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Illegale Migration aus Belarus:Warum Polen das Asylrecht aussetzen will
von N. Steger und R. Krysztofiak, Warschau
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Genau ein Jahr nach der Wahl ist illegale Migration das Topthema in Polen. Donald Tusk will jetzt das Asylrecht aussetzen. Welche Rolle Moskau und Minsk dabei spielen.
Es klingt wie ein polnischer Alleingang: Donald Tusk hat seinem Kabinett am Dienstag seine Migrationsstrategie vorgelegt, die auch gebilligt wurde. Wichtigster Punkt: eine zeitweise Aussetzung des Asylrechts in Polen.
Der linke Vizeregierungschef Krzysztof Gawkowski gab allerdings bekannt, dass alle Minister seiner Partei gegen die Aussetzung des Asylrechts gestimmt hätten. Damit ist offen, ob für die geplante Änderung der Migrationspolitik im Parlament eine Mehrheit zustande kommt. Was steckt hinter den Plänen für die Migrationspolitik?
Zum einen erlebt Polen permanenten illegalen Migrationsdruck an seinen EU-Außengrenzen. Zum anderen kommt Tusk das "klare Kante zeigen" gerade recht. Denn in Polen sind nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen.
Putin und Lukaschenko sollen illegale Migration initiieren
Täglich, so berichtet der polnische Grenzschutz und veröffentlicht dazu Videos, versuchen Migranten von Belarus aus, den Zaun in Richtung Polen zu überwinden und damit in die EU zu gelangen. Warschau und auch Brüssel werfen Wladimir Putin und seinem getreuen Machthaber in Belarus, Alexander Lukaschenko, vor, gezielt Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten einzufliegen und via Belarus nach Polen zu schleusen - und damit in die EU.
"Wir haben es vor allem mit Männern zu tun", so Jacek Siewiera, Chef des Nationalen Sicherheitsbüros in Polen. Und weiter: "Das sind keine Familien, keine Kinder." Man habe mit einer deutlichen Zunahme der Aggression zu tun, sagt Siewiera. Im Mai wurde ein polnischer Soldat von einem Migranten erstochen.
Polnischer Grenzschutz: Westeuropa als Ziel
Allein 27.000 Versuche des Grenzübertritts waren es dieses Jahr. "Die Mehrheit dieser Ausländer erklärt, dass sie nach Westeuropa einschließlich Deutschland wollen,", erklärt Andrzej Juzwiak vom polnischen Grenzschutz. Wer bislang keinen Asylantrag in Polen stellen und weiterreisen wollte, wurde direkt zurückgeschickt. Wer doch bleiben wollte, dessen Antrag wurde geprüft - so die offizielle Aussage. Ist das nun vorbei?
Tusk: Finnland als Vorbild
Es gibt mehrere Fragezeichen. Was ist mit denen, die in Polen schon auf Asylrecht warten? Antwort von Tusks Kanzleichef, Jan Grabiec: "Sie sollen nach Hause. Das ist selbstverständlich."
Tusk beruft sich auf das Beispiel Finnland: "Die vorübergehende Aussetzung von Asylanträgen wurde im Mai in Finnland eingeführt", schreibt er auf X (ehemals Twitter). Dies sei eine Antwort auf den hybriden Krieg, den die Regime in Minsk und Moskau gegen die EU erklärt hätten. Außerdem: "Das Asylrecht wird in diesem Krieg instrumentalisiert und hat nichts mit den Menschenrechten zu tun." Das Asylrecht werde von Putin und Menschenhändlern ausgenutzt.
Aussetzung des Asylrechts: Keine Kritik von der EU
Widerspruch gegen die Pläne, das Asylrecht auszusetzen, kommt etwa von Amnesty International. Das Recht auf Asyl sei ein Menschenrecht, so die NGO.
- 75 Jahre Menschenrechte: "Es braucht einen klaren Kompass"
Aus Brüssel ist keine explizite Kritik zu hören. Donald Tusk gilt auf der Brüsseler Bühne als verlässlicher Akteur, war einst EU-Ratspräsident. Man sei mit Polen im Gespräch, so eine EU-Kommissionssprecherin. Es sei erforderlich, dass die Union ihre Außengrenze schütze. Gleichzeitig müssten sich Mitgliedsstaaten an EU-Verpflichtungen halten, auch bei Asylfragen.
Polen: Präsidentenwahl und EU-Ratspräsidentschaft in 2025
Dass Tusk heute Dinge sagt, die er als EU-Ratspräsident nicht gesagt hätte, liegt vor allem daran, dass die Liberalkonservativen die Präsidentenwahl 2025 gewinnen wollen. Tusk ist im Tonfall deutlich gemäßigter als seine nationalkonservativen Vorgänger, die PiS-Regierung, nutzt aber dennoch das Thema, um innenpolitisch zu punkten.
Diese Woche will er sein Thema auf dem EU-Gipfel auf die Tagesordnung setzen. Ab Januar hat Polen die Ratspräsidentschaft - Migration dürfte einer der thematischen Schwerpunkte werden.
Quelle: dpa
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