Zivildienst: Was würde eine Rückkehr bringen?

Debatte über Wehrpflicht:Was würde eine Rückkehr zum Zivildienst bringen?

von Stefanie Reulmann
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Mit der Debatte über eine Wehrpflicht rückt auch der Zivildienst wieder in den Fokus. Infrastruktur, Personal, Einsatzstellen - sind wir darauf vorbereitet?

Archivbild: Ein Zivildienstleistender begleitet eine alte Frau.
Kommt der Zivildienst zurück? (Symbolbild)
Quelle: dpa

Schwarz-Rot hat im Koalitionsvertrag angekündigt, "einen neuen attraktiven Wehrdienst" zu schaffen, zunächst auf freiwilliger Basis. Gelingt es nicht, genug Freiwillige für die Bundeswehr zu motivieren, könnte die Wehrpflicht zurückkommen - und mit ihr der Zivildienst. Was würde das bedeuten und sind wir darauf vorbereitet?

Millionen Männer leisteten Zivildienst

Jahrzehntelang waren Zivildienstleistende aus sozialen Einrichtungen nicht mehr wegzudenken. Krankenhäuser, Pflegeheime oder Behinderteneinrichtungen haben von dem zusätzlichen Personal profitiert. 50 Jahre, bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011, haben insgesamt 2,7 Millionen wehrpflichtige junge Männer in Deutschland Zivildienst geleistet. Zuletzt, im Jahr 2010, waren es etwa 80.000 sogenannte Zivis.
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Um die durch das Aussetzen der Wehrpflicht entstandenen personellen Lücken zu schließen, trat der Bundesfreiwilligendienst (BFD) an die Stelle des Zivildienstes. Er steht allen Menschen offen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Im Schnitt melden sich etwa 40.000 Menschen für den Bundesfreiwilligendienst pro Jahr, die "Bufdis" konnten also die wegfallenden "Zivis" kaum ersetzen.

Neue Zivis würden auf "gestresste Einrichtungen" stoßen

Neben dem BFD gibt es noch zwei weitere Dienste: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), das seit 1964 existiert, und das 1993 ins Leben gerufene Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) - insgesamt absolvieren knapp 60.00 junge Leute zwischen 15 und 27 Jahren jedes Jahr ein FSJ oder FÖJ. Diese Dienste dauern zwischen sechs und 24 Monaten.
Würde der Zivildienst zurückkehren, könnte kurzfristig wieder mehr Personal in sozialen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Ein Segen in Zeiten des Fachkräftemangels? Nicht unbedingt, sagt Joß Steinke, Leiter der Jugend und Wohlfahrtspflege beim Deutschen Roten Kreuz. Der soziale Sektor sei "zwar größer, aber weniger stabil" geworden.

Junge Menschen treffen zunehmend und dann im größeren Umfang auf gestresste Einrichtungen und unterbesetzte Stationen.

Joß Steinke, Leiter Jugend und Wohlfahrtspflege beim Deutschen Roten Kreuz

Auch bei den jungen Erwachsenen hätten sich die Voraussetzungen verändert, sagt Steinke: "Die psychischen Belastungen von Jugendlichen haben deutlich zugenommen und damit die Anforderungen an diejenigen, die sie vor Ort in die Tätigkeiten einbinden sollen." Es brauche Zeit und Personal, um eine gute Einarbeitung und Betreuung zu gewährleisten. Gut ausgebildete Fachkräfte können so leicht nicht ersetzt werden.
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Nach einem Freiwilligendienst entscheiden sich viele junge Menschen für einen Beruf im sozialen Bereich. Daher könnte man langfristig dem Fachkräftemangel durch eine Stärkung der Freiwilligendienste durchaus begegnen, argumentieren die Wohlfahrtsverbände. Sie fordern allerdings einen Ausbau und eine gleichberechtigte Förderung aller Freiwilligendienste.

Konkurrenz durch Zivildienst?

Doch bei der Bezahlung gibt es große Unterschiede. Freiwilligendienste erhalten Fördermittel von Bund, Ländern und verschiedenen Stiftungen. Der Bund zahlt Zuschüsse für die pädagogische Begleitung von maximal 200 Euro, das Taschengeld zahlen überwiegend die Träger. Insgesamt kommen Freiwilligendienstleistende auf 400 bis 600 Euro pro Monat.
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Wer freiwillig zur Bundeswehr geht, erhält im untersten Dienstgrad gut 1.800 Euro brutto, derzeit ist sogar eine Erhöhung im Gespräch. Der Zivildienst als Ersatzdienst würde sich bei Entlohnung, Sozialversicherung oder Urlaub am Wehrdienst orientieren. Die Kosten würde ebenfalls der Staat übernehmen. Somit würde der Zivildienst Anbietern mehr Vorteile bringen. Kritiker befürchten daher eine starke Konkurrenz im sozialen Bereich, die zu weniger Stellen für Freiwilligendienstleistende führen könnte.

Verbände fordern gerechte Bezahlung und Planungssicherheit

Deshalb brauche es eine gerechte Entlohnung, fordert die Präsidentin der Caritas, Eva Maria Welskop-Deffaa: "Wer jetzt den Sold für freiwillig Wehrdienstleistende auf über 2.000 Euro erhöht, das Taschengeld der sozialen Freiwilligendienste aber unverändert lässt, geht einen Schritt in die falsche Richtung."
Die finanziellen Mittel für Freiwilligendienste sind knapp und dauerhaft von Kürzungen bedroht. Der Bundeshaushalt 2025 sah insgesamt 40 Millionen Euro weniger vor - es wurden Stellen gestrichen. Im Bundeshaushalt 2026 gibt es wieder ein Plus von 25 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Wohlfahrtsverbände kritisieren die fehlende Planungssicherheit.
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Bundesamt bei Zivildienst-Rückkehr gelassen

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten (BAFzA) wäre für den Zivildienst zuständig, das beim Bundesfamilienministerium angesiedelt ist. Dort sieht man einer möglichen Rückkehr des Zivildienstes gelassen entgegen. Man könne "an viele Erfahrungswerte und Strukturelemente aus der Zeit bis 2011 anknüpfen", sagt ein Sprecher.
DRK-Bereichsleiter Steinke sieht das kritischer:

Es bräuchte einen enormen Aufbau von Kapazitäten, auch in der Verwaltung. Das wird angesichts der demografischen Situation sehr schwierig.

Joß Steinke, Leiter Jugend und Wohlfahrtspflege beim Deutschen Roten Kreuz

Eine Rückkehr zum Zivildienst hält Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa auch aus anderen Gründen für problematisch. Der Zivildienst schließe "junge Frauen, Männer ohne deutschen Pass oder mit körperlichen Einschränkungen" vom Dienst aus, sagt sie ZDFheute: "Das passt nicht mehr in unsere Zeit und wirft gerade bei den jungen Menschen, die betroffen sind, erhebliche Gerechtigkeitsfragen auf."

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