Nach dem 2:0 gegen bei EM Polen: Gwinn-Schock trübt Freude

EM: Nach dem 2:0 gegen Polen:Gwinn-Schock trübt Freude über Auftaktsieg

von Frank Hellmann, St. Gallen
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Das 2:0 gegen Polen ist für die deutschen Fußballerinnen bei der EM ein teuer erkaufter Sieg. Giulia Gwinn droht die Diagnose Kreuzbandriss. Es wäre der dritte in ihrer Karriere.

04.07.2025, Frauen-EM, Deutschland - Polen: Deutschlands Giulia Gwinn wird nach einer Verletzung von Mitspielerinnen und dem Team umringt.
Kreuzbandriss oder nicht? Eine MRT-Untersuchung am Samstag soll Aufschluss geben, wie schlimm Gulia Gwinns Verletzung ist.
Quelle: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Einen kurzen Moment hatte die kleine Gruppe um Selina Cerci und Klara Bühl sogar ein kleines Tänzchen auf dem Rasen gewagt. Die Stadionregie im Kybunpark von St. Gallen hatte mit "Völlig losgelöst" von Major Tom das Spielfeld beschallt, als Bundestrainer Christian Wück kurz darauf alle Spielerinnen in die Kabine schickte.
Jedwede Freude über das 2:0 gegen Polen zum Start in die EM 2025 schien gerade fehl am Platze. Wück sprach von einem "bitter erkauften Sieg". Seine Spielerinnen sollten nach Abpfiff zuerst Giulia Gwinn trösten. Ihr droht das Turnieraus.

"Nach unserem Kreis waren wir alle noch einmal in der Kabine und haben Giulia in den Arm genommen.

Christian Wück, Bundestrainer

Bitter weinend hatte die Verteidigerin des FC Bayern kurz vor der Pause den Platz verlassen. Bei einer Grätsche gegen Polens Stürmer Ewa Pajor blieb ihr linkes Knie im Rasen hängen, die Kapitänin kehrte zwar kurz zurück, sackte dann aber auf dem Spielfeld zusammen.
Jule Brand jubelt mit ihren Team-Kolleginnen nach ihrem Auftakt-Tor gegen Polen.
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Gwinn: Schon zwei Kreuzbandrisse

"Ich habe gesehen, wie sie ein sicheres Tor verhindert. Das Knie ist betroffen. Es wäre unheimlich schlimm, wenn es etwas Schlimmeres sein sollte", sagte Wück in der Pressekonferenz. Eine MRT-Untersuchung in Zürich soll Aufschluss geben, ob sich die 26-Jährige das Kreuzband gerissen hat. Es wäre die die dritte Verletzung dieser Art in ihrer Karriere.

Wenn man zwei Mal einen Kreuzbandriss hatte und wieder am Knie verletzt ist, steht man erstmal unter Schock.

Bundestrainer Christian Wück

Im Herbst 2020 war bei Gwinn bei einem EM-Qualifikationsspiel gegen Irland das Kreuzband im rechten Knie gerissen, im Herbst 2022 hatte sie sich dieselbe Verletzung beim Training mit der Nationalmannschaft im linken Knie erlitten. Viele Gesichter aus der DFB-Delegation, allen voran von Fitnesstrainer Julius Balsmeier, waren in dieser Nacht kreidebleich.

Nia Künzer kümmerte sich um die Eltern

Zumal auch die engsten Angehörigen das Drama miterlebten. Dass ihre Eltern, ihre Geschwister und ihr Freund unter den 16.000 Zuschauern saßen, machte es fast noch schlimmer. Die selbst von vier Kreuzbandrissen geplagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer schien fast ausschließlich damit beschäftigt, die völlig aufgelöste Familie zu trösten, die später noch mit Gwinn-Trikots an den Mannschaftsbus kam.
Giulia Gwinn hatte die langen Leidenszeiten genutzt, zur Persönlichkeit zu reifen. Als Kapitänin führte sie das deutsche Team ins Turnier. Und weil sie in dieser Region geboren und aufgewachsen ist, sollte für sie diese EM besonders werden.
Giulia Gwinn
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"Wenn Giuli liegt, ist es nie gut. Normal steht sie schnell wieder auf. Zur Pause haben wir gesagt: Jetzt erst recht für Giuli", erzählte Stürmerin Jule Brand, die mit einem Traumtor (52.) und einer Traumflanke auf Lea Schüller (66.) fast im Alleingang den Sieg gesichert hatte.
"Das war ein brutaler Schock, wir kennen alle ihre Vorgeschichte", sagte Abwehrchefin Janina Minge, die nun vermutlich für den Rest des Turniers als Spielführerin fungiert.

Carlotta Wamser leitet beide Tore ein

Als Rechtsverteidigerin feierte Carlotta Wamser ein bemerkenswertes EM-Debüt, wobei sie bis vor wenigen Monaten niemand für die EM auf dem Zettel hatte. Doch Wück war nicht verborgen geblieben, dass die eigentliche Offensivspielerin erst bei der U23 rechts hinten überzeugte und dann am Saisonende auch bei Eintracht Frankfurt auf dieser Position auftrumpfte.
"Die, die sich gewundert haben, werden gesehen haben, warum wir so nominiert haben. Ihre körperliche Dynamik, ihre gute Zweikampfführung helfen uns", lobte Wück die 21-Jährige.
Die Draufgängerin mit den tief heruntergezogenen Stutzen war an der Entstehung beider Tore beteiligt. Die zu Bayer Leverkusen gewechselte Allrounderin wollte von ihrer Darbietung nicht viel Aufhebens machen, denn: "Man kommt nie gerne rein, wenn sich jemand verletzt." Auch ihre Gedanken waren ganz bei Giulia Gwinn.

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