"Titan"-Unglück: Bericht wirft Betreiber schwere Versäumnisse vor

Bericht zu "Oceangate"-Tauchboot:Schwere Versäumnisse vor Unglück der "Titan"

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2023 machten sich fünf Menschen in einem Tauchboot auf, die Titanic zu erkunden. Die "Titan" implodierte. Zwei Jahre später zeigt der Abschlussbericht gravierende Fehler auf.

U-Boot Titan
Mit diesem Tauchboot wollten fünf Menschen die Titanic am Grunde des Ozeans erkunden. Die "Titan" implodierte, die gesamte Crew starb.
Quelle: OceanGate Expeditions / AFP

Der Implosion des Tiefsee-Tauchbootes "Titan" mit fünf Todesopfern gingen einem Untersuchungsbericht zufolge schwerwiegende Versäumnisse der Betreiberfirma voraus.
Nach zwei Jahren Ermittlungsarbeit listet die US-Küstenwache in ihrem 335 Seiten langen Bericht acht für das Unglück primär ursächliche Faktoren auf - mit schweren Vorwürfen gegen "Oceangate".
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Bericht spricht von toxischem Arbeitsumfeld

Die Betreiberfirma habe unter anderen im Konstruktions- und Testverfahren des Tauchbootes "grundlegende technische Prinzipien" nicht ausreichend berücksichtigt und Zwischenfälle bei vorherigen Fahrten nicht ausreichend kontrolliert. Design und Konstruktion hätten zu Mängeln in der strukturellen Integrität geführt.

1. Oceangates Konstruktions- und Testverfahren für die Titan berücksichtigten viele der grundlegenden ingenieurtechnischen Prinzipien nicht ausreichend, die für den Bau eines Rumpfes mit der für den beabsichtigten Betrieb in einer von Natur aus gefährlichen Umgebung erforderlichen Präzision entscheidend gewesen wären.

2. Oceangate stellte nicht sicher, dass eine Analyse durchgeführt wurde, um die erwartete Lebensdauer des Titan-Rumpfes zu verstehen.

3. Oceangate verließ sich übermäßig auf ein Echtzeit-Überwachungssystem zur Beurteilung des Zustands des Kohlefaser-Rumpfes der Titan und führte anschließend keine aussagekräftige Analyse der von dem System gelieferten Daten durch.

4. Oceangate setzte den Betrieb der Titan nach einer Reihe von Zwischenfällen fort, die die Integrität des Rumpfes und anderer kritischer Komponenten des Tauchbootes beeinträchtigten, ohne den Rumpf ordnungsgemäß zu bewerten oder zu inspizieren.

5. Das Design und der Bau des Titan-Kohlefaser-Rumpfes – insbesondere hinsichtlich Wicklung, Aushärtung, Verklebung, Wandstärke und Fertigungsstandards – führten zu Mängeln, die die strukturelle Gesamtintegrität des Titan-Rumpfes schwächten.

6. Oceangate unterließ es, nach Zwischenfällen, bei denen der Rumpf und Komponenten der Titan bei vor dem Unfall durchgeführten Tauchgängen beschädigt wurden, detaillierte Untersuchungen durchzuführen.

7. Oceangates toxisches Arbeitsumfeld, in dem Entlassungen von leitenden Mitarbeitern und die ständige Androhung einer Kündigung dazu genutzt wurden, Mitarbeitende und Auftragnehmer davon abzuhalten, Sicherheitsbedenken zu äußern.

8. Oceangates Versäumnis, vorbeugende Wartungsmaßnahmen am Titan-Rumpf durchzuführen oder diesen während der längeren Stilllegungszeit vor der TitanIC-Expedition 2023 vor Witterungseinflüssen zu schützen.

(Quelle: Bericht der United States Coast Guard)

Außerdem habe ein "toxisches Arbeitsumfeld" in der Firma dazu geführt, dass Sicherheitsbedenken nicht geäußert worden seien.
Zu sehen ist eine Montage mit einem Tauchboot des Unternehmens "OceanGate" und Teilen des Wracks der "Titanic".
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Gegen den bei dem Unglück am Steuer des Tauchbootes sitzenden "Oceangate"-Chef Stockton Rush hätte womöglich eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet werden können, hätte dieser überlebt, schreibt die US-Küstenwache. In seiner Doppelfunktion als CEO und Pilot habe Rush "fahrlässig gehandelt, was zum Tod von vier Personen beigetragen hat".

Tagelange Suche wurde zu weltweitem Medienereignis

Das Tauchboot war im Juni 2023 verschollen, nachdem es zu einer Erkundungstour zum Titanic-Wrack aufgebrochen war. Die US-Küstenwache hatte mit Hilfe vor allem kanadischer Kräfte rund 700 Kilometer südlich von Neufundland eine großangelegte Suche gestartet, die Menschen weltweit verfolgten. Tage nach dem Verschwinden entdeckte ein Tauchroboter dann knapp 500 Meter vom Titanic-Wrack entfernt die Trümmer des implodierten Bootes.
"Das auslösende Ereignis für diesen Unfall war der Verlust der strukturellen Integrität", schreibt die US-Küstenwache. "Dieser Verlust der strukturellen Integrität führte zur katastrophalen Implosion des Rumpfes." Nach der Implosion seien die fünf an Bord befindlichen Personen einem Wasserdruck von etwa 340 Bar ausgesetzt gewesen, "was zum sofortigen Tod aller fünf Insassen führte".
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Familie der Opfer: "Katastrophales Versagen"

An Bord der "Titan" waren neben "Oceangate"-Chef Rush (61) der französische Wissenschaftler Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman.

Kein Bericht kann das herzzerreißende Ergebnis ändern oder die unermessliche Lücke füllen, die zwei geliebte Mitglieder unserer Familie hinterlassen haben.

Stellungnahme der Familie Dawood, laut BBC-Bericht

Ein "solch katastrophales Versagen" müsse Konsequenzen nach sich ziehen. Die Familie hoffe, dass die Tragödie als Wendepunkt diene, um "sinnvolle Reformen, strenge Sicherheitsstandards und eine wirksame Aufsicht" in der Tauchbootindustrie zu erreichen.
In ihrem Bericht listet die US-Küstenwache 14 Empfehlungen auf - unter anderem, dass von den Eigentümern von Tauchbooten verlangt werden sollte, vor der Durchführung von Operationen Tauch- und Notfallpläne zu übermitteln.

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von Brigitte Saar
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Quelle: dpa

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