Bio-Boom: Wer profitiert? Kleine Erzeuger unter Druck

Bauernhöfe vs. Supermärkte:Wer profitiert vom Bio-Boom? Kleine Erzeuger unter Druck

Redakteurin Patricia Schäfer, ZDF-Landesstudio Bayern.
von Patricia Schäfer
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Matthias Kuhn und seine Frau Anna haben einen Bio-Gemüsehof übernommen. Inzwischen müssen sie feststellen: Auf dem Markt zu bestehen ist schwieriger als gedacht.

Matthias Kuhn in einem Gewächshaus.

Vier Familienbetriebe kämpfen mit den Herausforderungen der Landwirtschaft, mit Preisdruck und Ernte-Risiken. Matthias Kuhn hat keinen Hof geerbt - und trotzdem einen übernommen. Ohne Eigenkapital. Auf dem Wochenmarkt und im Hofladen kämpft der Bio-Gemüsebauer mit unerwarteten Schwierigkeiten.

03.10.2025 | 26:30 min

Bio boomt - doch kleine Erzeuger wie der Eulenhof in Baden-Württemberg kämpfen mit massiven Umsatz-Rückgängen. Bio-Gemüsebauer Matthias Kuhn sagt:

Seit April ist das Geschäft mit dem Hofladen, unserer wichtigsten Einnahmequelle, um 50 Prozent eingebrochen.

Matthias Kuhn, Bio-Gemüsebauer

Auch auf dem Wochenmarkt und mit seiner "Bio-Kiste" macht der Direktvermarkter weniger Umsatz. Wie kann das sein?

Neuer Bio-Rekord

Schließlich ist "Bio" längst raus aus dem Nischen-Dasein. Wurden mit Bio-Lebensmitteln im Jahr 2000 in Deutschland noch 2,1 Milliarden Euro Umsatz gemacht, waren es im vergangenen Jahr bereits 17 Milliarden.

Doch kleine Bauernhöfe wie der Eulenhof profitieren nicht davon: "Wir sehen beim Bio-Konsum eine Verlagerung - weg von kleineren Bio-Supermarktketten und Wochenmärkten sowie Direktvermarktern hin zu Supermärkten, Discountern und zunehmend auch Drogeriemärkten", sagt Prof. Ramona Weinrich vom Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre der Universität Hohenheim.

Barbara Steinberger auf dem Zuckerrüben-Feld.

Barbara Steinberger hätte einen gutbezahlten Job annehmen können, entschied sich aber für den elterlichen Hof. Als Betriebsleiterin meistert sie Aussaat, Social-Media und Generationenkonflikte.

03.10.2025 | 25:28 min

Bio ist nicht gleich Bio

Der Vorteil der großen Supermärkte und Handelsketten: Sie können wesentlich niedrigere Preise anbieten als kleine Direktvermarkter. Die Produktionskosten sind gerade im Gemüsebau hoch: Viel Handarbeit bei Pflanzenpflege und Ernte, dazu steigende Lohn- und Energiekosten.

In ihrem Hofladen verkauft Anna Kuhn die Bio-Eier der eigenen Hühner für 60 Cent pro Stück - knapp über dem Selbstkostenpreis. "Wenn ich so ein Zehner-Pack für sechs Euro rausgebe, frage ich mich manchmal, ob ich jetzt einen Rechenfehler gemacht hab, weil es mir echt wenig vorkommt." Dabei arbeiten die Kuhns so wie viele kleine Landwirte selbst unter Mindestlohn.

Mit den Discountern können sie dennoch nicht konkurrieren: Dort kostet der Zehnerpack Bio-Eier im Schnitt 3 Euro. Die Lebensmittel-Ketten bauen ihr Bio-Angebot weiter aus: Durch Eigenmarken, die zu ökologischen Mindeststandards produziert werden können und häufig nur wenig teurer sind als konventionelle Produkte. Naturkostgeschäfte und Direktvermarkter wie der Eulenhof geraten so erheblich unter Druck.

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03.10.2025 | 28:08 min

Weiterer Vorteil der Supermärkte: One-Stop-Shopping

Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen möglichst einfach und schnell einkaufen wollen. Prof. Katrin Zander, Leiterin des Fachgebiets Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel sagt:

Wenn ich auf dem Heimweg von der Arbeit einkaufen gehe, dann möchte ich möglichst alles an einem Ort bekommen - das sogenannte "One-Stop-Shopping". Auf einem Wochenmarkt oder im Hofladen einzukaufen, bedeutet einen höheren Aufwand.

Prof. Katrin Zander, Leiterin des Fachgebiets Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel

Das zeigt auch eine neue, bisher noch nicht veröffentlichte Studie des NIM (Nürnberg Institut für Marktentscheidungen). Auf die Frage "In welchen Läden kaufen Sie den Großteil ihrer Lebensmittel ein?" wird an erster Stelle der Discounter genannt mit 83 Prozent, gefolgt vom Supermarkt mit 75 Prozent. Der Wochenmarkt und der Direktvertrieb beim Landwirt liegen weit abgeschlagen bei neun beziehungsweise sechs Prozent.

Bevorzugte Einkaufsstätten für Lebensmittel

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Hilft Ideenreichtum den Höfen?

Prof. Zander empfiehlt den kleinen Direktvermarktern "innovative Konzepte, beispielsweise unproblematische Lieferung an die Haustür über Online-Shops oder die Kombination von Hofladen und Hofcafé oder Streichelzoo, so dass der Einkauf mit einem Erlebnis verknüpft wird".

Auch die Kuhns vom Eulenhof wollen diesen Weg gehen: Sie erweitern das Sortiment in ihrem Hofladen.

Wir wollen den Menschen das komplette Einkaufserlebnis bieten. Dann gibt es bei uns auch Kaffee, Mehl und Müsli.

Matthias Kuhn, Bio-Gemüsebauer

Die Hoffnung dabei: Dass die Umsätze nach oben gehen und der kleine Gemüse-Hof überleben kann.

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Quelle: dpa

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