Titan-Unglück: Warum das Tauchboot implodierte | Terra-X-Kolumne

Kolumne

Terra X - die Wissens-Kolumne:Warum die Titan implodiert ist

von Brigitte Saar
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Die Titan ist 3.300 Meter tief, als der Kontakt zum U-Boot abbricht und die Tauchfahrt zum Wrack der Titanic jäh endet. Was genau ist am 18. Juni 2023 passiert? Wo lag der Fehler?

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Brigitte Saar

Fünf Menschen sind am 18. Juni 2023 an Bord der Titan, um zum Wrack der Titanic zu tauchen. In mehr als 3.300 Metern Tiefe bricht der Kontakt zur Oberfläche ab. Sekunden später implodiert das Tauchboot.

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

An Bord des Begleitschiffs hofft die Crew zunächst, das Tauchboot intakt finden und die Insassen retten zu können. Dreieinhalb Tage lang suchen Flugzeuge und Schiffe in einer aufwändigen Rettungsmission nach der vermissten Kapsel. Ein Tauchroboter findet schließlich, nur wenige hundert Meter vom Bug der Titanic entfernt, Überreste der Titan auf dem Meeresboden.
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Haben die Taucher leichtsinnig ihren Tod unterschrieben?

Die Kunden der Betreiberfirma OceanGate Expeditions mussten allesamt Haftungsausschluss-Verträge unterschreiben. Darin bestätigten sie zu wissen, dass die Teilnahme an der Expedition und an einem Tauchgang tödlich enden kann. Aber war den Opfern wirklich klar, wie riskant ihre Tauchfahrt ist?
Die Antwort lautet: vermutlich nicht. Denn OceanGate-Chef und Tauchboot-Pilot Stockton Rush hat auch behauptet, dass das Innere seines Tauchboots der sicherste Ort auf Erden ist.
Um realistisch einschätzen zu können, ob ein überschaubares Restrisiko oder unmittelbare Todesgefahr bestand, fehlten seinen Mittauchern P. H. Nargeolet, Hamish Harding sowie Shahzada und Suleman Dawood das technische Verständnis und die Fakten. Zudem dürften sie davon ausgegangen sein, dass die Titan nach zwei Expeditionen mit insgesamt dreizehn erfolgreichen Tauchgängen trotz des experimentellen Designs tiefseetauglich ist.
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Materialversagen mit Ankündigung

Seit nunmehr zwei Jahren versucht ein Untersuchungsausschuss der US-Küstenwache herauszufinden, was genau passiert ist. Zwei Mal wurden dafür Trümmer des zerstörten Tauchboots vom Meeresboden geborgen. Inzwischen steht die Unglücksursache fest: Materialversagen.
Der Druckkörper der Titan bestand unter anderem aus Karbonfasern, die durch gehärtetes Epoxidharz miteinander verbunden waren. Akustische Sensoren und Dehnungsmessstreifen sollten Alarm schlagen, wenn zu viele Fasern reißen und das Material instabil wird.
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Ermittler: Tauchgang 80 war Anfang vom Ende der Titan

Durch die Ermittlungen kam ans Licht: Ein paar Tauchgänge vor der Katastrophe gab es einen Alarmfall. Im Tauchboot war ein lauter Knall zu hören, mehrere Sensoren schlugen an. Höchstwahrscheinlich haben sich in diesem Moment auf einer größeren Fläche Faserschichten voneinander gelöst.
"Die Delamination bei Tauchgang #80 war der Anfang vom Ende", sagt Ermittlerin Katie Williams von der US-Küstenwache dazu. "Jeder, der danach an Bord der Titan ging, hat sein Leben riskiert." Denn OceanGate tauchte mit dem angeschlagenen Mini-U-Boot einfach weiter.
Zu sehen ist eine Montage mit einem Tauchboot des Unternehmens "OceanGate" und Teilen des Wracks der "Titanic".
In fast vier Kilometern Tiefe könnte die "Titan" mit fünf Insassen liegen. ZDFheute live spricht über die Suche mit Titanic-Expertin Brigitte Saar, die selbst schon am Wrack war. 20.06.2023 | 45:39 min

Wer hat Schuld am Titan-Unglück?

Für die Ermittlerin ist klar, wer der Schuldige ist: der OceanGate-Firmenchef. "Stockton Rush hatte so viele Chancen, alles zu stoppen, und er hat sich immer entschieden weiterzumachen, statt die Dinge unter Sicherheitsaspekten zu überdenken," so Williams.
Jason Newbauer, der Leiter des Untersuchungsausschusses, geht noch weiter: "So gesehen haben wir es hier nicht mit einem Unfall zu tun. Es handelt sich um eine potenzielle Straftat."
Deren Verfolgung dürfte allerdings schwierig werden. Stockton Rush war selbst unter den Todesopfern der Titan - gegen ihn kann nicht mehr juristisch vorgegangen werden. Stattdessen wird nun geprüft, ob weitere leitende Mitarbeiter wie der Chefingenieur oder der Expeditionsleiter von den Versäumnissen gewusst und durch Unterlassung zum Unglück beigetragen haben. Dann könnten diese möglicherweise strafrechtlich belangt werden.
Eric im Taucheranzug Unterwasser.
Eric taucht ab in eine lebensfeindliche Welt15.09.2023 | 24:17 min

Wer ist finanziell haftbar?

Die Firma OceanGate hat nur wenige Tage nach der Katastrophe den Betrieb eingestellt und ist pleite. Zudem erschweren es die schon beschriebenen Haftungsausschlussklauseln grundsätzlich, Schadenersatz geltend zu machen. Um diese auszuhebeln, müssten die Angehörigen OceanGate Vorsatz oder betrügerische Falschinformationen nachweisen können.
Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission zur Titan steht noch aus. Er soll bis Ende des Jahres veröffentlicht werden.

... hat an zwei Titanic-Expeditionen teilgenommen und ist im Jahr 1998 mit dem russischen Tauchboot Mir II selbst zur Titanic getaucht. Sie recherchiert seit mehr als 25 Jahren rund um das Thema Tiefsee-Expeditionen und ist Vize-Präsidentin des Titanic-Vereins Schweiz. Hauptberuflich arbeitet sie als aktuelle Reporterin für das ZDF-Landesstudio Bayern.

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