Möblierte Wohnungen in Großstädten: Teuer und umstritten

Möbliertes Wohnen boomt:Ein Zimmer, Küche, Mietwucher?

von Hannah Waltersberger
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Über 1.000 Euro für ein WG-Zimmer ohne Warmwasser: Eine ZDF-Recherche zeigt, wie kommerzielle Anbieter mit möbliertem Wohnen Profit machen - und was das für Mieter bedeutet.

Ein Zimmer mit kahlen Wänden und kargem Einrichtungsstil. Im Vordergrund Mietpreis in rot sowie grünes Spur-Logo

In Großstädten boomt der Markt für möblierte Zimmer und Apartments. Mieter zahlen teilweise horrende Preise. Immer wieder haben die teuren Zimmer Mängel wie defekte Heizung oder kein Warmwasser.

03.09.2025 | 28:41 min

1.070 Euro Miete für ein rund 20 Quadratmeter großes WG-Zimmer - aber kein warmes Wasser, kein eigener Haustürschlüssel und ein kaputtes Küchenfenster. So lebt der Norweger Martin Togstad seit fünf Monaten in München-Sendling.

Das möblierte Zimmer in der Sechser-WG hat er online gebucht, eine Besichtigung vor Vertragsabschluss war vom Vermieter nicht vorgesehen. So genannte Co-Living-Anbieter werben mit All-inclusive-Paketen und rechtfertigen damit die vergleichsweise hohen Preise: "Ich fühle mich ausgenutzt", sagt Martin Togstad.

Wohnungsnot bei Studierenden

Viele Studierende haben vor Semesterbeginn immer noch keine Wohnung oder ein WG-Zimmer. Dies liegt nicht zuletzt am angespannten Wohnungsmarkt und zu hohen Mietpreisen.

01.10.2024 | 2:31 min

Immoscout: Möblierte Wohnungen rund 50 Prozent teurer

Wer profitiert von diesem Geschäftsmodell? Die Autorinnen der ZDF-Doku "Die Spur" haben den boomenden Markt für möblierte Wohnungen in deutschen Großstädten untersucht. Schnell wurde klar: Togstads Erfahrungen sind kein Einzelfall.

Laut dem Immobilienportal Immoscout ist in den fünf größten deutschen Städten inzwischen fast jede dritte angebotene Wohnung möbliert und im Schnitt rund 50 Prozent teurer als unmöblierte Angebote in vergleichbarer Lage. Hinter vielen der Angebote stecken kommerzielle Anbieter, die auf maximale Rendite setzen. Ihr Modell: große Wohnungen in mehrere kleine Einheiten aufteilen und die Zimmer dann einzeln und möbliert vermieten. Dafür verlangen sie meist Pauschalmieten, inklusive Möbeln, Nebenkosten und Reinigung.

Modulbau

In Berlin wird heute auf dem Tag der Wohnungswirtschaft über Herausforderungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus diskutiert. Wie kann Bauen hier günstiger und nachhaltiger gestaltet werden?

19.11.2024 | 2:00 min

Mieterverein München: "Masche" kostet Wohnraum für Familien

Monika Schmid-Balzert vom Mieterverein München sieht diese "Masche", wie sie es nennt, kritisch: "Hier geht definitiv familiengerechter Wohnraum verloren und diese Wohnungen wären für Familien extrem wichtig - aber natürlich nicht zu diesen Preisen."

Ein Beispiel dafür ist eine Wohnung des Anbieters Habyt in der Münchner Altstadt: 163 Quadratmeter, aufgeteilt in fünf WG-Zimmer. Für einzelne Räume zahlen die Bewohner jeweils um die 1.000 Euro - selbst für nur neun Quadratmeter. Zusammen sind das mehr als 5.000 Euro im Monat.

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Ein WG-Zimmer kann mächtig ins Geld gehen - vor allem an Unistandorten wie München oder Berlin. Günstiger lebt es sich für Studierende in anderen Städten. Ein Überblick in Zahlen.
Zwei Studentinnen betrachten  die Wohnungsanzeigen am Schwarzen Brett in der Mensa der Ludwig-Maximilians-Universität in München
Grafiken

Co-Living Anbieter Habyt verspricht Eigentümern hohe Profite

Habyt wurde mit der Vision gegründet, "bezahlbare und nachhaltige Wohnlösungen" zu schaffen. Eigentümern verspricht das Unternehmen zugleich ein "hoch profitables Geschäftsmodell" und "mehr Einnahmen pro Quadratmeter als mit jeder anderen Lösung". Dabei besitzt Habyt selbst keine Immobilien, sondern verwaltet oder mietet die Wohnungen lediglich. Habyt gilt inzwischen als einer der größten Co-Living-Anbieter und ist in zwölf Ländern aktiv.

Die Spur führt die Reporterinnen zu Saadnoor Salehin in Berlin. Er lebt dort seit über eineinhalb Jahren ohne Warmwasser und ohne Heizung. Für sein 21-Quadratmeter-Zimmer zahlt er 740 Euro im Monat. Duschen kann er nur im Fitnessstudio, manche Mitbewohner erhitzen Wasser auf dem Herd und duschen mit Eimern:

Ich würde es Ausbeutung nennen. Ich bin überrascht, dass so etwas in Deutschland möglich ist.

Saadnoor Salehin, Software-Ingenieur aus Bangladesch

Habyt teilt auf Anfrage mit, man halte sich an geltende Gesetze und biete Kunden einen "All-inclusive-Service".

Rechtsberater: Mit All-inclusive-Zimmern Mietpreisbremse umgehen

Seit 2015 soll die Mietpreisbremse vor überhöhten Preisen schützen. In angespannten Wohnungsmärkten darf die Miete bei Neuverträgen höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Daniel Halmer von der Rechtsberatung Conny hat bereits mehrere Verfahren gegen Anbieter wie Habyt gewonnen. Möblierte All-inclusive-Zimmer seien "gewiefte Versuche, die Mietpreisbremse zu umgehen oder Mietern das Gefühl zu geben, sie greife hier nicht". Doch juristisch sei das Unsinn, so Halmer. Denn die Mietpreisbremse gilt auch bei möblierten Wohnungen.

Ein Laptop mit einem Programm gegen Mietwucher auf dem Bildschirm

Die Bundestagsfraktion "Die Linke" hat eine App herausgegeben, mit der Mieter*innen herausfinden können, ob sie eine zu hohe Miete zahlen. Clemens Kuck aus Berlin hat sie ausprobiert.

22.07.2025 | 2:31 min

Das Problem: Vermieter müssen den Aufschlag für Möbel und Ausstattung nicht extra im Mietvertrag ausweisen. Mieter wissen oft nicht, wie viel sie für die Ausstattung draufzahlen.

Damit die Mietpreisbremse greift, müssen Mieter selbst aktiv werden und die überhöhte Miete schriftlich rügen. Unterstützung gibt es bei Mietervereinen oder Rechtsberatungsunternehmen im Netz.

  • Für die ZDF-Doku "Die Spur" haben die Autorinnen Carolin Hentschel und Hannah Waltersberger über Bewertungsplattformen wie Trustpilot und Google Maps, Social Media, Mietergruppen und Reddit-Foren zahlreiche Habyt-Mieter kontaktiert und mit vielen Gespräche geführt.
  • Um herauszufinden, wie groß der Markt für möblierte Zimmer in deutschen Großstädten inzwischen ist, wertete Hannah Waltersberger rund 13.000 Anzeigen auf der Plattform wg-gesucht aus. Ergebnis: Mehr als drei Viertel aller WG-Zimmer aus den zehn größten deutschen Städten waren dort zum Zeitpunkt der Recherche möbliert.
  • Recherchen in Handels- und internationalen Unternehmensregistern offenbarten zudem: Hinter Anbietern wie Habyt stehen zahlreiche Investoren, teils mit Sitz in Offshore-Standorten.


Miete frisst Einkommen
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Wer studiert oder eine Ausbildung macht, zahlt oft zu viel fürs Wohnen. Wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, sind viele dadurch finanziell überlastet.
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