Hygiene zur Erkältungszeit:Desinfektionsmittel: Wie viel ist zu viel?
Die Erkältungszeit ist in vollem Gange und viele greifen zu Desinfektionsmitteln. Doch wie oft ist das nötig? Wann wird es zu viel? Und überhaupt: Reicht Händewaschen nicht aus?
Desinfektionsmittel sind für viele ein ständiger Begleiter im Kampf gegen Keime. Doch kann man es damit auch übertreiben? Welche Einsatzgebiete es gibt und wo die Risken in der Anwendung liegen.
Quelle: imago/imagebrokerSobald es kühler wird und mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbracht wird, haben Bakterien, Pilze und Viren leichtes Spiel. Nach dem Einkaufen oder der Busfahrt greifen manche daher gerne zum Handdesinfektionsmittel aus der Flasche. Doch zwischen Keimangst und Hautreizungen stellt sich die Frage: Wie viel Desinfektion ist gesund?
Zum Thema Dosierung gibt Johannes K.-M. Knobloch, Leiter der Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Auskunft: "Eine generelle Empfehlung gibt es nicht, aber als Richtwert reichen drei Milliliter aus." Die Menge genüge, um Bakterien zu inaktivieren. "Damit bekommt man eine Hand durchschnittlicher Größe komplett eingerieben", ergänzt der Experte.
Sind die Hände sichtbar schmutzig, sollten sie im Idealfall 30 Sekunden mit Seife gewaschen werden. Anschließend wird das Desinfektionsmittel in die trockenen Hände gegeben und gleichmäßig verteilt. Die Einwirkzeit beträgt je nach Hersteller etwa 30 bis 60 Sekunden, damit Viren und Bakterien zuverlässig abgetötet werden.
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05.04.2021 | 0:58 minWas Desinfektionsmittel leisten
Desinfektionsmittel sollen Mikroorganismen unschädlich machen. Experten empfehlen Mittel, die mindestens 62 Prozent Alkohol, dem Hauptinhaltsstoff, enthalten. "Bei Bakterien und Viren können sie die Proteine und andere biologische Strukturen schädigen, wodurch die Erreger abgetötet oder inaktiviert werden", erklärt Knobloch.
Besonders in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeberufen ist die Desinfektion der Hände notwendig, um sowohl Patientinnen und Patienten als auch das medizinische Personal vor der erhöhten Keimbelastung zu schützen.
Arten und Wirkweise von Handdesinfektionsmitteln
Es gibt Desinfektionsmittel als flüssige oder gelartige Variante, zum Sprühen oder als Tücher:
- Flüssige Mittel lassen sich gleichmäßig verteilen und ziehen schnell ein.
- Gelhaltige Mittel sowie Tücher sind weniger umweltverträglich.
- Sprüh-Desinfektionsmittel bieten nicht immer ausreichend Schutz, da sich der Wirkstoff beim Sprühen verflüchtigen kann, bevor er die Hände erreicht.
Desinfektionsmittel wirken gegen bestimmte Mikroorganismen: Fungizid wirkt gegen Pilze, Bakterizid gegen Bakterien. Ein Viruzid tötet behüllte und unbehüllte Viren (etwa Noro- und Corona-Viren) ab. Steht "begrenzt viruzid" auf der Verpackung, wirkt das Desinfektionsmittel gegen behüllte Viren wie zum Beispiel Hepatitis-C-Viren.
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29.08.2025 | 5:52 minHändedesinfektion: Wo und wann sie im Alltag zählt
Im privaten Umfeld könne Händedesinfektion sinnvoll sein - zum Beispiel bei der Pflege von Menschen mit Magen-Darm-Infekt, erklärt Knobloch. Darüber hinaus gibt es Alltagssituationen, in denen Händewaschen nicht möglich ist: Etwa, wenn unterwegs die sanitären Anlagen fehlen oder defekt sind. "In solchen Fällen macht das Desinfizieren der Hände Sinn", so Knobloch. Idealerweise solle man ein Produkt wählen, das auch Noroviren inaktivieren kann.
Ansonsten rät der Hygieniker vom Desinfizieren im alltäglichen Leben und zu Hause ab. "Die Mittel bieten im Alltag keinen besonderen Vorteil", sagt Knobloch. Im Gegenteil: Desinfektionsmittel sind in der Regel teurer als Seife und umweltschädlicher.
Ich würde das Händewaschen dem Desinfizieren in der Regel immer vorziehen.
Prof. Dr. Johannes K.-M. Knobloch, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie, Infektionsepidemiologie und Krankenhaushygiene
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15.08.2024 | 1:30 minÜberdosierung schadet der Haut
Wer mehrmals am Tag zum Handdesinfektionsmittel greift, merkt: Die Haut wird trocken und spröde. Knobloch empfiehlt daher Produkte mit rückfettenden Zusätzen, die die Haut nach der Desinfektion pflegen und vor dem Austrocknen schützen. Nicht nur das Wirkspektrum werde dadurch beeinflusst, ob Ethanol, Propanol oder beide Wirkstoffe enthalten seien. Auch das Hautgefühl nach der Desinfektion ändere sich mit der Zusammensetzung.
Händedesinfektion sollte sparsam und gezielt eingesetzt werden. Eine übermäßige Anwendung kann mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Dr. Dagmar Ludolph-Hauser, Dermatologin
Regelmäßiges und häufiges Desinfizieren der Haut kann sich nachteilig auswirken - vor allem für Menschen mit empfindlicher Haut. "Eine übermäßige Händedesinfektion kann negative Effekte auf die Haut und deren Mikrobiom haben", bestätigt Dagmar Ludolph-Hauser vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen. Der Grund: "Desinfektionsmittel entziehen der Haut Fett und können den Säureschutzmantel angreifen."
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08.01.2024 | 1:28 minHändewaschen und Desinfektion sinnvoll kombinieren
Eine generelle Empfehlung zur Häufigkeit von Desinfektionsmittel gibt es auch laut Ludolph-Hauser nicht. Sicher ist aber: "Werden die Hände nicht ausreichend desinfiziert, können Keime überleben und sich vermehren." Die Dermatologin betont: "Das Händewaschen mit Seife sollte als Hygienemaßnahme nicht vernachlässigt werden."
Negative Auswirkungen von Desinfektionsmittel
Die Risiken von alkoholhaltigem Desinfektionsmittel sind laut Dermatologin Dagmar Ludolph-Hauser folgende:
Desinfektionsmittel entziehen der Haut Fett und können den Säureschutzmantel angreifen, was zu Trockenheit, Rissen und Entzündungen führen kann. Im schlimmsten Fall kann ein Abnutzungsekzem entstehen.
Die natürliche Keimbesiedlung spielt eine wichtige Rolle für die Widerstandsfähigkeit der Haut. Wird diese aus dem Gleichgewicht gebracht, kann das Wachstum schädlicher Bakterien begünstigt werden.
Die natürliche Hautbarriere kann geschwächt und das Risiko für Allergien erhöht werden.
Übermäßiger Gebrauch von Desinfektionsmitteln kann zur Resistenzentwicklung von Mikroorganismen führen.
Eine übermäßige Fokussierung auf Hygiene kann zu zwanghaftem Verhalten führen.
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