Deutsche-Bank-Chef: Glaube an Heimatmarkt ist zurück

Interview

Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt:Deutsche-Bank-Chef: Glaube an Heimatmarkt ist zurück

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Deutschland wird in diesem Jahr wieder wachsen, sagt der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing im Interview mit ZDFheute. Und spricht über die drohenden neuen Zölle aus den USA.

Christian Sewing, Deutsche Bank CEO
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing.
Quelle: ddp

Wirtschaftsprominenz im Kanzleramt: Mehr als 60 Firmen der Initiative "Made for Germany" hatte Bundeskanzler Friedrich Merz für diesen Montag eingeladen. Die Unternehmer versprachen Investitionen in Deutschland in Höhe von 631 Milliarden Euro bis 2028. Direkt aus dem Kanzleramt kam Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing zum Interview mit ZDFheute.
ZDFheute: Herr Sewing, die Initiative, die Sie gerade im Kanzleramt vorgestellt haben, spricht von großen Zahlen: 631 Milliarden. Kritiker sagen, das seien Luftbuchungen, das sei eine reine PR-Nummer gewesen. Was sagen Sie dazu?
Christian Sewing: Nein, das ist nicht so, sondern es ist unser Beitrag dazu, dass wir wieder Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Deutschland sehen wollen. Ich glaube, die Regierung hat mit dem Reformpaket, aber insbesondere auch mit der Fiskalentscheidung Anfang März klar gezeigt, dass Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum Kern der Agenda sind.
Es sind bestehende Investitionspläne der deutschen Unternehmen plus zusätzliche Investitionen, die jetzt ins Rollen gekommen sind. Wir haben enormen Zuspruch von ausländischen Investoren, die in Deutschland investieren wollen. Von daher ist es schade, dass von Luftbuchungen gesprochen wird.

Es sind echte Investitionen, die in den nächsten drei Jahren geplant sind und es zeigt, dass Deutschland wieder auf dem Weg zurück ist.

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ZDFheute: Aber da werden ja viele bestehende Investitionen zusammengerechnet. Ist das nicht eher alter Wein in neuen Schläuchen?
Sewing: Nein, ganz und gar nicht. Erstmal haben wir uns über Jahre hinweg darüber beschwert, dass deutsche Unternehmen viel mehr im Ausland investiert haben - Kapitalabflüsse. Jetzt ist da ein deutliches Zeichen, dass an den Heimatmarkt geglaubt wird, dass Deutschland gestärkt wird und dass wir auch glauben, dass diese Regierung mit den Reformen, die sie eingeleitet hat, auf dem richtigen Weg ist. Und das wollen wir jetzt unterstützen. Wir wollen alle in Deutschland stark sein, natürlich auch auf der Welt.

Und diese zusätzlichen Investitionen, die darüber hinaus gekommen sind, die zeigen ja, dass ein hohes Interesse an Deutschland ist. Von daher ist es eine gute Initiative.

ZDFheute: Vor einem halben Jahr galt Deutschland noch als der kranke Mann Europas. Was hat die Stimmung so schnell gedreht?
Sewing: Ich habe immer davor gewarnt, dass wir zum kranken Mann Europas werden könnten, falls Reformen ausbleiben. Es gibt eine geopolitische Situation, in der viele Unternehmen diversifiziert investieren und versuchen, sich breiter aufzustellen.
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ZDFheute: Also müssen wir Donald Trump am Ende sogar dankbar sein?
Christian Sewing: Das würde ich so nicht sagen, aber es war mit Sicherheit ein Wake-up-Call. Übrigens nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. Wir sehen auch, dass ausländische Investoren diversifizieren. Und wir sehen den Weg, teilweise zumindest, vom US-Dollar in den Euro. Sie sehen es an den Währungen, an den Investitionszuflüssen.
Und wenn wir darüber hinaus eine echte Wachstumsagenda setzen, die mit der Unternehmenssteuerreform angestoßen wurde, mit den Turboabschreibungen, dann sehen Sie, was in diesem Land möglich ist. Und dann stehen die deutschen Unternehmen bereit.
ZDFheute: Der Kanzler sagt, Deutschland sei zurück. Ist das nicht ein bisschen verfrüht?
Christian Sewing: Deutschland ist zurück in der Spur und will wachsen. Und jetzt müssen wir Taten sprechen lassen. Es geht darum, dass wir diese Investitionssummen investieren. Es geht aber auch darum, dass weitere Reformen kommen. Wir können hier nicht stehen bleiben. Aber 50 Prozent der Wirtschaft ist Sentiment, ist Atmosphäre und wir spüren eine andere Art der Zuversicht.

Und wir spüren insbesondere, dass neben den deutschen Unternehmen auch ausländische Investoren kommen. Und das ist ein gutes Zeichen für Deutschland.

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ZDFheute: Welche Strukturreform hat jetzt Priorität?
Christian Sewing: Wir haben den richtigen Schritt der Unternehmenssteuerreform gesehen. Jetzt muss unbedingt etwas bei den Energiepreisen passieren.
Wenn Sie viele Mittelständler oder Familienunternehmer fragen, dann ist neben der Steuerreform und Energie die Bürokratie das Kernthema. Wir müssen schneller genehmigen. Und das hängt auch ganz eng zusammen mit den 631 Milliarden. Die wollen wir investieren. Wir brauchen aber schnellere Genehmigungsprozesse. Von daher haben wir heute auch nochmal deutlich gemacht, dass der Bürokratieabbau essenziell ist. Und wir brauchen endlich einen europäischen Markt.

Wir müssen als Europa wachsen und Deutschland muss in Europa eine Führungsposition aufbauen.

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ZDFheute: Die Sozialabgaben steigen auf über 42 Prozent. Ist das nicht die größte Baustelle?
Christian Sewing: Rentenversicherung und Sozialabgaben sind Kostentreiber. Aber wenn wir uns über eine kapitalgedeckte Rentenversicherung unterhalten und wenn wir dort Fortschritte machen, hat das wiederum positive Effekte auf Investitionen. Ich habe das Gefühl, dass die Bundesregierung auch da anpacken möchte.
ZDFheute: Donald Trump erwägt Basiszölle von 15 bis 20 Prozent. Wie hart träfe das Deutschland?
Christian Sewing: Jeder Zollsatz trifft uns hart. Der Basiszoll von 15 Prozent wäre ein Resultat, mit dem wir noch leben könnten und der vielleicht akzeptabel ist - zumindest im Vergleich zu den noch deutlich höheren Zollforderungen, die zuletzt in den Raum gestellt wurden. Aber Zölle sind auch für die USA meines Erachtens nicht positiv. Wir sollten weiterhin alles daran tun, global aufgestellt zu sein. Und wir müssen unbedingt als Deutschland und als Europäische Union auch bilaterale Handelsabkommen fördern.

Wir müssen uns weiter diversifizieren und genau dieses Risiko minimieren. Und was immer wir in den nächsten neun Tagen noch schaffen, um die Zölle zu senken, ist ein positiver Beitrag für Deutschland.

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ZDFheute: Vor Wochen galt ein Zoll von 15 Prozent noch als Schock.
Christian Sewing: Es wäre natürlich besser, wenn es noch niedriger ist. Aber man muss Realist bleiben.
ZDFheute: Wächst Deutschland in diesem Jahr wieder?
Christian Sewing: Die jüngsten Zahlen deuten auf ein leichtes Plus hin - sofern die Zollgespräche nicht negativ enden. Ich gehe dann davon aus, dass wir die größeren Wachstumszahlen in 2026 und danach insbesondere in 2027 sehen werden.
ZDFheute: Die dreijährige Wachstumsflaute, die ist abgehakt?
Christian Sewing: Das, was im Fiskalpaket entschieden worden ist, zusammen mit den ersten Reformmaßnahmen, das reicht nicht aus. Wir müssen jetzt weitermachen und wir müssen implementieren. Denn wir haben enorm starke Unternehmen, um die wir beneidet werden. Jetzt gilt es, umzusetzen und dann kann Deutschland auch wieder wachsen.
Das Interview führte Florian Neuhann, Leiter des ZDF-Teams Wirtschaft und Finanzen.

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