Nach Attentat in Solingen: Lebenslange Haft für Issa Al Hasan

Nach Attentat in Solingen:Lebenslange Haft für Issa Al Hasan

von Charlotte Greipl
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Auf einem Stadtfest in Solingen tötete er drei Menschen und verletzte weitere schwer. Jetzt wurde Al Hasan zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

Solingen: Am Fronhof, dem Tatort des Messeranschlags von Solingen, steht der Schriftzug "Solingen trauert" und eine Kerze auf einem Bildschirm.

Im Prozess um den Messeranschlag von Solingen vor einem Jahr wird heute das Urteil erwartet. Der Täter hatte den Anschlag bereits gestanden, ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

10.09.2025 | 0:26 min

Im Prozess um den Messeranschlag von Solingen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf an diesem Mittwoch Issa Al Hasan schuldig gesprochen. Das Gericht verurteilte den 27-jährigen Syrer zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Gleich am ersten Verhandlungstag hatte Issa Al Hasan ein Geständnis abgelegt. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen", ließ der Attentäter von Solingen durch seinen Verteidiger verlesen.

Seit Ende Mai muss sich der 27-jährige Syrer vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf für den Terroranschlag auf dem "Festival der Vielfalt" zum 650-jährigen Jubiläum der Stadt Solingen verantworten.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm dreifachen Mord sowie zehnfachen versuchten Mords vor. Er soll zudem Anhänger des "Islamischen Staats" sein.

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Nach dem Messerangriff in Solingen im vergangenen August versuchen Betroffene wieder zurück ins Leben zu finden. Doch das Attentat hat auch die Stadt und das ganze Land verändert.

27.05.2025 | 2:51 min

Attentäter rechnet selbst mit lebenslanger Haft

Al Hasan hatte bereits in seinem Geständnis erklärt, dass er eine lebenslange Haftstrafe erwarte - und dürfte damit recht behalten.

Die Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung. Das hätte zur Folge, dass eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen wäre.

Doch auch Al Hasans Verteidiger schlossen sich am Dienstag der Forderung an und sprachen sich lediglich gegen die anschließende Sicherungsverwahrung aus. Sein Mandant habe Grenzen überschritten, Grenzen des Erträglichen, sagte Verteidiger Daniel Sprafke.

Attentäter zeigt sein "wahres Gesicht"

Trotz seines Geständnisses hatte sich der 27-jährige Attentäter über weite Teile des Prozesses als Opfer einer Manipulation durch einen Telegram-Chatpartner dargestellt, mit dem er vor der Tat Kontakt hatte.

Kurz vor Ende der Beweisaufnahme habe er jedoch sein "wahres Gesicht" gezeigt, sagte eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft, "das des Dschihadisten und Islamisten".

Gedenken an die Opfer des Terroranschlag von Solingen

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23.08.2025 | 1:41 min

Der Bundesanwaltschaft zufolge soll sich Al Hasan bereits Ende 2019 radikalisiert haben. Kurz vor der Tat hatte er ein IS-Bekennervideo aufgenommen, das im Prozess als Beweismittel herangezogen wurde. Der IS hatte die Tat für sich reklamiert.

Gutachten sieht keine psychische Störung

Neben der genauen Rekonstruktion des Anschlags lag einer der Schwerpunkte des Verfahrens auf der Frage, ob Al Hasan überhaupt schuldfähig ist.

Ein psychiatrischer Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass Al Hasan mit einem Intelligenzquotienten von 71 unterdurchschnittlich intelligent sei. Ein IQ von 69 oder niedriger gilt als geistige Behinderung.

Mona Neubaur (Bündnis 90/Grüne, l-r), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Josefine Paul (Bündnis 90/Grüne), Ministerin für Familie und Integration von Nordrhein-Westfalen, Ursula Linda Kurzbach und Tim Kurzbach, Oberbürgermeister der Stadt Solingen, haben weiße Rosen in den Händen und gehen zum Gedenkstein.

Vor einem Jahr tötete ein islamistischer Attentäter in Solingen drei Menschen. Danach verschärfte die Bundesregierung ihre Migrationspolitik. Solingen gedenkt der Opfer.

23.08.2025 | 2:19 min

Doch Anzeichen für eine psychische Störung wie etwa eine Psychose konnte der Gutachter nicht feststellen. Er warnte zudem vor einer hohen Rückfallgefahr.

Anschlag löste deutschlandweit Diskussionen aus

Der Anschlag in Solingen hatte deutschlandweit Diskussionen ausgelöst und Forderungen nach konsequenten Abschiebungen verstärkt. Denn Issa Al Hasan hätte zum Zeitpunkt der Tat eigentlich gar nicht mehr in Deutschland sein dürfen.

Er war 2022 über Bulgarien nach Deutschland eingereist, sodass nach den Dublin-Regeln Bulgarien für sein Asylverfahren zuständig gewesen wäre.

Doch ein Rückführungsversuch scheiterte, weil die Behörden ihn nicht in seiner Unterkunft angetroffen hatten. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag von NRW soll mögliche Versäumnisse bei der Abschiebung aufklären.

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Nach dem Attentat in Solingen fordert die AFD in Brandenburg Asylbewerber von öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen. Ministerpräsident Woidke lehnt diesen Plan komplett ab.

10.09.2024 | 4:18 min

"Kein Fünkchen Hass"

Verteidiger Sprafke brachte am Dienstag seine Bewunderung für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer zum Ausdruck, von denen zwölf als Nebenkläger und Zeugen in dem Prozess aufgetreten waren: "Bei ihnen war kein Fünkchen Hass spürbar, keine Belastungstendenz", sagte der Anwalt.

Viele der Nebenkläger hatten große Hoffnungen in den Prozess gesetzt. Sie wollten verstehen, was Al Hasan angetrieben hat.

Doch Sprafke meint, dass eine zufriedenstellende Erklärung nicht gefunden worden sei. "Es ist unklar geblieben, was ihn dazu gebracht hat, dem Bösen zu huldigen", sagte er am Dienstag.

Charlotte Greipl ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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