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Kritik an Abschiebeflug:Legitimiert Deutschland so das Taliban-Regime?
von Lennart Glaser, Adrian Lächele
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Kritik am Abschiebeflug nach Afghanistan: Deutschland legitimiere so die Taliban, sagt Rechtswissenschaftler Pichl. Er kritisiert auch das Timing des Flugs, kurz vor den Wahlen.
Der Wiesbadener Rechtswissenschaftler Maximilian Pichl hat den Abschiebeflug mit 28 Straftätern nach Afghanistan kritisiert. Es sei nicht vorstellbar, dass dieser Flug völlig ohne Verhandlungen mit Kabul erfolgt sei, sagte Pichl ZDFheute:
Das ist die mittelbare Akzeptierung des Taliban-Regimes.
Maximilian Pichl, Prof. für Rechts- und Politikwissenschaft
Es stelle sich die Frage, mit wem genau die Bundesregierung die Abschiebungen besprochen habe. Vorstellbar wäre, dass Berlin mit Mittelsmännern geredet habe, zum Beispiel mit Katar. Auch seien noch weitere Fragen offen:
Der Flug findet ohne Begleitung der Bundespolizei statt: Wie steht es dann um die Luftsicherheit?
Maximilian Pichl, Prof. für Rechts- und Politikwissenschaft
Droht Abgeschobenen die Todesstrafe?
Pichl warnt auch vor den Konsequenzen, die den 28 Abgeschobenen in Afghanistan drohen könnten. In Deutschland sei man stolz darauf, dass es keine Todesstrafe gebe. "Das kann jetzt aber Menschen dort drohen, in diesem Willkür-Regime."
Es ist zwar aktuell unpopulär, aber auch Menschen, die schwere Straftaten begehen, haben Rechte.
Maximilian Pichl, Prof. für Rechts- und Politikwissenschaft
Am frühen Freitagmorgen war eine Maschine von Qatar Airways vom Flughafen Leipzig/Halle in Richtung Kabul gestartet. Es war der erste Abschiebeflug nach Afghanistan seit August 2021. An Bord befanden sich nach Länderangaben unter anderem Straftäter aus Hessen, Niedersachsen oder Baden-Württemberg. Ursprünglich sollten 33 Straftäter abgeschoben werden.
Faeser: Keine direkten Gespräche mit den Taliban
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagt, Berlin habe Unterstützung von Schlüsselmächten der Region erhalten, ohne konkreter zu werden. Die Verhandlungen habe federführend das Kanzleramt geführt. Laut Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat es keine direkten Verhandlungen mit den Taliban gegeben.
FDP-Politiker Stephan Thomae deutet an, dass die Abschiebungen mittels Katar durchgeführt wurden. "Katar ist hier offensichtlich in der Lage und bereit, diesen Mittelsmann zu spielen, dieses schwierige Unterfangen", sagt er ZDFheute.
Aber da es schon einmal funktioniert hat, sollten wir mit den Kataris weiterhin über dieses Thema verhandeln.
Stephan Thomae, FDP
Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) fordert, perspektivisch müssten "auch Rückführungen von ausreisepflichtigen Syrern unabhängig von Straftaten möglich werden".
"Verfassungswidrig": Kritik an Ampel-Paket
Abschiebungen sind Teil des Pakets, auf das sich die Ampel am Donnerstag als Reaktion auf den tödlichen Anschlag von Solingen geeinigt hatte. "Wir wollen Rückführungen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen", so Faeser. In einem Schreiben an die Fraktionen im Bundestag, das ZDFheute vorliegt, kündigt Faeser an, dafür zu sorgen, "dass Abschiebungen in der Praxis effektiver und erfolgreicher umgesetzt werden können".
Kritik gibt es vor allem an einem Punkt: Geflüchtete, die vor ihrer Ankunft in Deutschland bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, sollten in Deutschland künftig keinen Anspruch auf staatliche Leistungen mehr haben.
"Diese Pläne sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Menschenwürde und stehen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entgegen", sagt Rechtswissenschaftler Pichl.
Taktik vor den Landtagswahlen?
Pichl wirft den Ampel-Parteien Taktik vor, wenige Tage vor den Landtagswahlen in zwei ostdeutschen Bundesländern: "Das Paket der Bundesregierung ist Wahlkampfgetöse vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen."
Die Ampel wolle offenbar vor allem Handlungsfähigkeit beweisen. "Indem man jetzt Härte in der Migrationspolitik zeigt, treibt man die sich wechselseitig verstärkende Debatte der letzten Tage noch weiter", sagt Pichl. Die Leidtragenden seien dabei die Schutzsuchenden.
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