Friedrich Merz in Spanien: Kontroversen beim Antrittsbesuch?

Viele Themen auf dem Tisch:Später Antrittsbesuch von Merz in Spanien

von Brigitte Müller, Madrid
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An Themen dürfte es nicht mangeln beim Antrittsbesuch von Kanzler Merz in Spanien, auch nicht an Kontroversen. Zur EU und Sicherheitspolitik driften die Positionen auseinander.

Brandenburg, Schönefeld: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht auf dem militärischen Teil vom Flughafen BER Berlin-Brandenburg zum Airbus der Luftwaffe für den Flug nach Madrid.

Neben Gemeinsamkeiten gibt es auch Kontroversen zwischen Merz und Sánchez. Beim Verhältnis zum Nahost-Konflikt gehen die Meinungen auseinander.

Quelle: dpa

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich Zeit gelassen und reist rund vier Monate nach seinem Amtsantritt zum ersten Mal offiziell nach Madrid - viel später als seine Amtsvorgänger Olaf Scholz und Angela Merkel. Dort trifft er Ministerpräsident Pedro Sánchez zu einem Abendessen.

Der spanische Regierungschef ist seit sieben Jahren im Amt und gilt als überzeugter Europäer und stand zu Beginn seiner Amtszeit für einen sozialdemokratischen Aufbruch. In der jüngeren Vergangenheit hat er jedoch innerhalb der EU wiederholt kontroverse Diskussionen ausgelöst.

Kontroverse um Sánchez' Äußerungen zu Israel

So äußerte Sánchez jüngst Sympathie für pro-palästinensische Demonstranten, die rund um das Radrennen "Vuelta de España" protestierten.

Vuelta wegen Protesten abgebrochen.

Pro-Palästina-Proteste störten das Spanische Radrennen "Vuelta". Die Schlussetappe wurde abgebrochen, die Siegerehrung konnte wegen Übergriffen nicht durchgeführt werden.

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Hintergrund war die Teilnahme des israelischen Teams "Israel Premier Tech". Während viele Beobachter die Kritik an Israel ablehnten, forderten die Demonstranten den Ausschluss israelischer Mannschaften von internationalen Sportwettbewerben. Unterstützung für den Protest gab es vom Regierungschef:

Unsere Bewunderung für das spanische Volk, das für die gerechte Sache Palästinas auf die Straße geht.

Pedro Sánchez, Regierungspräsident Spanien

Spanien habe traditionell ein anderes Verhältnis zum Konflikt im Nahen Osten als Deutschland, erklärt Ignacio Molina vom spanischen Thinktank Elcano, doch angesichts der Lage im Gazastreifen gewinne die kritische Position Spaniens gegenüber Israel und die Forderungen nach Sanktionen auf europäischer Bühne an Gewicht.

Der Politikwissenschaftler sieht hier Deutschland in der Defensive, das sich aus historischen Gründen schwertut mit Kritik oder gar Sanktionen gegen Israel. Die beiden Regierungschefs verkörpern hier die unterschiedlichen Extreme innerhalb der Europäischen Union.

Großraumbüro in Spanien

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Streit um Nato-Verteidigungsausgaben

Auch in der Sicherheitspolitik setzt der spanische Premier eigene Akzente. Beim Nato-Treffen in Den Haag im Juni erklärte er in einem Schreiben an Generalsekretär Mark Rutte, Spanien werde das Ziel höherer Verteidigungsausgaben nicht mittragen. Geplant war eine Anhebung auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts - eine Forderung, die von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gestellt wurde.

Sánchez betonte, dass sein Land auch mit 2,1 Prozent des BIP substantiell zur Allianz beitrage. "Zu Irritationen führte vor allem diese Idee Sánchez', er könne mit weniger Ausgaben erreichen, wofür andere Länder mehr aufwenden müssten", so Politikwissenschaftler Molina. Diese Position führte zu intensiven Abstimmungen, bis schließlich ein für alle Partner tragfähiger Kompromiss erreicht wurde, doch das Ansehen des Nato-Partners Spanien hat unter dem Zwischenfall gelitten.

Schwierige Regierungskoalition in Spanien

Pedro Sánchez setzt auf Effekte in der Außenpolitik, denn die Regierung steht innenpolitisch unter Druck. Der Koalitionspartner Sumar ist kein Freund der Nato und setzt sich zudem für den vollständigen Bruch mit Israel ein. Gleichzeitig hängt die Regierungsmehrheit von kleinen Parteien im Parlament ab, die eigene Interessen vertreten.

So verlangen die katalanischen Separatisten um Carles Puigdemont, dass die regionalen Amtssprachen Katalanisch, Baskisch und Galicisch in der EU neben dem Spanischen Berücksichtigung finden. In Brüssel reagiert man mit Kopfschütteln, da bereits 24 Amtssprachen im Unionsalltag berücksichtigt werden.

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Gemeinsamkeiten bei Umgang mit rechtsextremen Parteien

Einigkeit dürfte bei Merz und Sánchez beim Umgang mit den erstarkenden rechtsextremen Parteien sowohl in den eigenen Ländern als auch im europäischen Parlament herrschen, wo beide jede Zusammenarbeit ablehnen. Die spanische Volkspartei hingegen, die Schwesterpartei der CDU, arbeitet auf regionaler Ebene mit der rechtsextremen Partei Vox zusammen.

Auch wirtschaftlich läuft es gut in Spanien. Für 2025 wird ein Plus von rund 2,6 Prozent prognostiziert. Vor allem der Tourismus trägt zu Beschäftigungszuwächsen bei.

Damit liegt ein breites Spektrum an Themen auf dem Tisch, wenn Merz und Sánchez nun erstmals in dieser Konstellation zusammentreffen. Das gemeinsame Abendessen dürfte damit lediglich den Auftakt zu weiteren Gesprächen markieren.

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