Über 27 Jahre Haft:Was das Urteil gegen Bolsonaro bedeutet
Politikanalyst Traumann erklärt, wie die Urteile gegen Bolsonaro und Militärs die Demokratie stärken - und warum Brasiliens Ex-Präsident dennoch einflussreich bleibt.
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro ist wegen eines Putschversuchs im Januar 2023 zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt worden. Nach dem Urteil feierten seine Gegner auf der Straße.
12.09.2025 | 1:25 minBrasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro ist zu 27 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.
Vier der fünf Verfassungsrichter sahen es als erwiesen an, dass er gemeinsam mit hochrangigen Militärs einen Plan erarbeitet und umgesetzt hat, um die demokratischen Institutionen Brasiliens zu untergraben und sich an der Macht zu halten, nachdem er die Wahlen 2022 gegen Lula da Silva verloren hatte.
Brasiliens früherer Präsident Jair Bolsonaro ist wegen eines versuchten Staatsstreichs zu mehr als 27 Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Die Mehrheit der fünfköpfigen Kammer des Obersten Bundesgerichts sprach den 70-Jährigen schuldig.
12.09.2025 | 2:39 minZDFheute: Was bedeutet die Verurteilung für die Demokratie?
Thomas Traumann: Die Augen der Welt richten sich darauf, dass der Ex-Präsident Bolsonaro verurteilt wurde, aber für uns Brasilianer ist es mindestens genauso wichtig, dass gleichzeitig ein Dutzend Generäle und Admiräle verurteilt werden, weil sie an der Planung des Putsches beteiligt waren.
Das ist ein Wendepunkt. Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens werden Personen, die einen Putschversuch geplant haben, vor Gericht gestellt.
Thomas Traumann
... ist ein brasilianischer Politikanalyst und Journalist. Er war Regierungssprecher unter Präsidentin Dilma Rousseff und ist Autor eines Buchs (2023) über die Gründe und Folgen der politischen Polarisierung in Brasilien.
ZDFheute: Warum ist die Verurteilung der Generäle so wichtig?
Traumann: Weil Brasilien immer eine gewisse Angst vor seinem Militär hatte. Wir haben 21 Jahre unter einer Militärdiktatur gelebt, in der Tausende von Menschen getötet und ins Exil geschickt wurden.
Das Militär hat sich immer so verhalten, als stünde es über der Zivilgewalt, über Justiz, Parlament und Regierung. Wenn man diese Leute also auf die Anklagebank setzt und sie sich dem Urteil der Zivilisten unterwerfen müssen, bedeutet das, dass man das Kräfteverhältnis verändert.
Südamerika-Korrespondent Christoph Röckerath zu der Bedeutung des Urteils.
12.09.2025 | 1:51 minZDFheute: Die US-Regierung hat Brasilien massiv unter Druck gesetzt, um eine Verurteilung Bolsonaros zu verhindern. Mit welchen Folgen?
Traumann: Es ist ein absoluter Missbrauch, dass die US-Regierung sich in den Prozess in Brasilien eingemischt hat. Gegen den Verfassungsrichter, der für den Prozess führend zuständig ist, haben die USA das Magnitsky-Gesetz angewendet (Reiseverbote und Vermögenssperren, Anm. der Redaktion). Das ist ein Gesetz, das bisher nur gegen Terroristenführer und Völkermörder angewendet wurde.
Außerdem hat die US-Regierung Brasilien die weltweit höchsten Zölle auferlegt, nämlich 50 Prozent, nur um Bolsonaro zu schützen. Aber das hat tatsächlich einen gegenteiligen Effekt gehabt und letztendlich die Regierung Lula gestärkt. Es hat zu einer nationalistischen Stimmung gegen Bolsonaro und seine Söhne geführt, weil sie die Sanktionen gegen Brasilien verteidigen.
Zum Tag der Unabhängigkeit hatten erst vor wenigen Tagen Zehntausende für den ehemaligen Präsidenten Bolsonaro protestiert.
08.09.2025 | 1:16 minZDFheute: Wie reagieren Bolsonaros Anhänger?
Traumann: Sie stilisieren den zuständigen Verfassungsrichter zum Diktator und behaupten, es gehe um Meinungsfreiheit. Doch das ist eine gezielte Verdrehung.
Es geht um den Versuch, das Wahlergebnis zu kippen. Die Opposition nutzt diese Strategie, um Unterstützung zu mobilisieren - aber Bolsonaros Einfluss schwindet. Seine Demonstrationen ziehen deutlich weniger Menschen an als früher.
ZDFheute: Was bedeutet das für die Wahlen nächstes Jahr?
Traumann: Die brasilianische Gesellschaft ist tief gespalten, nicht nur zwischen politischen Parteien. Die Polarisierung geht so weit, dass sie beeinflusst, wie die Menschen in Brasilien die Welt sehen, wie sie ihre Kinder erziehen oder welche Produkte sie kaufen.
Deshalb lebt der Bolsonarismus weiter, auch wenn Bolsonaro selbst an Bedeutung verliert.
Thomas Traumann
Jede von ihm unterstützte Person - sei es einer seiner Söhne oder der Gouverneur von São Paulo - hat Chancen auf den Wahlsieg im nächsten Jahr.
Das Interview führte das ZDF-Studio in Rio de Janeiro.
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