75 Jahre Zentralrat der Juden: Mahnungen und Anerkennung

75 Jahre Zentralrat der Juden:Schuster: Aktiver gegen Antisemitismus werden

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Zum Jubiläum des Zentralrats der Juden mahnt Präsident Josef Schuster vor neuem Antisemitismus. Dem schließen sich auch Bundespräsident und Kanzler an. Ein Blick auf die Anfänge.

Ein Besucher einer Gedenkveranstaltung trägt eine Kippa mit Davidstern. (Archiv)
Der Zentralrat der Juden setzt sich dafür ein, jüdisches Leben in Deutschland wieder zu verwurzeln.
Quelle: dpa

Frank-Walter Steinmeier hat den Zentralrat der Juden in Deutschland zum 75-jährigen Bestehen gewürdigt. Er sei "zutiefst dankbar" für die Entscheidung der Gründer der Organisation, "nach der Schoa in Deutschland wieder jüdisches Leben aufzubauen", erklärte der Bundespräsident an diesem Samstag.

Steinmeier würdigt Zentralrat als Impulsgeber

Neben der Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten und dem Kampf gegen Antisemitismus habe der Zentralrat "als wichtiger Impulsgeber die demokratische Entwicklung der deutschen Gesellschaft nach 1945 vorangebracht".

Nur wenn sich Jüdinnen und Juden in Deutschland vollkommen sicher fühlen können, ist dieses Land ganz bei sich.

Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier

"Jüdisches Leben ist ein Teil von uns. Dass es vielfältig, selbstbewusst und hörbar ist, verdanken wir seit 1950 auch dem Zentralrat der Juden", erklärte seinerseits Bundeskanzler Friedrich Merz im Onlinedienst X.

Post von Friedrich Merz

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Bildmontage: Zerschlagene Glasscheibe mit zerbrochenem Davidstern vor Holocaust-Mahnmal in Berlin.
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Am 19. Juli 1950 wurde in Frankfurt am Main der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet - nur fünf Jahre nach dem Ende der Schoah. Mittlerweile sitzt er in Berlin, nahe der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße, und feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen.
Dabei war er einst als Interessenvertretung für die Übergangszeit bis zur Ausreise von Jüdinnen und Juden gegründet worden. Denn nach der Schoah mit rund sechs Millionen Toten wollten viele der wenigen Überlebenden das Land der Nazis hinter sich lassen und zum Beispiel im neu gegründeten Staat Israel oder in den USA einen Neuanfang wagen.
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, Bianca Loy, wissenschaftliche Referentin beim Bundesverband RIAS e.V. (Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus), und Benjamin Steinitz, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands RIAS e.V., nehmen an der Pressekonferenz des Bundesverband RIAS zum Jahresbericht Antisemitische Vorfälle teil.
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Doch etliche Jüdinnen und Juden blieben schließlich in Deutschland - etwa, weil ihre Familien hier jahrhundertealte Wurzeln hatten. Der Zentralrat wurde eine etablierte Interessenvertretung der jüdischen Gemeinschaft, zunächst in der westlichen Bundesrepublik und später im wiedervereinigten Deutschland. Heute ist er vor allem im Zusammenhang mit der Erinnerung an die Opfer der Schoah und im Vorgehen gegen Antisemitismus bekannt.
Josef Schuster
Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden
Quelle: dpa

Präsident Schuster: Aktiver gegen Antisemitismus werden

So sieht auch Präsident Josef Schuster den Kampf gegen Antisemitismus und für Demokratie als bleibende Aufgabe. "Da sehe ich dunkle Wolken am Himmel", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA):

Wir sehen, dass sich antisemitische Vorfälle bis in die Mitte der Gesellschaft ziehen. Hier müssen wir aktiver werden: aufklären und Institutionen in ihrer Arbeit unterstützen.

Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden

Ganz entscheidend gegen Judenhass sei Bildung - bereits bei Kindern. Gerade israelbezogener Antisemitismus sei seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 "leider sehr, sehr deutlich zu beobachten".
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Von Januar bis Oktober 2024 hat sich laut Polizei die Anzahl antisemitischer Straftaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdoppelt. Auch Makkabi Frankfurt ist betroffen.18.12.2024 | 1:01 min
Das Bundeskriminalamt hatte 2024 bei den antisemitisch motivierten Straftaten einen neuen Höchststand verzeichnet: eine Steigerung um knapp 21 Prozent auf rund 6.200 (Vorjahr: 5.200). Mit 48 Prozent wurden knapp die Hälfte der Fälle dem rechten Bereich zugeordnet und fast ein Drittel ausländischer Ideologie. Die Behörde sieht einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Zahlen und dem 7. Oktober 2023.

Gemeinden wachsen durch Zuzug von Juden aus der Ex-Sowjetunion

Heute ist der Zentralrat Dachverband von 105 Gemeinden mit etwa 100.000 Mitgliedern. Zum Vergleich sagt Schuster: "1990 hatten wir knapp 28.000 Mitglieder bundesweit." In den 90er Jahren wuchsen oder entstanden jüdische Gemeinden durch den Zuzug von Menschen aus der Ex-Sowjetunion, den "Kontingentflüchtlingen". Es entwickelte sich das, was Schuster ein "stabiles, gesundes jüdisches Leben" nennt. Zugleich zählt Schuster aber auch zu den großen Herausforderungen der Zukunft, dass die Gemeinden gestärkt und engagierter Nachwuchs gewonnen werden müssten.
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Zum Zentralrat gehören auch Institutionen wie die Jüdische Studierendenunion Deutschland, die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, das noch junge Militärrabbinat und die geplante Jüdische Akademie in Frankfurt. Gremien sind darüber hinaus eine orthodoxe und eine nichtorthodoxe Rabbinerkonferenz sowie eine Stiftung: Sie trägt neue Ausbildungsstätten in Potsdam für Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren. Schuster fasst zusammen:

Heute ist der Zentralrat die politische, religiöse und gesellschaftliche Vertretung der Interessen der Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden

Quelle: KNA, AFP

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