Forscher über USA unter Trump: "Kein Stabilitätsfaktor mehr"

Interview

Friedensforscher über Trump:"Die USA sind kein Stabilitätsfaktor mehr"

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US-Präsident Donald Trump baut sein Land schrittweise zu einer Autokratie um, sagt Friedensforscher Daase. Er erklärt, was genau passiert - und was das für die Welt bedeutet.

US-Präsident Donald Trump spricht vor Arbeitern eines Stahlwerkes in West Mifflin.
In seiner zweiten Amtszeit baut Trump das politische System der USA um.
Quelle: AP

Seit der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump vergeht kaum ein Tag, an dem die Welt nicht den Atem anhält. Sei es, dass die neue Administration innenpolitisch liberale Institutionen zurückbaut oder außenpolitisch Strafzölle verhängt.
Christopher Daase, stellvertretender Leiter des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF), ordnet ein, welche Auswirkungen Trumps Agieren auf die freie Welt hat.
ZDFheute: Was genau passiert denn da aktuell in den USA?
Christopher Daase: Was wir in den USA sehen, ist der Umbau des Landes in ein autoritäres Regime.

Liberale Institutionen und Errungenschaften werden systematisch zurückgebaut.

Christopher Daase, Friedensforscher

Das Regieren findet durch Erlasse und nicht durch Gesetze statt, so wird die Legislative umgangen. Die unabhängige Gerichtsbarkeit wird bekämpft, wodurch die Judikative an Einfluss verliert. Die "Checks and Balances" einer liberalen Demokratie werden so außer Kraft gesetzt. Hinzu kommen die Bekämpfung freier Medienberichterstattung und der Wissenschaftsfreiheit.
heute journal - der Podcast mit Helene Reiner und Marietta Slomka
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ZDFheute: Warum passiert das?
Daase: Es gibt eine alte Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, und jetzt wird diese von einer Allianz verschiedener rechtskonservativer Gruppen und der Big-Tech-Industrie genutzt, um einen antiliberalen Backlash zu inszenieren und so das liberale System zurückzubauen.
ZDFheute: Wird Trump hier instrumentalisiert?
Daase: Wer treibende Kraft ist und wer wen benutzt, ist schwer zu sagen.

Die Absicht dieser Allianz ist jedenfalls, die Globalisierung und das ganze liberale Gedankengut, das dahinter steht, zurückzudrängen.

Christopher Daase, Friedensforscher

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ZDFheute: Während seiner ersten Amtszeit ist Trump nie als friedensgefährdend eingestuft worden.
Daase: Richtig, weil wir alle der Meinung waren, das ist ein Ausrutscher, dass ein solcher Präsident gewählt wird. Die Hoffnung der Welt war, dass sich das wieder einpendelt. Aber nach der zweiten Wahl ist klar: Das ist kein Ausrutscher, sondern eine Bewegung, eine Entwicklung, die auf absehbare Zeit erhalten bleibt.

Christopher Daase ist Professor für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Rüstungskontrolle.
Quelle: Uwe Dettmar

..., Jahrgang 1962, ist stellvertretendes geschäftsführendes Vorstandsmitglied des PRIF - Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung und leitet dort den Programmbereich "Internationale Sicherheit". Er ist zugleich Professor für Internationale Organisationen an der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sicherheitspolitik (insbesondere Kriege und Bürgerkriege, Terrorismus und Radikalisierung, Nichtverbreitung von Kernwaffen und Rüstungskontrolle) sowie internationale Institutionen.

ZDFheute: Welche Auswirkungen hat es auf die USA?
Daase: Die USA untergraben ihre demokratische Basis und damit die Grundlage ihrer politischen Stärke. Sie bleiben zwar militärisch stark, aber sie sind kein Modell mehr für die Welt.

Man kann sagen, MAGA [Make America Great Again] beschleunigt den Abstieg der USA als Weltmacht.

Christopher Daase, Friedensforscher

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ZDFheute: Welche Auswirkungen hat es auf den Rest der Welt?
Daase: Die USA sind kein Stabilitätsfaktor mehr. Sie fördern keine Demokratie, keine Menschenrechte mehr. Die humanitäre Hilfe wurde auf Null gefahren, was enorme Auswirkungen im Globalen Süden hat.
Sie unterstützen autoritäre Tendenzen wie in Ungarn und Israel; und in liberalen Demokratien greifen sie zugunsten rechter Parteien ein.
Und: Sie treten selbst als "Rogue State", als Schurkenstaat, auf und erheben Territorialansprüche gegenüber Alliierten, zum Beispiel auf Grönland.
ZDFheute: Warum ist die Gefahr eines Nachahmungseffekts so groß?
Daase: Von Trump kann man lernen, wie in kürzester Zeit eine eigentlich funktionierende Demokratie ruiniert und in ein autoritäres System umgebaut werden kann. Noch hat er Erfolg.
Die USA seien zwar "immer noch eine Demokratie", aber Trump und sein Team würden versuchen, die Regeln des politischen Systems zu ändern, sagt die Historikerin Anne Applebaum.
Die USA seien zwar "immer noch eine Demokratie", aber Trump und sein Team würden versuchen, die Regeln des politischen Systems zu ändern, sagt die Historikerin Anne Applebaum. 09.03.2025 | 8:46 min
ZDFheute: Welche Folgeeffekte können daraus resultieren?
Daase: Gerade für die internationale Politik sind die Folgeeffekte schwer absehbar. Noch will niemand vom Ende des Westens und vom Ende der Nato wirklich sprechen. Das ist auch völlig verständlich.
Aber die Wertebasis ist ja längst Geschichte, und was das längerfristig für die europäische und die globale Sicherheit heißt, das müssen wir erst durchbuchstabieren und uns dann entsprechend aufstellen.

Längerfristig, wenn es wirklich zu einer flächendeckenden Autokratisierung von Staaten kommt, ist in jedem Fall mit mehr militärischen Konflikten zu rechnen.

Christopher Daase, Friedensforscher

Peter Rough ist Politikberater am Hudson-Institut und sagt, dass Trump heute mit seinen Dekreten ein Signal gesetzt habe. In Zukunft müsse er aber mit dem Parlament verhandeln.
Peter Rough ist Politikberater am Hudson-Institut und sagt, dass Trump mit seinen Dekreten ein Signal gesetzt habe. In Zukunft müsse er aber mit dem Parlament verhandeln. 20.01.2025 | 5:22 min
ZDFheute: Wie lange können sich denn die Nachwirkungen ziehen?
Daase: Ich glaube, das ist eine längerfristige Entwicklung. Auch bei uns stehen liberale Errungenschaften unter Druck. Wir sehen gerade an den USA, dass es selbst der ältesten Demokratie passieren kann, in den Autoritarismus abzugleiten.

Das muss uns daran erinnern, dass wir täglich für den Erhalt dieser liberalen Demokratie einstehen müssen. Es ist eine Daueraufgabe.

Christopher Daase, Friedensforscher

Das Interview führte Florence-Anne Kälble, freie Journalistin.

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