Analyse
Bundestagspräsidentin Klöckner:Die Streitlustige
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Gut zwei Monate ist Julia Klöckner jetzt Bundestagspräsidentin. Ein Amt, das sie anders interpretiert als ihre Vorgänger. Oft zugespitzt und kontrovers. Dafür erntet sie Kritik.
Julia Klöckner ist eine streitbare Frau. Eine mit einer starken Meinung und sie hält mit dieser Meinung oft nicht hinter dem Berg. Julia Klöckner ist eine Politikerin, wie sie sich die Öffentlichkeit und auch die Medien oft wünschen: klar, direkt und nicht feige, ihre Haltung auch zu vertreten.
Mit ihrem neuen Amt als Bundestagspräsidentin gerät dieser Charakterzug jetzt immer wieder in Konflikt - denn von der Präsidentin des Bundestages erhoffen, ja erwarten gerade ihre Kritiker eine Art Neutralität, die mit einer öffentlichen Positionierung nicht vereinbar ist.
Klöckner kritisiert "Verengung von Diskursräumen"
Klöckner, die bereits auf eine lange Karriere als Abgeordnete, Bundesministerin, Fraktions- und Parteivorsitzende ihrer CDU in Rheinland-Pfalz zurückblicken kann, hält nicht viel von einer zum Grüßaugust degradierten Funktion an der Spitze des Parlamentes. Im Gegenteil.
Schon in ihrer Antrittsrede am 25. März kritisiert sie gegenüber den Abgeordneten des Bundestages, dass "die Verengung von Diskursräumen" keine gute Entwicklung sei. Sie sagt:
Wer Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt ernst nimmt, der muss auch andere Sichtweisen ertragen, sie aushalten.
Julia Klöckner, Bundestagspräsidentin
Dass sie das auch auf ihre Rolle als Präsidentin bezieht, ist für Julia Klöckner selbstverständlich.
Streit um die Rolle der Kirchen
Vor dieser Blaupause einer Stellenbeschreibung agiert die neue Bundestagspräsidentin jetzt seit gut zwei Monaten. Und sie eckt damit an. Die erste Kontroverse löst sie aus, als sie, quasi als Osterbotschaft, in einem Interview den Kirchen vorwirft, sich zu viel in die allgemeinpolitische Debatte einzumischen und sich zu wenig der seelsorgerischen Verantwortung zu stellen.
Sie halte es "für nicht immer sinnvoll, wenn Kirchen glauben, eine weitere NGO zu sein und sich zu Tagespolitik äußern", so Klöckner in einem Interview mit dem katholischen Domradio. Das käme einem Maulkorb für die Kirchen gleich, musste sich die Bundestagspräsidentin daraufhin anhören. Auch von zahlreichen CDU-Parteifreunden.
Die Chiffre Weinkönigin
In den publizierten Beschreibungen über Julia Klöckner ist es eine beliebte Variante, auf ihre vermeintliche Karriere hinzuweisen von der Weinkönigin zur Bundestagspräsidentin, von der Repräsentantin der deutschen Weinanbaugebiete zur Repräsentation der deutschen Bundestagsabgeordneten. Aber ist diese Karrierebeschreibung eigentlich gerecht?
Und vor allem: Ist sie relevant für die Beurteilung der Politikerin Julia Klöckner? Es scheint keine völlig aus der Luft gegriffene Interpretation, wenn die Weinköniginnen-Geschichte vor allem als Chiffre für eine Politikerin benutzt wird, die man nicht ganz ernst nehmen muss und deren politischen Einwürfe deshalb entweder als unangemessen oder parteiisch abgetan werden könnten.
Klöckner selbst hatte in ihrer Bundestagsrede im März dazu gesagt:
Kritisieren wir einander; das gehört dazu. Aber reden wir uns nicht gegenseitig persönlich schlecht.
Julia Klöckner, Bundestagspräsidentin
Mehr Minister-Präsenz im Bundestag gefordert
Dass Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin eine besondere Rolle zukommt, ergibt sich schon aus dem Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung. "Wir Abgeordneten kontrollieren die Regierung. Sie schuldet uns Rechenschaft, und nicht umgekehrt; denn das Parlament ist keine nachgeordnete Behörde der Bundesregierung", hatte sie in ihrer Antrittsrede formuliert.
Und sie handelt entsprechend, etwa wenn sie - wie jetzt gerade bekannt wurde - die Ministerinnen und Minister auffordert, öfter im Plenum des Bundestages präsent zu sein. Aber sich dabei auch gleichzeitig als politisches Neutrum zu definieren, kommt ihr nicht in den Sinn. Nicht zuletzt, weil auch ihre Vizepräsidenten immer wieder die herausgehobene Rolle für politische Statements nutzen.
Das gilt für den Grünen Omid Nouripour gleichermaßen wie für Wolfgang Kubicki von der FDP in der vergangenen Periode.
Kontroverse mit ZDF-Moderatorin Dunja Hayali
Die jüngste Kritik löst Klöckner aus, als sie vor wenigen Tagen ein Interview von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali mit Bundeskanzler Friedrich Merz kritisiert. In ihrer Instagram-Story teilt sie einen Post von einem Account mit dem Namen "merzrevolution". In ihm hieß es: "Die Mehrheit sieht es anders! Merz macht Dunja Hayali (ZDF) fertig".
Ist diese Positionierung einer Bundestagspräsidentin unwürdig? Jedenfalls macht es deutlich, dass Julia Klöckner sich weiterhin als Vollblutpolitikerin versteht. Auch als eine, die an den "Digitalen Theken", wie sie die Social-Media-Plattformen nennt, ihre Meinung zum Besten gibt.
"Wir müssen dort ebenso streitbar Position beziehen, wie an den Stammtischen im Land oder hier im Deutschen Bundestag", hatte sie in ihrer Antrittsrede gesagt. Es wird nicht die letzte Kontroverse sein, die mit ihrem Namen verbunden sein wird.
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