Berufsverbot im Ausland:Ärzte ohne Lizenz: "System-Versagen mit Ansage"
Gesundheitspolitiker fordern mehr Transparenz über Ärzte, die ihre Lizenz im Ausland verloren haben - und hierzulande dennoch praktizieren. Ärzte-Gesetze müssten auf den Prüfstand.
Nach ZDF-Enthüllungen zu Ärzten, die ihre Lizenz im Ausland verloren haben, aber hierzulande weiter praktizieren, geraten Europas Gesundheitsbehörden und Politiker unter Druck. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), fordert eine Überprüfung der Bundesgesetzgebung und der Meldesysteme. Die aktuelle Situation sei ein "Riesenproblem für Patientinnen und Patienten".
Wer seine Lizenz verloren hat, dürfe in Deutschland nicht weiterarbeiten, "ganz besonders nicht", wer sie wegen Sexualstraftaten oder anderer schwerer Delikte verloren habe, so Schwartze.
Finn Olsen hat durch schwere Behandlungsfehler seinen Unterschenkel verloren. Sein Operateur verliert zwar in Norwegen die Lizenz, arbeitet aber in Deutschland weiter - ganz legal.
02.10.2025 | 2:41 minGrünen-Politiker fordert Register über Berufsverbote
Deutschland brauche ein einheitliches, bundesweites Register, das ausländische Berufsverbote erfasst, sagt der Gesundheitssprecher der Grünen, Janosch Dahmen. Er fordert von den Ärztekammern mehr Transparenz:
Ärztliche Heilkunst beruht auf Vertrauen. Dieses Vertrauen verpflichtet zu größtmöglicher Transparenz.
Janosch Dahmen, Gesundheitssprecher der Grünen
ZDF frontal und der "Spiegel" haben im Rahmen des internationalen Rechercheprojekts "Bad Practice" aufgedeckt, dass mehr als 30 Mediziner, die im Ausland beispielsweise wegen Abrechnungsbetrug, schweren Behandlungsfehlern oder sexuellem Missbrauch an Patientinnen ihre Lizenz entzogen bekommen haben, in deutschen Praxen oder Krankenhäusern weiterarbeiteten.
EU-Warnsystem wird kaum genutzt
Denn wer seine Approbation in Deutschland einmal erhalten hat, kann oft trotz Lizenzverlust im Ausland hierher zurückkehren und praktizieren. Ärztekammern und Behörden verweigern oft Auskünfte mit Hinweis auf den Datenschutz. Es handle sich um ein "Systemversagen mit Ansage", kritisiert Grünen-Gesundheitspolitiker Dahmen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat sich auf ZDF-Anfrage nicht zu den Recherchen geäußert und verweist auf die Approbationsbehörden.
"Trotz schwerer Behandlungsfehler - Warum Ärzte in Deutschland weiterpraktizieren können": Mehr zum Thema sehen Sie heute Abend bei ZDF frontal um 21 Uhr im ZDF-Programm und jederzeit abrufbar in der Streamingplattform des ZDF.
Zwar gibt es ein EU-weites Warnsystem. Die Behörden aller Mitgliedstaaten sind verpflichtet, über das "Binnenmarkt-Informationssystem" (IMI) zu melden, wenn ein Arzt nicht mehr praktizieren darf. Nach Informationen von ZDF frontal nutzen viele Länder das Warnsystem allerdings kaum.
In zahlreichen Fällen konnten Ärzte, denen in einem Land wegen schwerer Fehlbehandlungen oder sogar strafrechtlicher Verurteilungen die Lizenz entzogen wurde, in einem anderen europäischen Staat weiter praktizieren.
Es ist sehr beunruhigend festzustellen, dass wir zwar über einen europäischen Warnmechanismus für schwere Fälle im Gesundheitssystem verfügen, dieser jedoch voller Schlupflöcher ist und inkonsistent genutzt wird.
Nicolae Ștefănuță, Vizepräsident des EU-Parlaments
Laut einer Studie ist das Ausmaß des Hausärztemangels größer als bekannt. Bis 2040 sollen mehrere Tausend Ärzte fehlen. Vor allem auf dem Land fehlen die Mediziner.
02.10.2025 | 1:45 minNorwegen strebt europaweite Reform an
Als eine Reaktion auf die Recherchen will Norwegens Regierung nun das europäische Warnsystem verbessern. Dies kündigte der Gesundheitsminister Jan Christian Vestre an.
Gegenüber dem ZDF sagte er heute in Oslo, es gebe "keine ausreichende Kontrolle. Wir müssen alle Systeme und Routinen erneut überprüfen und Maßnahmen ergreifen, um Lücken zu schließen. Patienten - egal ob in Deutschland oder Norwegen - müssen sich darauf verlassen können, dass das medizinische Personal verantwortungsvoll und sicher arbeitet."
Wir dürfen keine Ärzte im Umlauf haben, die ihren Patienten Schaden zufügen.
Jan Christian Vestre, Norwegens Gesundheitsminister
Laut den Recherchen kehrten ein Dutzend Ärztinnen und Ärzte, die im Ausland ihre Lizenz verloren hatten, nach Norwegen zurück und arbeiten dort weiterhin. Zudem praktizieren mehrere Ärztinnen und Ärzte nach einem Lizenzentzug in Norwegen wiederum in Deutschland.
Ermittlungen in Deutschland
In Deutschland hat mindestens eine Approbationsbehörde als Reaktion auf die Recherche eine Untersuchung eingeleitet. Es geht um einen Arzt, der in der Schweiz wegen eines sexuellen Übergriffs an einer 18-jährigen Patientin zu einem lebenslangen Berufsverbot verurteilt wurde und zurzeit in Nordrhein-Westfalen arbeitet.
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