Vertrauensfrage in Frankreich:Was die Krise in Paris für Deutschland bedeutet
Frankreich hat große politische, aber auch wirtschaftliche Probleme. Der Premier stellt am Montag die Vertrauensfrage. Das lässt auch Deutschland nicht kalt.
Frankreichs Premierminister stellt sich am Montag im Parlament der Vertrauensfrage. Bayrous Mitte-Rechts-Bündnis hat keine Mehrheit, es wird mit einem Regierungssturz gerechnet.
08.09.2025 | 0:22 minWenn Premierminister Francois Bayrou am Montag vor das Mikrofon tritt, dann geht es im Kern darum, wie das Land von seinen horrenden Verbindlichkeiten runterkommt. Paris erdrücken 3,3 Billionen Euro - in absoluten Zahlen die höchsten Schulden in ganz Europa. Unser Nachbarland muss sparen, doch der Widerstand gegen Veränderungen ist so groß, dass Bayrou nun mit der Vertrauensfrage die Staatsfinanzen mit seinen Reformvorschlägen verbindet. Alle Parteien sollen anerkennen, dass die Schulden zu hoch und die Kürzungspläne unumgänglich sind. Bayrou will unter anderem Sozialleistungen kürzen, Renten nicht erhöhen und die Zahl der Beamten reduzieren.
Zwischen den USA und Frankreich herrscht diplomatische Verstimmung. Frankreichs Außenministerium bestellt den US-Botschafter ein, spricht von unzulässiger Einmischung in innere Angelegenheiten.
25.08.2025 | 2:38 minFranzösischer Sozialstaat nicht mehr zu finanzieren?
Der Sozialstaat stößt an seine Grenzen, sagt Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris. Brandmaier weiß um die Stimmungslage im Land. Einschnitte, sagt er, seien politisch schlecht zu verkaufen. Doch in Frankreich sei der Wohlfahrtsstaat mit sehr vielen sozialen Leistungen eben besonders ausgeprägt; hinzu kommen viele Unternehmenshilfen und Subventionen:
Und da ist der Staat eben in einer Situation, in der er seit 1974, also seit über 50 Jahren keinen ausgeglichen Haushalt mehr vorgelegt hat. Und das rächt sich dann irgendwann, weil man als Staat bei steigenden Zinsen eben an seine Grenzen kommt, was die Schuldenaufnahme betrifft.
Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris
Frankreichs Premier Bayrou stellt am 8. September die Vertrauensfrage. Die Opposition kündigt Gegenstimmen wegen seiner 44-Milliarden-Euro-Sparpläne an. Kommt es zum Regierungssturz?
26.08.2025 | 2:57 minÜberbordende Schulden - Die Kapitalmärkte senden Alarmsignale
Und in genau dieser Situation befindet sich Frankreich längst. In der Amtszeit von Präsident Macron hat sich das Land so viele Milliarden Euro geborgt wie nie zuvor. "Der Pfad den Frankreich eingeschlagen hat, wird schon seit geraumer Zeit kritisch vom Kapitalmarkt begleitet", sagt daher Joachim Schallmayer. Der Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank verweist auf die Renditen für französische Staatsanleihen, also die Prämien, die Investoren für das Halten französischer Schuldtitel fordern.
In Toulon traf sich der deutsch-französische Ministerrat zu Wirtschaft und Sicherheit. Macron und Merz planen unter anderem enger zusammenzuarbeiten und Bürokratie abzubauen.
29.08.2025 | 1:41 minDiese Renditen sind bereits deutlich gestiegen "und stehen derzeit bei rund 80 Basispunkten Zinsaufschlag gegenüber Bundesanleihen", so Schallmayer. Dass der Risikoaufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen so hoch ist, wird als Alarmsignal gewertet. Doch dieser sogenannte "Spread" von dem Christiane von Berg spricht, könnte sich sogar noch ausweiten. Nämlich dann, wenn es tatsächlich Neuwahlen in Frankreich geben würde, so die Volkswirtin des Kreditversicherers Coface.
Bedenkt man, dass das Parteiensystem in Frankreich, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern, zunehmend zersplittert beziehungsweise an die äußeren Ränder driftet, wird eine Regierungsbildung immer schwieriger und damit erhöht sich die Unsicherheit extrem.
Christiane von Berg, Volkswirtin Kreditversicherer Coface
Handelskammerchef: "Es steht viel auf dem Spiel für die deutsche Wirtschaft"
Während eine Niederlage von Bayrou an den Finanzmärkten also offenbar längst berücksichtigt ist, sieht es mit vorgezogenen Neuwahlen anders aus, wie auch den Worten Schallmayers zu entnehmen ist: "Die Gefahr eines abrupten Anstiegs der Risikoprämien beobachten wir." Leisten kann sich Frankreich, so hoch verschuldet, die Ausweitung der politischen Krise nicht. Erst vor wenigen Tagen haben Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz beim deutsch-französischen Ministerrat versucht, Stärke zu demonstrieren. Man wolle Europa in Sachen Wirtschaft und Verteidigungsfähigkeit voranbringen, so die gemeinsame Botschaft.
In Toulon beraten deutsche und französische Minister über Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Wie verlässlich sind die Vereinbarungen? Diana Zimmermann berichtet.
29.08.2025 | 1:55 minGeholfen hat es wenig. Die politische Unsicherheit im Land sei groß, sagt Brandmaier, und das habe längst auch auf die Stimmung der deutschen Unternehmen in Frankreich abgefärbt: "Wir spüren eine Anspannung." Und das hat Gründe: Frankreich ist der zweitgrößte Exportmarkt für Deutschland. Und Deutschland war 2024 zudem der größte Direktinvestor im Nachbarland. "Das heißt", so Brandmaier, "es steht hier viel auf dem Spiel für die deutsche Wirtschaft. Frankreich ist einer unser wichtigsten Wirtschaftspartner."
Krise kommt zur Unzeit
Wie sehr es derzeit klemmt, spüre man am deutlichsten bei den Firmen, die von öffentlichen Aufträgen abhängen: "Hier sehen wir eben, dass durch diese politische Verunsicherung, insbesondere in den französischen Verwaltungen, eine abwartende Haltung herrscht. Das führt dazu, dass Investitionen oder Kaufentscheidungen nicht getroffen oder verschoben werden. Und das bringt dann diese Ungewissheit für viele Unternehmen, die nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen".
Frankreich versinkt im Schuldenberg. Premier Bayrou plant ein striktes Sparprogramm mit eingefrorenen Renten, gekürzten Sozialleistungen und der Abschaffung von Feiertagen.
26.08.2025 | 1:33 minZusammenfassend sagt der Handelskammerchef, sei die aktuelle Entwicklung nicht nur schlecht für Frankreich, sondern auch für Europa: "Denn gerade jetzt bräuchten wir in Europa aber auch in Deutschland ein politisch stabiles und ein wirtschaftliches starkes Frankreich." Doch genau das ist die Grande Nation gegenwärtig nicht.
Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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