Diese Drohnen-Strategie hat Putin im Krieg gegen die Ukraine
Interview
Zahl der Bombardements steigt:Diese Drohnen-Strategie fährt Putin im Ukraine-Krieg
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Russland eskaliert seinen Drohnenkrieg gegen die Ukraine und setzt zunehmend auf Massenproduktion, erklärt Militärexperte Lange. Um was es Putin geht und was Kiew helfen könnte.
Sehen Sie hier das Interview mit Militärexperte Nico Lange in voller Länge.31.07.2025 | 27:46 min
Weitreichende russische Drohnen kommen jede Nacht in Schwärmen. Sie kreuzen zu Hunderten stundenlang über der Ukraine, terrorisieren die Bevölkerung und greifen Ziele vom industriellen Osten bis zur westlichen Grenze zu Polen an.
Russland bombardiere die Ukraine jetzt oft in einer einzigen Nacht mit mehr als 400 Drohnen, früher seien es eher circa 80 Drohnen gewesen, erklärt Militärexperte Nico Lange im Interview mit ZDFheute live. Massen von Drohnen würden zum Terror gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Immer wieder treffen sie Wohnhäuser.
Wir haben das jetzt zum dritten Mal erlebt in der letzten Nacht, dass ein Wohnhaus mit neun Stockwerken komplett eingestürzt ist.
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Nico Lange, Militärexperte
Es gebe noch Widerstandskraft, dennoch seien die Menschen in Kiew kriegsmüde und erschöpft, berichtet ZDF-Reporter Bode. Immer mehr Männer wollen den Kriegsdienst demnach umgehen. 31.07.2025 | 6:50 min
Warum der Politikwissenschaftler mit einer weiteren russischen Eskalation rechnet und was der Ukraine helfen würde:
Welche Drohnen-Strategie fährt Russland gegen die Ukraine?
Russland habe seine Drohnenproduktion massiv hochgefahren, betont Lange. Dabei setze Kreml-Chef Wladimir Putin zunehmend auf industrielle Massenfertigung. Die dafür benötigten Komponenten stammten ursprünglich aus dem Iran, würden inzwischen jedoch "zu großen Teilen durch chinesische Technologie ersetzt".
Moskau verfüge mittlerweile über die Kapazität, "Tausende von Drohnen im Monat" zu produzieren und setze sie systematisch ein. Ziel sei es, die ukrainische Luftabwehr durch Drohnen und Täuschkörper zu überfluten. Eine Taktik, die zunehmend Wirkung zeige: "Die sind dann überfordert, und dann kommt immer irgendetwas durch."
Die Angriffe würden in der Regel mit Marschflugkörpern und Raketen kombiniert und ereigneten sich inzwischen "jede Nacht". Besonders alarmierend sei die Entwicklung im Juli: "Da hat Russland das erste Mal über 6.000 von diesen 'Geran-2 Drohnen' in einem Monat auf ukrainische Städte losgelassen."
Die Geran-2-Drohne habe eine "lange Geschichte", erklärt Militärexperte Lange. "Das ist eine Drohne, die Russland aus dem Iran zunächst importiert hat und dann die Produktion in Lizenz aufgenommen hat und diese Drohne verbessert hat." Die ursprüngliche Bezeichnung sei "Shahed" gewesen. Inzwischen werde sie unter dem russischen Namen Geran-2 geführt.
Es handele sich um eine verbesserte Version der iranischen Vorlage, die nun in großer Stückzahl hergestellt werde. "Im Grunde ist Drohne auch gar nicht der richtige Begriff", sagt Lange. Viele würden bei Drohnen an kleine Fluggeräte denken, doch "diese Geran-2 sind relativ groß". Vom Charakter her seien sie eher "sehr billige Marschflugkörper, die über weite Entfernungen sehr genau großen Schaden anrichten können".
Ihre Gefährlichkeit entstehe vor allem durch die Masse ihres Einsatzes. Um sich gegen solche Schwärme zu verteidigen, müsse man "sehr viele unterschiedliche Dinge tun".
Ohne schnelle Unterstützung für die Ukraine drohe eine neue Eskalationsstufe.
Wenn wir nicht schleunigst der Ukraine helfen, gegen diese Drohnen was zu tun, dann wird das zu einer Vertreibungskampagne führen, weil die Menschen dann in den ukrainischen Städten schlicht und einfach nicht mehr leben können.
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Nico Lange, Militärexperte
Erklärvideo zu den Modellen, Aufgaben und Schwächen der unbemannten Fluggeräte. Die Ukraine und Russland setzen so viele Drohnen ein wie nie zuvor in einem anderen Krieg der Welt.07.12.2023 | 2:01 min
Was würde der Ukraine im Drohnenkrieg helfen?
Nach Einschätzung von Lange reicht es nicht aus, einzelne Waffensysteme wie den Gepard-Panzer einzusetzen. Sie seien zwar wirksam, aber in viel zu geringer Stückzahl vorhanden, um die riesige Fläche der Ukraine flächendeckend zu schützen und die Masse an Drohnen abzufangen.
Wenn man sich wirksam verteidigen will, gegen solche Wellen an Drohnen, dann muss man ein gestaffeltes System aufbauen.
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Nico Lange, Militärexperte
Der Gepard ist ein gepanzertes Fahrzeug, das zur Flugabwehr verwendet wird.
Quelle: dpa
Ein solcher mehrschichtiger Verteidigungsansatz müsse zunächst auf elektromagnetische Kampfführung setzen, um die Steuerung feindlicher Drohnen zu stören oder zu übernehmen.
Ergänzend brauche es datenbasierte Sensorik wie Radar- und akustische Systeme, um Drohnenschwärme frühzeitig zu erkennen und gezielt abzufangen - idealerweise schon beim Eintritt in den ukrainischen Luftraum.
Zur aktiven Abwehr empfiehlt der Experte eine Kombination aus:
Schnellfeuerkanonen (wie beim Gepard)
Kurzstrecken-Luftverteidigungssystemen
Jagddrohnen
der nötigen Munition
Lenkflugkörper
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Entscheidend sei zudem eine offensive Komponente: "Am Ende braucht man auch Abstandswaffen, um die Abschussplätze und die Fabriken unter Feuer zu nehmen." Nur so könne verhindert werden, dass die Ukraine dauerhaft in einen zermürbenden Abnutzungskampf gegen eine Flut von Drohnen gerät.
Mit Blick auf die Bilder russischer Produktionsstätten werfe sich laut Lange auch eine grundsätzliche Frage auf: "Wofür produziert Russland eigentlich diese Drohnen?" Selbst bei einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine sei es denkbar, dass Russland sie "irgendwann gegen uns einsetzt".
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Wie wird Putin auf Sanktionen von Trump reagieren?
Trump kündigte an, sein 50-Tage-Ultimatum an Putin zur Beendigung des Ukraine-Kriegs auf "zehn bis zwölf Tage" zu reduzieren. Lange zeigt sich skeptisch, ob Trumps angekündigte Sanktionen Putin ernsthaft unter Druck setzen können.
Zwar sei es richtig, russische Energieträger zu sanktionieren, denn "Putin finanziert seinen Krieg fast ausschließlich mit dem Verkauf dieser Energierohstoffe". Doch Trumps Maßnahmen beschränkten sich vor allem auf Zölle.
Mehr als Zölle werden dann auch nicht kommen. Und ob die ausreichen, um Putin zum Umdenken zu bewegen, da bin ich skeptisch.
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Nico Lange, Militärexperte
Zudem setze Trump derzeit gezielt Handelspolitik als Druckmittel ein, etwa gegenüber der EU und Indien.
Doch wirtschaftlicher Druck allein reiche nicht. Entscheidend sei, "dass militärischer Druck durch bessere Ausstattung der Ukraine hinzukommt". Besonders die europäischen Staaten warteten laut dem Militärexperten zu lange ab.
Das Interview führte Christian Hoch, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.