Raketen-Stationierung: Bundestag muss nicht gefragt werden
Wissenschaftlicher Dienst:US-Waffen: Bundestag muss nicht gefragt werden
|
Stationierung von US-Raketen in Deutschland: Für diese Entscheidung brauchte es nicht die Beteiligung des Bundestages. Das erklärte nun der Wissenschaftliche Dienst des Parlaments.
Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren. (Symbolbild)
Die derzeit für das Jahr 2026 geplante Stationierung von US-amerikanischen Raketen und
Marschflugkörpern dürfte sich ebenfalls im Rahmen des NATO-Bündnissystems abspielen.
„
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
Der Wissenschaftliche Dienst bezieht sich in seiner Einschätzung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das sich mit einem ähnlich gelagerten Fall im Jahr 1984 befasst hatte.
Die Rechtsgrundlagen aufgrund derer die Bundesregierung ohne weitere Einbindung der legislativen Gewalt eine Zustimmung erteilen könnte, dürften im aktuellen Fall demnach der Nato-Vertrag sowie der Aufenthaltsvertrag, der die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte in Deutschland regelt, in Verbindung mit den dazugehörigen Zustimmungsgesetzen sein.
Stationierung von Waffensystemen ab 2026 in Deutschland geplant
Am Rande eines Nato-Gipfels hatten die US-Regierung und die Bundesregierung im Juli bekanntgegeben, dass die USA von 2026 an in Deutschland wieder Waffensysteme stationieren wollen, die weit bis nach Russland reichen.
Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, sowie Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen.
Um diese Waffensysteme der USA geht es:
Beim BGM-109 Tomahawk handelt es sich um einen Marschflugkörper. Auch wenn diese Flugkörper Raketen ähnlich sehen, sind sie doch etwas anderes. Während ballistische Raketen von ihrem Antrieb auf eine bogenförmige, ballistische, Flugbahn gebracht werden und dann auf ihr programmiertes Ziel "stürzen", haben Marschflugkörper einen permanenten Antrieb, oft kleine Tragflächen und fliegen in niedriger Höhe ihrem Ziel entgegen. Die Tomahwks sind rund 880 Kilometer pro Stunde schnell und haben eine Reichweite von mehr als 1.650 Kilometern. Es gab bis zum INF-Abrüstungsvertrag eine Tomahawk-Version, die Nuklearsprengköpfe tragen konnte. Dieser Typ wurde aber bis 1991 völlig abgerüstet. Die aktuellen Tomahawk-Marschflugkörper können während des Fluges auf neue Ziele umprogrammiert werden und verschiedene konventionelle Gefechtsköpfe tragen.
Die Standard Missile 6 (SM-6) ist eine Flugabwehr-Rakete zur Bekämpfung von Kampfflugzeugen, Marschflugkörpern oder ballistischen Raketen (innerhalb der Erdatmosphäre). Die SM-6 ist mehr als 4.000 Kilometer pro Stunde schnell und hat eine Reichweite von mehr als 370 Kilometern. Es gibt Versionen die von Land, aus der Luft oder von Schiffen eingesetzt werden können. Obwohl die SM-6 originär eine Flugabwehr-Rakete ist, gibt es eine modifizierte Version für den Einsatz gegen Ziele am Boden. Diese Version ist nach Angaben von Experten für die Stationierung in Deutschland vorgesehen.
Die US-Hyperschallwaffen sind noch nicht serienreif – die Entwicklung scheint aber weit fortgeschritten. Darauf weisen erfolgreiche Test über dem Pazifik im März 2024 hin. Dabei wurde eine AGM-183 Air-launched Rapid Response Weapon (ARRW) von einem Langstrecken-Bomber des Typs B-52 auf Starthöhe gebracht, und erreichte nach der Trennung vom Trägerflugzeug mehr als fünffache Schallgeschwindigkeit. In Rahmen eines weiteren Hyperschall-Projekts entwickelt die US Army die "Dark Eagle Long Range Hypersonic Weapon (LRHW)", ein landgestütztes System, dessen Flugkörper mehr als 6.000 Kilometer pro Stunde schnell sein sollen und deren Reichweite mit mindestens 2.750 Kilometern angegeben wird. Tim Thies vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg vermutet, dass die USA bei der angekündigten Stationierung mit "Dark Eagle" planen.
Quellen: ZDF, AFP, Reuters, globalsecurity.org
SPD-Fraktionschef: Risiken nicht ausblenden
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies Befürchtungen zurück, die geplante Stationierung könnte zu einer Eskalation mit Russland führen. Er betonte, die Waffen dienten der Abschreckung.
Der frühere SPD-Vorsitzende, Norbert Walter-Borjans, argumentierte, innerhalb der SPD und auch im Bundestag müsse über eine solche Entscheidung gesprochen werden. Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul hatte die Stationierung zwar begrüßt, aber zugleich eine Debatte im Bundestag dazu gefordert.
Abgeordnete Cotar bat Wissenschaftlichen Dienst um Einschätzung
Die fraktionslose Abgeordnete Joana Cotar hatte den Wissenschaftlichen Dienst um eine rechtliche Einschätzung zur Frage einer Befassung des Bundestages gebeten. Sie sagte, im Umgang mit Russland, insbesondere mit Präsident Wladimir Putin, seien eine "klare politische Haltung" und "Zeichen der Stärke" notwendig.
Das setzten Deutschland und die USA mit dieser Entscheidung nun um. Cotar hatte ihren Austritt aus der AfD 2022 unter anderem mit einer "Anbiederung" der Partei an Russland, China und den Iran begründet.