Ukraine: Schafft die neue Regierungschefin echte Veränderungen?
Neue Regierungschefin der Ukraine:Stühlerücken statt echtem Regierungswechsel?
von Torge Bode und Veronika Mironva, Kiew
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Die bisherige Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko rückt an die Spitze der ukrainischen Regierung. Ob sich für die Menschen in der Ukraine etwas ändern wird, ist fraglich.
Bislang war die neue Regierungschefin Julija Swyrydenko Wirtschaftsministerin der Ukraine.
Quelle: epa
Julija Swyrydenko ist die neue Ministerpräsidentin der Ukraine. Neu in der Regierung ist sie aber nicht. Bislang war Swyrydenko Wirtschaftsministerin und stellvertretende Regierungschefin, sie gilt vor allem als effizient in Wirtschaftsfragen. Und Effizienz auf diesem Gebiet kann Präsident Wolodymyr Selenskyj gut gebrauchen. Denn der Krieg - die Verteidigung des Landes gegen die täglichen russischen Angriffe - kostet Geld. Viel Geld.
Julija Swyrydenko soll für Deals mit dem Ausland sorgen
Und die neue Regierungschefin, die am Donnerstag vom Parlament bestätigt wurde, soll es besorgen. Durch clevere Wirtschaftsabkommen mit dem Ausland, durch - wie es der US-Präsident Donald Trump gerne nennt - "Deals". Dass sie das kann, hatte sie in jüngster Vergangenheit bewiesen: Swyrydenko hatte federführend für die Ukraine das Mineral- und Rohstoffabkommen mit den USA ausgehandelt.
Swyrydenko hat Regierungserfahrung. Seit 2021 war sie Wirtschaftsministerin und Vizeregierungschefin unter Ministerpräsident Deny Schmyhal, ihrem Vorgänger im Amt.
Julija Swyrydenko wurde am 25. Dezember 1985 in Tschernihiw geboren, ihre Eltern waren Beamte. Bevor sie Teil der Regierung wurde, arbeitete die Ökonomin in der freien Wirtschaft und als Lokalpolitikerin. 2019 wurde sie zur stellvertretenden Wirtschaftsministerin ernannt, ein Jahr später stieg sie zur stellvertretenden Chefin der Präsidialverwaltung auf.
Präsident Selenskyi hat bestätigt, dass die USA ihre Waffenlieferungen an die Ukraine fortsetzen wollen. Unterdessen sind bei Luftangriffen mindestens zwei Menschen gestorben.12.07.2025 | 0:19 min
Deny Schmyhal wird Verteidigungsminister
Dieser hatte vor wenigen Tagen seinen Rücktritt eingereicht, auf Bitten Selenskyjs hin. Schmyhal wurde 2020 zum Regierungschef ernannt, noch vor Ausbruch des russischen Krieges in der Ukraine. Er war damit der am längsten amtierende Regierungschef seit der Unabhängigkeit der Ukraine von Moskau im Jahr 1991.
Er wird nun Verteidigungsminister. Sein Rücktritt kam nicht unerwartet. Denn Schmyhal hat in den vergangenen Monaten immer mehr an Rückhalt im Parlament, aber auch in der Bevölkerung verloren.
Über 700 Drohnen und Raketen hat Russland in der Nacht auf die Ukraine abgefeuert. Der größte Teil konnte zwar abgefangen werden. Aber wie lange schafft die Ukraine das noch?09.07.2025 | 1:25 min
Regierungswechsel in der Ukraine ohne neue Akteure
Die Menschen dürften sich von dem Regierungswechsel keine allzu großen Veränderungen versprechen. Schließlich werden die handelnden Akteure nicht ausgetauscht, sie wechseln nur die Positionen.
So befürchten viele, dass ihre Alltagsprobleme wohl kaum gelöst werden: eine Bevölkerung, täglich mit Krieg konfrontiert, die im Alltag unter steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten leidet und unter zunehmender Arbeitslosigkeit.
Das ukrainische Institut für Sozialwissenschaften "Rating" hat in einer Umfrage herausgefunden, dass die Menschen im Land mehr Angst vor steigenden Preisen und den wirtschaftlichen Folgen des Krieges haben, als vor möglichen direkten Kriegsfolgen wie einem direkten Beschuss oder russischer Besatzung.
Die Ukraine hat Russland einen schweren militärischen Schlag versetzt. Sie hat vier Militärflughäfen attackiert und mehr als 40 Kampf- und Aufklärungsflugzeuge zerstört.
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Korruption befeuert Politikverdrossenheit
Begleitet wird solche Politikverdrossenheit noch mit dem Dauerproblem der Ukraine: Korruption. Sie wurde noch immer nicht spürbar bekämpft und zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Da passt es ins Bild, dass der bekannteste Antikorruptions-Aktivist Vitalii Shabunin jetzt ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten ist. Immer wieder kritisiert er den politischen Umgang mit der Korruption im Land. Unabhängige Beobachter befürchten, Shabunin solle so mundtot gemacht werden.
Krieg in der Ukraine: Entscheidungen liegen bei Selenskyj
Der ukrainische Politikwissenschaftler Igor Reiterowitsch kommentiert den aktuellen Regierungswechsel in Anbetracht dessen auch eher nüchtern und zurückhaltend:
Es wird aus fachlicher Sicht keine wirklichen Veränderungen geben.
„
Igor Reiterowitsch, Politikwissenschaftler
Niemand werde jetzt die gesamte Kabinettsstruktur überprüfen. "Und ob es wirtschaftliche Vorteile in Zukunft bringt, ist sehr fragwürdig."
Zur Wahrheit gehört auch: Faktisch hat die Regierung in der Ukraine derzeit kaum große Gestaltungsmöglichkeiten. Alle wichtigen Entscheidung im Land trifft der Präsident. Unterm Strich ist dieser Regierungswechsel also wohl nicht viel mehr als ein "Stühlerücken", für die Menschen im Land dürfte sich kaum etwas ändern.
Quelle: dpa
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