Ausgleich für ungenutzen Strom: Was dahinter steckt
Milliarden für ungenutzte Energie:Was hinter den Strom-Ausgleichszahlungen steckt
von Jan Schneider
|
Wenn Windräder wegen voller Stromnetze abgeschaltet werden, zahlen die Netzbetreiber Millionen für Energie, die nie ins Netz gelangt. Doch inzwischen sinken die Kosten deutlich.
Quelle: dpa
Windräder, die sich drehen könnten, aber abgeschaltet werden. Und trotzdem fließt Geld. Im vergangenen Jahr erhielten Betreiber von Wind- und Solaranlagen in Deutschland rund 554 Millionen Euro Entschädigung für Strom, der nie produziert oder eingespeist wurde. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an den Linken-Abgeordneten Dietmar Bartsch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Stromautobahnen noch nicht ausreichend ausgebaut
Der Grund dafür liegt nicht in einem technischen Defekt oder mangelndem Wind, sondern in Engpässen im Stromnetz. Wenn an besonders sonnigen oder windreichen Tagen zu viel Strom erzeugt wird, den die vorhandenen Leitungen nicht weitertransportieren können, greifen die Netzbetreiber zu einem Notfallinstrument: Sie ordnen an, dass Anlagen vom Netz genommen werden - abregeln nennt man das. Der Strom wird dann gar nicht erst erzeugt. Da den Betreibern damit ein Teil ihres geplanten Erlöses entgeht, bekommen sie dafür eine Entschädigung. Meist sind das Betreiber von Windparks, da diese sich leichter abregeln lassen als kleinteilige Photovoltaik-Anlagen.
Fünf neue Strompreiszonen in Deutschland sollen Stromkosten fairer verteilen und den Netzausbau vorantreiben. WISO zeigt am Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern, was das für Unternehmen bedeutet.05.05.2025 | 5:10 min
Dass es überhaupt zu solchen Situationen kommt, liegt am ungleichen Ausbau der Energiewende: Der meiste Windstrom wird im Norden produziert - aber die großen Verbrauchszentren liegen im Süden. Die Stromautobahnen, die beide Regionen verbinden sollen, sind im Bau, aber noch nicht fertig. Bis dahin kommt es regelmäßig zu solchen sogenannten Redispatch-Maßnahmen.
Rechtlich geregelt sind die Entschädigungszahlungen im Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG). Dort ist festgeschrieben, dass Betreiber einen Anspruch auf Entschädigung haben, wenn sie ihren Strom aufgrund sogenannter Netzengpässe nicht einspeisen können. In der Praxis erhalten sie bis zu 95 Prozent des entgangenen Erlöses ersetzt. Finanziert wird das über das sogenannte EEG-Konto, das früher aus der EEG-Umlage gespeist wurde - also direkt über die Stromrechnung der Verbraucher. Seit 2022 kommt das Geld aus dem Bundeshaushalt. Gezahlt wird aber nicht vom Staat im engeren Sinne, sondern über die Übertragungsnetzbetreiber, die das Geld verwalten und weiterleiten.
Entschädigungszahlungen zuletzt gesunken
Die Entschädigungszahlungen sind in den vergangenen Jahren gesunken. 2021 lag der Betrag noch bei über 800 Millionen Euro. 2022 war er mit rund 186 Millionen Euro auffallend niedrig, das lag aber eher an der Energiekrise: Weil der Strom ohnehin sehr teuer war, musste weniger Fördergeld gezahlt werden. 2023 stieg die Summe wieder auf rund 580 Millionen Euro, blieb aber deutlich unter dem Wert von 2021. 2024 sank die Summe weiter auf die 554 Millionen Euro. Es zeigt sich, dass der Netzausbau Fortschritte macht, auch wenn die Übergangsprobleme weiter sichtbar sind.
Entschädigungszahlungen für nicht genutzte erneuerbare Energie
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Kritik an dem System kommt trotzdem: Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch bezeichnete es als "absurd", dass Strom "weggeworfen" werde, während Stromkunden oder Steuerzahler zur Kasse gebeten würden. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche müsse den Netzausbau beschleunigen, forderte er.
"Der Netzausbau ist langsamer als der Ausbau bei den erneuerbaren Energien", sagt Kerstin Andreae, Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft. Gleichzeitig nähmen "die Netzanschlüsse aber exorbitant zu".18.04.2024 | 5:54 min
Experte: Erneuerbare sparen mehr als sie kosten
Doch so unlogisch ist das "Wegwerfen" des Stroms gar nicht - es ist Teil einer Übergangsphase. Die Energiewende ist eine Großbaustelle, bei der Netz, Erzeugung, Markt und Verbrauch neu aufeinander abgestimmt werden müssen. Dabei kommt es zu Reibungsverlusten wie den Entschädigungszahlungen. Insgesamt sparen die erneuerbaren Energiequellen wesentlich mehr Geld als sie durch Abregelungen kosten, erklärt Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.
Für ZDFheute hat er berechnet, wie viel Geld durch Erneuerbare Energiequellen im letzten Jahr eingespart wurde: Der durchschnittliche Börsenstrompreis lag 2024 bei 7,96 Cent pro Kilowattstunde. Ohne Erneuerbare Energien wäre der Strom etwa 1,5 Cent teurer gewesen und hätte 9,48 Cent gekostet.
Wäre der Gas- und CO2-Preis bei rein fossiler Erzeugung trotz des Mehrverbrauchs konstant geblieben, hätte das zu Mehrkosten von 7 Milliarden Euro geführt. Da der Gas- und CO2-Preis bei höherem Verbrauch aber angestiegen wäre, sind die 7 Milliarden Euro als untere Abschätzung zu sehen.
Die Entschädigungen für abgeregelten Strom seien also kein Zeichen von Verschwendung - sondern ein kalkulierter Preis für ein System im Wandel.