Libanon: Wie die Menschen zur Hisbollah stehen

Beirut nach Luftangriffen:Libanon: Leben zwischen Angst und Hoffnung

von Susana Santina, Beirut
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Bei israelischen Angriffen auf die Hisbollah soll es 1.745 Tote gegeben haben, viele Menschen sind auf der Flucht. Die Stimmung im Land schwankt zwischen Wut und Hoffnung.

Wenn man in diesen Tagen vor allem abends durch Beirut geht, dann fallen sie sofort auf: die vielen Geflüchteten, die hier überall kampieren. In Parks schlafen, auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen oder am Strand.

Mehr als eine Million Menschen sollen nach libanesischen Angaben mittlerweile auf der Flucht sein. Aus Angst vor den massiven israelischen Luftangriffen, die seit mehr als zwei Wochen besonders heftig sind.

Viele halten Syrien mittlerweile für sicherer

Die Menschen wollen nichts wie weg aus dem Süden des Libanon, der besonders unter Beschuss steht. Doch auch die Bekaa-Ebene im Osten wird attackiert, und immer wieder auch Ziele in Beirut.

Wie ernst die Lage im Libanon ist, zeigt sich auch daran, dass mittlerweile mehr als 100.000 Menschen das Land Richtung Syrien verlassen haben. Darunter sind nicht nur syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, die vor Jahren hier Schutz suchten, sondern auch viele Libanesen, die Syrien mittlerweile für sicherer halten.

Wie viele Tote soll es in Beirut gegeben haben?

Gestern erst haben die libanesischen Behörden für das Land aktuelle Opferzahlen herausgegeben. Demnach sollen durch die israelischen Angriffe in den letzten zwei Wochen 1.745 Menschen getötet und 8.767 verletzt worden sein.

In Beirut, sagen uns viele Geflüchtete, würden sie sich ziemlich sicher fühlen. Tatsächlich sind die israelischen Luftangriffe in der libanesischen Hauptstadt bislang immer sehr präzise. Das bedeutet: Sie treffen vornehmlich Ziele im südlichen Stadtteil Dahieh, der als Hisbollah-Hochburg gilt und wo vor kurzem auch Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet wurde. Und im Zentrum von Beirut werden ebenfalls bisher gezielt Hisbollah-Ziele angegriffen.

Wer die Hisbollah kritisiert, lebt gefährlich

"Die Mehrheit der Libanesen will keinen Krieg", sagt der Beiruter Journalist Tony Abi Najem, "darin gibt es die größte Einigkeit". Weil der Chefredakteur des Online-Portals IMLebanon die Hisbollah offen kritisiert, geht er nur noch in Begleitung von Sicherheitsleuten aus dem Haus. Auch während unseres Interviews in seinem Büro sind zwei Wachmänner dabei.

Die Hisbollah würde im Libanon viele ängstigen, sagt Abi Najem, deswegen habe sie so eine Macht. Es gebe aber natürlich auch echte Anhänger der Schiitenmiliz, die stark in der libanesischen Gesellschaft verankert sei.

Abi Najem ist aber überzeugt, "dass es viele Libanesen gibt, die revoltieren werden, wenn sie merken, dass die Hisbollah verliert."

Und danach sieht es gerade stark aus. Zumindest militärisch und personell hat die pro-iranische Schiitenmiliz durch die permanenten israelischen Angriffe viel an Schlagkraft verloren.

Kluft zwischen Hisbollah-Befürwortern und -Gegnern

Doch gerade muslimisch-geprägte Libanesen, die wir in Beirut fragen, zeigen sich kämpferisch, auch nach Beginn der israelischen Bodenoffensive.

Ein junger Mann sagt, man werde mithilfe vom Bruderstaat Iran gegen Israel siegen. Daran habe er keinen Zweifel. Und eine junge Frau fügt hinzu, dass man in Solidarität mit den Menschen in Gaza den zionistischen Staat besiegen müsse.

Wenn man allerdings Christen in Beirut fragt, bekommt man ein ganz anderes Stimmungsbild. Die islamistische Hisbollah ist für die meisten hier der Feind. Man freue sich, sagt eine ältere Dame, wenn Israel diese "mörderische Iran-Miliz" endlich besiege: "Schauen Sie mal, wie die Menschen in Israel durch das Flugabwehrsystem vor allen Angriffen geschützt werden. Wir haben das nicht, auf uns fallen die Bomben, und die mörderische Hisbollah provoziert das auch."

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