mit Video
Interview
Mehr Geld für Verteidigung:Nato-General: "Abschrecken - und Frieden wahren"
|
Der Eklat ist ausgeblieben, die Nato hat sich auf höhere Verteidigungsausgaben geeinigt. Was aber nötig ist, um diese dann sinnvoll einzusetzen, erklärt Nato-Chefstratege Badia.
Auf dem Gipfel der Nato in Den Haag ist ein neues Ausgabenziel beschlossen worden: Künftig sollen jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung fließen - 3,5 Prozent für klassische Militärbudgets, 1,5 Prozent für Infrastruktur und Sicherheit im weiteren Sinn. Eine Folge massiven Drucks von US-Präsident Donald Trump, der Europas Partnern unmissverständlich mehr Eigenleistung abverlangte.
Nato-General Christian Badia sagt: "Wir müssen dem Gegner ein Dilemma schaffen".
Quelle: Nato
Einer, der den Wandel in der Allianz vorantreiben soll, ist General Christian Badia. Der Luftwaffenoffizier ist Deutschlands ranghöchster Nato-Soldat und als "Deputy Supreme Allied Commander Transformation" (DSACT) im US-amerikanischen Norfolk für die strategische Zukunftsplanung der Nato verantwortlich.
Badia berät Nato-Staaten
"Wenn Sie keine Strategieabteilung haben, wenn Sie nicht wissen, was in zehn, fünfzehn Jahren passieren soll, dann haben Sie nie eine gute Beschreibung des Weges", sagt Badia. Sein Job sei, das Bündnis für die Sicherheitsherausforderungen der Zukunft aufzustellen. "Unser Hauptauftrag ist es, Transformation umzusetzen - wir fragen:
Was passiert 2030, 2040 und darüber hinaus? Und mit welchen Fähigkeiten muss die Nato darauf vorbereitet sein?
General Christian Badia, Deutschlands ranghöchster Nato-Soldat
Der Vier-Sterne-General berät Staats- und Regierungschefs aller Nato-Staaten und denkt dabei in drei "Cs": Capabilities, Credibility, Communications (Fähigkeiten, Glaubwürdigkeit, Kommunikation). Die nötige Abschreckung von Aggressoren wie Russland funktioniere nur, "wenn wir dem Gegner ein Dilemma schaffen, indem wir glaubhaft zeigen, dass und wie wir uns verteidigen können - und das klar kommunizieren."
Das Bündnis müsse dem Gegner, wer immer das sein mag, die Frage aufzwängen: "Kann ich daraus siegreich hervorgehen? Und wenn er das nicht kann, wird er es nicht tun, und das ist das Ziel der Abschreckung."
Lastenteilung und fünf Prozent
Glaubhafte Abschreckung setze verlässliche Rüstungsprogramme und modernisierte Infrastruktur voraus. Aus Badias Sicht ist es nachvollziehbar, dass die USA unter Präsident Trump von allen Partnern fordern, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Wo Unsicherheit entstehe, sei die Frage der Lastenverteilung - wie viel trägt Amerika, wie viel Europa? Mit dem neuen Ausgabenziel von Den Haag verschiebt sich diese Balance in Richtung mehr europäischer Verantwortung.
Blick in den Indopazifik
Die USA verlagern strategische Kapazitäten zunehmend in den Indopazifik. Für Badia eine logische Konsequenz aus der Unsicherheit, die China in der Region stiftet. Es sei daher "im Interesse aller, dass Europa verteidigungsfähig bleibt", während Washington Prioritäten im Fernen Osten setze.
Was auf dem Spiel steht, sei allen 32 Nato-Nationen bewusst. "Das sehe ich täglich in diesem Hauptquartier, das sehe ich, wenn ich in Brüssel bin, der Zusammenhalt ist da."
Hybride Front, industrielle Basis
Badia warnt jedoch vor einem rein quantitativen Wettrüsten: Mehr Panzer und Schiffe allein lösen das Problem nicht. Er fordert Innovationskraft - zu Land, zu Wasser, in der Luft, vor allem aber auch im Weltraum- und Cyber-Bereich.
Nur durch Innovationskraft können Sie die Kampfkraft erhöhen.
Christian Badia, General der Luftwaffe der Bundeswehr
Zugleich brauche die Rüstungsindustrie langfristige Rahmenverträge. Produktion lasse sich nicht über Nacht hochfahren: "Die Nachfrage muss durch Staaten generiert werden. Und hier ist enorm viel Nachholbedarf. Nicht nur militärisch, sondern das ist auch ganz stark von politischen Impulsen abhängig."
Eine Vereinbarung für höhere Verteidigungsbudgets gebe der Branche planbare Perspektiven. Insbesondere brauche es aber auch mehr europäische Rüstungskapazitäten, nicht nur Einkäufe bei amerikanischen Herstellern.
"Wir leben im hybriden Konflikt"
Badia sieht Europa bereits heute unter Beschuss: Satelliten würden geblendet, Cyberangriffe legten Netze lahm, kritische Infrastruktur sei im Visier. "Wir leben nicht im Frieden, sondern in einem hybriden Konflikt", betont er. "So etwas kann zu einem bewaffneten Konflikt führen." Abschreckung müsse deshalb alle Domänen abdecken - militärisch, wirtschaftlich, kommunikativ.
Best-Case-Szenario
Das Ziel des Verteidigungsbündnisses bleibe, Konflikte zu verhindern: "Der Best-Case ist, gut vorbereitet zu sein, um nicht kämpfen zu müssen." Die Fünf-Prozent-Absicht sei ein wichtiger Schritt dorthin - vorausgesetzt, sie werde rasch mit Geld, Technologie und politischem Willen unterlegt.
Mit einem ambitionierten Finanzrahmen könnte die Nato die nötige Informationsdominanz gewinnen, um das zu erreichen, was Badia als Kernauftrag beschreibt: Abschrecken - und dadurch den Frieden wahren.
David Sauer ist Korrespondent im ZDF-Studio Washington.
Themen
2:16 min
Nachrichten | heute journal update:Abschreckung in Aktion
von Isabelle Schaefers
42:16 min
phoenix | phoenix vor ort:Merz: NATO-Gipfel "historisch"
Exklusiv
Milliarden für Rüstungskonzerne:Wer am meisten von der Zeitenwende profitiert
von Christian Schweppe