Experte zu KI-Infrastruktur :Europa hat "Fenster von ein, eineinhalb Jahren"
Die USA sind beim Thema KI weit voraus. Viel Zeit, um aufzuholen, bleibt Deutschland nicht. Doch möglich ist es, meint KI-Experte Antonio Krüger.
Künstliche Intelligenz spielt vor allem in der Wirtschaft eine immer wichtigere Rolle. Deshalb setzen viele Unternehmen schon bei der Ausbildung auf KI-Kenntnisse.
03.09.2025 | 1:34 minOb OpenAI, Microsoft, Google oder IBM: Wenn es um Künstliche Intelligenz geht, dominieren die großen Player aus den USA. Europa kommt mit eigenen Lösungen nicht schnell genug hinterher. Gleichzeitig bleiben die Potenziale, die der Einsatz künstlicher Intelligenz bietet, vielfach ungenutzt. Dabei birgt KI für die deutsche Wirtschaft große Chancen, ist KI-Experte Antonio Krüger überzeugt.
In welchen Bereichen kann Deutschland besonders profitieren? Und was muss Europa tun, um im Bereich Künstliche Intelligenz unabhängig(er) zu werden?
Im Interview mit ZDFheute sagt Krüger, dass …
… die Wirtschaft der Forschung hinterherhinkt
Während Deutschland bei der Forschung zu Künstlicher Intelligenz vorne dabei ist, ist der Transfer in die wirtschaftliche Praxis zu langsam. Schon bei der ersten Welle der Digitalisierung habe es in Deutschland Probleme gegeben, die Erkenntnisse aus der Forschung in wirtschaftliche Münze umzuwandeln, erklärt Krüger.
… ist seit 2009 Professor für Künstliche Intelligenz im Handel an der Universität des Saarlandes. Außerdem ist er Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).
… China bei Ingenieurkenntnissen hinterherhinkt
Es gebe viele Nischenmarktführer, etwa in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik. Wenn es diesen Unternehmen gelingt, ihre Produkte durch Künstliche Intelligenz aufzuwerten, gewinne der deutsche Wirtschaftsstandort "sehr, sehr stark", so der Experte. "Allerdings muss das passieren", betont er die Dringlichkeit.
Wenn das nicht passiert, dann wird es in anderen Teilen der Welt genauso eine Entwicklung geben.
Antonio Krüger, KI-Experte
Damit verweist Krüger auf die Konkurrenz aus China. Dort gebe es "ganz, ganz viele innovative Unternehmen, denen die Maschinenbaukenntnisse und klassischen Ingenieurkenntnisse noch fehlen, die aber im digitalen Bereich unglaublich aufgeholt haben und uns dort eigentlich schon voraus sind".
Bei der Digitalisierung schneidet Deutschland in der EU eher mittelmäßig ab. Wie wichtig die Digitalisierung ist, zeigt sich besonders in der Wirtschaft.
18.08.2025 | 1:34 minWenn diese Unternehmen etwa im Bereich Maschinenbau nachziehen, werden sie zu großen Konkurrenten. "Deswegen ist es für uns sehr wichtig, dass wir an der Stelle gerade den Mittelstand fit machen."
… das Innovationstempo im Vergleich zu langsam ist
Innovationen seien in Deutschland in der Vergangenheit vor allen Dingen aus dem Mittelstand gekommen. Unternehmen im Maschinenbau oder der Automobilindustrie haben Innovationen in ihren eigenen Entwicklungsabteilungen durchgeführt - mit Zeit und deutscher Ingenieurskunst - und diese Innovationen direkt in ihre Produkte eingebaut. Doch im Digitalen folgen Innovationen einer anderen Logik, macht der Experte deutlich.
Viele mittelständische Unternehmen kämpfen in Deutschland noch immer mit Problemen bei der Digitalisierung. ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann geht den Ursachen auf den Grund.
23.08.2025 | 1:11 min"Die Digitalwirtschaft ist einfach viel schneller. Dort finden Innovationen vor allen Dingen über Start-ups statt. Das bedeutet über ganz schnelle Zyklen", erklärt Krüger. Dieses Ökosystem baue man gerade in Deutschland und Europa auf.
Aber da haben wir einen großen Nachteil gegenüber zum Beispiel den USA, aber auch gegenüber China.
Antonio Krüger
Man müsse den Mittelstand als Säule der wirtschaftlichen Leistung mit einem schnelleren Innovationssystem "verheiraten". "Das ist nicht einfach, aber das geht", ist der Experte überzeugt. Man werde dafür nicht das ganze System umkrempeln. "Aber wir müssen versuchen, unsere Art der Innovation zusammen mit einer höheren Geschwindigkeit hinzubekommen." Das trage bereits erste Früchte.
… Europa die nötige KI-Infrastruktur fehlt
Der andere große Vorteil in den USA sei die Infrastruktur, sagt Krüger: "Die großen KI-Modelle benötigen sehr viel Rechenleistung, sowohl im Training als auch nachher im Betrieb. Diese Rechenleistung fehlt in Europa." Ein Dilemma, so Krüger.
Amazon, Google & Co. dominieren den digitalen Alltag. Die EU will das ändern – mit neuen Gesetzen. Doch die Umsetzung stockt. Was bedeutet das für Verbraucher und digitale Rechte?
14.07.2025 | 3:52 minDie Pläne der Europäischen Kommission, eine solche Infrastruktur aufzubauen, hält der Experte für richtig. Doch bei der Umsetzung bleibt er skeptisch: "Wir werden sehen, wie schnell das geht."
Wir haben jetzt vielleicht noch ein Zeitfenster von ein, eineinhalb Jahren, wo wir das umsetzen können.
Antonio Krüger
Gelingt das, ist der Experte zuversichtlich, dann könne "man den Abstand wieder deutlich verringern." Dafür brauche es einen Zusammenschluss von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.
Jeder dritte Computer-Chip in Europa kommt aus Dresden. In "Silicon Saxony" entwickeln Start-ups Höchstleistungshalbleiter. Der deutsche Chiphersteller Infineon baut staatlich subventioniert eine "Smart Power Fab".
04.08.2025 | 1:53 minDie Sprünge bei der Weiterentwicklung von großen KI-Modellen seien aktuell enorm. Vorherzusagen, wohin es als nächstes geht, ist schwer. "Das bedeutet, wir haben da durchaus eine Chance, aufzuholen und bei der nächsten Generation von KI-Modellen auch wieder vorne mit dabei zu sein."
Das Interview führte Laura Ozdoba, Reporterin im ZDF-Landesstudio Baden-Württemberg.
Mehr zum Thema Künstliche Intelligenz
Wachstum dank KI-Boom:Trotz China-Sorgen: Umsatzsprung bei Nvidia
mit VideoKünstliche Intelligenz:OpenAI startet neue ChatGPT-Version
mit VideoMit zehn Prozent:US-Regierung steigt bei Chipkonzern Intel ein
mit Video