DGzRS rettet Schiffbrüchige:"Gefahr fährt immer mit": 160 Jahre Seenotrettung
von Nathalie Siegler
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"Rausfahren, wenn andere reinkommen" lautet ihr Motto. Seit 160 Jahren riskieren die Männer und Frauen der Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ihr Leben.
"Sie kamen, als alle Hoffnung schon verloren war. Für mich sind sie wahre Engel auf dem Wasser", sagt Oleksii Kolesnikov. Der Seemann ist einer von rund 87.000 Menschen, die die DGzRS seit ihrer Gründung vor 160 Jahren gerettet hat.
Rettung Schiffbrüchiger früher nicht selbstverständlich
Anfang des 19. Jahrhunderts galt Seenot häufig als unabwendbares Schicksal. Gerade vor den deutschen Küsten gab es etliche Schiffsunglücke. Damals waren Küstenregionen wirtschaftlich arm, angeschwemmtes Strandgut der verunglückten Schiffe war ein Zubrot.
Die Bereitschaft in der Bevölkerung, den in Not geratenen Menschen zu helfen, war nicht immer die größte.
Deike Reddig, Seefahrt-Historikerin
Zwei schwere Schiffsunglücke 1854 und 1860 und die Ideen der Aufklärung führten in der Bevölkerung zum Umdenken. 1865 gründen Georg Breusing, Adolph Bermpohl und Arwed Emminghaus die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Zunächst sind sie nur in Küstennähe im Einsatz: Seile werden mit einem Raketenapparat vom Ufer aus zu den verunglückten Schiffen geschossen, an deren Ende die sogenannte Hosenboje befestigt ist. Mit der können die Schiffbrüchigen an Land gezogen werden.
Schnelle Hilfe war Glückssache
Um zu einer Strandungsstelle zu kommen, mussten die Männer damals mit einem tonnenschweren Holzruderboot durch einen breiten Dünengürtel. Das verbesserte sich mit Einführung des transportablen Deutschen Normrettungsboots.
Trotzdem dauerte es lange bis die Männer in Korkwesten und Ruderbooten bei den Verunglückten waren. Das galt auch für die Alarmierung. Die funktionierte zunächst mündlich per Bote. Das verbesserte sich durch das Aufkommen des Funks.
Seenotrettung heute
Bis heute koordiniert die Rettungsleitstelle See in Bremen die Einsätze. Rund 2.000 sind es pro Jahr. Die sogenannte Hörwache - das ständige Mithören des See-Funkverkehrs - ist rund um die Uhr besetzt. Eine Lehre aus dem Untergang der Titanic.
Weitere technische Entwicklungen, wie die Einführung von Dieselmotoren, oder die Entwicklung der neuen Schiffsgattung des Seenotrettungskreuzers, ermöglichten die moderne Seerettung. Mit bis zu 30.000 PS können sie heute bei den Verunglückten sein und dank der Tochterboote auch in flachen Gewässern helfen.
Von Borkum bis Ueckermünde- 1.000 Retter an 55 Stationen
Seit der Gründung finanziert sich die DGzRS durch Spenden und ist politisch neutral. Unter dem Schutz der Genfer Konvention wurde während des Zweiten Weltkriegs ausnahmslos jeder gerettet, der in Seenot war. Heute stehen etwa 1.000 Retter, die meisten davon Freiwillige, an 55 Stationen an Nord- und Ostsee bereit.
1967 und 1995 sterben Seenotretter im Einsatz. "Die Gefahr fährt immer mit", so Laszlo Heise. Der Vormann des Seenotrettungskreuzer Hermann-Rudolf-Meyer, einem von 60 Schiffen der DGzRS, sieht es als "Kardinalspflicht" anderen auf dem Wasser zu helfen. Dafür wichtig: regelmäßiges Training von Rettungsszenarien und Technikchecks.
Wenn es ernst wird, hat man keine Zeit zu überlegen, da muss alles funktionieren.
Olaf Dittmann, Seenotretter
Olaf Dittmann ist seit 25 Jahren Seenotretter. 2023 war er bei einem der bislang härtesten Einsätze dabei: Am 24. Oktober kollidierten bei schlechtem Wetter die Frachter Verity und Polesie vor Helgoland.
Fünf Seeleute starben. Mit Hilfe der Luftrettung der Marine konnten zwei Seemänner aus der 12 Grad kalten Nordsee gerettet werden. Olkesii Kolesnikov war einer davon: "Ich bin den Rettern unendlich dankbar. Sie haben mir ein zweites Leben gegeben."
"Rausfahren, wenn andere reinkommen" ist ihr Leitspruch und auch künftig werden die Männer und Frauen der DGzRS bei Wind und Wetter ihr eigenes Leben riskieren, um Schiffbrüchigen zu helfen.
Nathalie Siegler ist Reporterin im ZDF-Studio in Bremen.
Quelle: dpa
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