenter sind gegen die Herausforderungen des Klimawandels.

Suche nach den Super-Genen

Die Genetik der Kaffeepflanze ist komplex. Die Widerstandskraft gegen die zunehmenden Wetterextreme hängt von einer Vielzahl von Genen ab. "Es gibt nicht nur das eine Gen, das sagt: Diese Pflanze hier ist tolerant gegenüber Wassermangel", sagt Agraringenieurin Lilian Padilha.
eine tasse wird mit kaffee gefuellt
"Ein steigender Preis signalisiert in der Regel Knappheit. Im April waren die Einfuhrpreise von Kaffebohnen um 53 Prozent höher als im Vorjahr. Der Grund dafür sind Ernteausfälle", sagte Frank Bethmann.02.06.2025 | 1:02 min
Erst, wenn sie Schlüssel-Gene bestimmt haben, könnten sie damit beginnen, eine neue Variante der von Kaffeetrinkern besonders gefragten Arabica Pflanze zu entwickeln. Aber das dauert: "Mit den Methoden der traditionellen Züchtung, also der Kreuzung einzelner Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften, kann es bis zu 30 Jahre dauern, bis die gewünschte Pflanze Früchte trägt", so Padilha.

Jede dritte Kaffeebohne aus Brasilien

Zeit, die weder die brasilianischen Kaffeebauern, noch die internationalen Märkte haben. Rund ein Drittel der weltweit gerösteten Kaffeebohnen kommt aus Brasilien. Kaffee gehört neben Soja und Rindfleisch zu den wichtigsten Agrarexportgütern Brasiliens. Der weltweite Kaffeepreis entscheidet sich auf den Feldern Brasiliens.
Kaffeebohnen werden verarbeitet.
Eine indigene Kooperative in Ecuador pflanzt Kaffee im Schatten größerer Bäume an. Eine Kooperative unterstützt das Projekt, von dem die Kaffeebauern profitieren sollen.14.07.2024 | 1:21 min
Oder eben im Labor. Bei der Embrapa versuchen sie, den Prozess zu beschleunigen, indem sie molekulargenetische Verfahren anwenden. Dazu entnehmen sie Geninformationen einzelner Kaffeeembryonen und setzen diese bei anderen Embryonen ein.

Wettlauf mit dem Klimawandel

"Wir nennen das Präzisionsverbesserung. Wir entnehmen dem DNS-Molekül nur das kleine Stück, das uns interessiert und bearbeiten es mit einer anderen Sequenz der Pflanze. Es kommt also nichts Externes hinzu", erklärt Lilian Padilha. Vereinfacht gesagt: Das Verfahren ist sicher, es handelt sich also nicht um "Gen-Kaffee". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen nur, den evolutionären Prozess zu beschleunigen, im Wettlauf gegen den Klimawandel.
Auf dem Außengelände des Instituts steht ein kleines Wäldchen mit Bäumen, die teilweise mehr als zehn Meter hoch sind. "Das alles sind Kaffeepflanzen, auch wenn man das nicht ahnen würde", sagt Oliveiro Guerreiro, der am Institut für die Aufzucht der Pflanzen zuständig ist.

Ein Wald als Datenbank

Es gebe rund 130 Sorten, aber die meisten Menschen würden nur die zwei kennen, die in den Kaffeetassen landen: Arabica und Robusta. "Die meisten Kaffees hier schmecken nicht besonders, aber das Wäldchen ist unsere Gendatenbank".
Genug Auswahl also für die Genetiker, irgendwann den Super-Kaffee zu erschaffen, der mit Dürre, Hitze, Hagel und Starkregen klar kommt.
Kaffeetasse mit Milchschaum und Kaffee
Das Lieblingsgetränk der Deutschen ist bedroht: der Kaffee. Die Pflanzen sind empfindlich, der Klimawandel setzt ihnen zu. Bis 2050 droht die Hälfte der Anbauregionen ungeeignet zu werden.18.07.2024 | 29:44 min

Abschied von Monokultur

Dabei geht es auch ganz anders. Nur zwei Autostunden entfernt steckt sich Sergio Lange eine reife Kaffeefrucht in den Mund und sagt, sichtbar stolz: "Saftig, süß-sauer. Dieser Pflanze geht es gut!".
Sergio Lange hat seine traditionellen Kaffeefelder umgestaltet. Statt in Monokultur baut er die Kaffeebüsche unter Bäumen an. Sie spenden Schatten, ihr Laub bedeckt und düngt den Boden. Anders als seine konventionell anbauenden Nachbarn braucht er keine Pestizide. Lange schiebt das Laub zur Seite:

Hier unten tut sich ein Universum auf. Insekten, Würmer, Pilze! Dieser Boden hat eine ganz besondere Qualität. Wenn ich Chemikalien einsetze, würde ich all dies vernichten.

Sergio Lange, Kaffeebauer

Während nebenan in diesem Jahr zwei Drittel der Ernte verloren seien, habe er keine Einbußen zu beklagen, sagt er. Der einzige Haken: Seine Erträge pro Fläche sind geringer, was seinen Kaffee teurer macht, als den der Konkurrenz.
"Teurer ist das falsche Wort", sagt Lange, "Wertvoller ist der richtige Begriff. Der Markt muss lernen, dass Qualität ihren Preis hat." Zurück zur Natur oder die Superzüchtung aus dem Labor? So oder so dürfte klar sein: Die Zeit des Kaffees als billige Massenware ist vorbei.

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