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Interview
Deutschland nach dem Trump-Sieg:Gabriel: "Wir sind nicht gut vorbereitet"
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Wie geht es weiter nach dem Trump-Sieg? "Wir müssen uns nicht wundern, wenn wir von der Welt rumgeschubst werden", sagt Ex-Außenminister Sigmar Gabriel im ZDFheute-Interview.
Sigmar Gabriel war bis März 2018 deutscher Außenminister.
Quelle: dpa
Der Sieg Donald Trumps bringt für die deutsche Regierung und die europäischen Partner zahlreiche Herausforderungen. Wie wird die neue Weltordnung des 21. Jahrhunderts aussehen?
Im ZDF-Politiktalk "maybrit illner" wird das Thema "Beben in Berlin und Washington - wie geht es jetzt weiter?" am Donnerstagabend diskutiert. Der ehemalige Außenminister und Vorsitzender der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel, kritisiert im ZDFheute-Interview, dass sich Deutschland und Europa nicht ausreichend auf einen Präsidenten Trump vorbereitet haben.
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Beben in Berlin und Washington – wie geht es jetzt weiter?" läuft an diesem Donnerstag, 07. November 2014, um 22:15 Uhr im ZDF und der ZDF-Mediathek.
Zu Gast sind der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik Brücke e.V., sowie die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach und der CNN-Auslandskorrespondent Fred Pleitgen.
Zu Gast sind der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik Brücke e.V., sowie die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach und der CNN-Auslandskorrespondent Fred Pleitgen.
ZDFheute: Hat es Sie überrascht, wie schnell und deutlich Donald Trump am Ende gewonnen hat - und was bedeutet dies für die Spaltung der USA?
Sigmar Gabriel: Dass er gewonnen hat, war für mich keine Überraschung. Die Deutlichkeit dagegen schon. Er hat zum Beispiel auch in den größeren Städten Zustimmung erfahren, in denen gerade die Demokraten traditionell die Mehrheiten hatten.
Die Spaltung der USA hat nicht mit Donald Trump begonnen, aber er hat sie ganz gewiss vertieft.
Sigmar Gabriel
Sein Wahlkampf war gerade zum Schluss voller unglaublicher Beleidigungen, Unwahrheiten und Verleumdungen. Er hat bewusst auf den "inneren Schweinehund" im Menschen gesetzt und damit Erfolg gehabt. Hoffen wir, dass das in Europa keine Schule macht.
"Deutsch-französisches Tandem verrostet im Keller"
ZDFheute: Viele hatten auf Kamala Harris gehofft. Wie schlecht ist die deutsche und europäische Politik auf einen Präsidenten Trump vorbereitet?
Gabriel: Dass nach Umfragen mehr als 80 Prozent der Deutschen gehofft oder gedacht haben, dass Kamala Harris die nächste Präsidentin würde, zeigt auch, wie sehr in der deutschen Öffentlichkeit und in den deutschen Medien "wishfull thinking" die öffentliche Debatte bestimmt hat.
Und auch die Politik hat zumeist wie das berühmte Kaninchen auf die Schlange gestarrt und gehofft, dass die Richtige ins Weiße Haus kommt.
Sigmar Gabriel
Deshalb sind wir eigentlich nicht gut vorbereitet: Wir sind innerhalb Deutschlands und auch innerhalb Europas zerstritten. Das deutsch-französische Tandem ist derzeit kein Motor in der europäischen Politik, sondern verrostet scheinbar irgendwo im Keller.
Und statt das zu fördern, was uns auch gegenüber Donald Trump interessant macht - nämlich eine leistungsfähige und starke Wirtschaft -, verzetteln wir uns in allen möglichen Nebenkriegsschauplätzen.
Wenn Europa jetzt nicht aufwacht, werden wir endgültig provinzialisieren und müssen uns nicht wundern, wenn wir in der Welt rumgeschubst werden, statt selbst ein Akteur auf der Weltbühne zu sein.
"Transatlantische Partnerschaft überlebenswichtig"
ZDFheute: Ist Trump auch eine Chance, dass sich Deutschland und Europa nun außenpolitisch sehr schnell emanzipieren müssen?
Gabriel: Das wäre uns zu wünschen, übrigens ohne sich von den USA zu trennen. Denn die transatlantische Partnerschaft ist nach wie vor überlebenswichtig für Europa. Aber eben als gleichberechtigte und auch gleich verantwortliche Partner, und nicht im Sinne von Befehl und Gehorsam.
ZDFheute: Wird ein Präsident Trump die Ukraine fallen lassen und die Militärhilfen kürzen - und was bedeutet das für eine mögliche Beendigung des Krieges?
Gabriel: Trump hat mir 2017 mitgeteilt, dass er nicht verstehen könne, dass die Ukraine immer auf der Tagesordnung der G7 als des Treffens der wichtigsten sieben demokratischen Industriestaaten stünde, denn das fiele selbstverständlich nicht in die Zuständigkeit Japans oder der USA. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein rein europäisches Problem.
Wenn Donald Trump bereits beim Überfall Russlands auf die Ukraine Präsident gewesen wäre, stünde die russische Armee vermutlich jetzt schon an der polnischen Grenze.
Sigmar Gabriel
Was er nun vorhat, klingt nach der Formel "Land gegen Frieden". Mal abgesehen davon, dass die Ukraine niemals im völkerrechtlichen Sinn auf ihr Territorium verzichten wird, ist die eigentliche Formel für den Frieden: 'Sicherheit gegen Frieden'. Wer garantiert der Ukraine, dass Russland nach einem Jahr Erholung seiner Armee nicht einen zweiten Versuch unternehmen wird?!
Beziehungen zu Russland
ZDFheute: Wie werden Putin und Trump miteinander umgehen?
Gabriel: Als ich Wladimir Putin mal nach seiner Meinung über Trump gefragt habe, hat Putin mit einer 25-minütigen Philippika (Wut- bzw. Brandrede, Anm. d. Red.) gegen Barack Obama geantwortet. Der Kongress hat damals in der Aufwärmphase der Trump-Regierung entschlossen mit beiden Kammern und einer bemerkenswerten Klarheit jeder Aufweichung der amerikanischen Politik gegenüber Russland eine Absage erteilt.
Das Interview führte Kai Stenzel aus der Redaktion "maybrit illner".
Quelle: dpa
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