Nach den Gipfeln in den USA:Was bedeuten Sicherheitsgarantien für Kiew?
Die Debatte über einen möglichen Bundeswehr-Einsatz zur Friedenssicherung in der Ukraine ist voreilig, aber notwendig. Eine Beteiligung hängt von den militärischen Aufgaben ab.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat die Bedeutung von Sicherheitsgarantien betont. Diese müssten "glaubwürdig und robust sein - und dafür brauchen wir alle Parteien!"
21.08.2025 | 10:40 minNoch ist kein Waffenstillstand in der Ukraine in Sicht, aber in Deutschland wird schon diskutiert, ob es deutsche Truppen braucht. Dabei sind Schlüsselfragen noch gar nicht geklärt.
Das betrifft für vor allem die Frage, wie ein Waffenstillstand überhaupt erreicht werden kann, und welche Aufgaben mit einer Sicherheitsgarantie verbunden wären. Dafür braucht es ein mit der Ukraine, den USA und den Europäern abgestimmtes Konzept. Das soll US-Außenminister Marco Rubio jetzt mit seinen Kollegen beraten.
Wenige Eckpunkte sind bislang bekannt. Einen hat der US-Unterhändler und Trump-Freund Steve Witkoff selbst ins Spiel gebracht: Sicherheitsgarantien, die mit denen des Nato-Artikels 5 vergleichbar wären.
Artikel 5 des Nato-Vertrags sieht vor, "dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird".
Der Nato-Rat stellt den Bündnisfall fest, erklärt wurde er bisher erst ein Mal: nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001. Im Gegensatz zum ursprünglichen Artikel 5 würde im diskutierten Szenario aber nicht das atlantische Bündnis einspringen - die Vereinigten Staaten und europäische Länder stünden stattdessen in der Pflicht.
Quelle: dpa
Für viele Europäer gehört dazu auch, einen Waffenstillstand abzusichern, Russland vor weiteren Angriffen abzuschrecken und die Ukraine im Falle eines erneuten Angriffs zu verteidigen. Wenn die Aufgabe geklärt ist, können auch mögliche deutsche Beiträge bestimmt werden.
Die Ukraine drängt auf konkrete Sicherheitsgarantien für den Fall eines Friedensabkommens mit Russland. Währenddessen lässt Putin weiter Bomben fallen.
21.08.2025 | 2:17 minPflicht zur militärischen Unterstützung?
Die Beistandspflicht des Artikels 5 im Nato-Vertrag legt zwar nicht fest, mit welchen Mitteln die Alliierten Beistand leisten. Aber alle Nato-Staaten verstehen darunter mittlerweile militärische Unterstützung.
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
... ist Senior Vice President und Mitglied der Geschäftsführung im unabhängigen US-Think Tank German Marshall Fund. Ihre Schwerpunkte sind europäische und transatlantische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Daher plant die Nato die Verteidigung des Nato-Gebietes: Welche Truppen braucht es, welche Ausrüstung wo und wann? Das Bündnis bereitet sich also systematisch auf die gemeinsame Verteidigung (Nato-)Europas vor.
Zwei Tage nach dem Gipfel in Washington haben die Armeechefs der Nato-Staaten über die Lage in der Ukraine beraten. Ein zentrales Thema waren die Sicherheitsgarantien.
20.08.2025 | 1:38 minWeil die Staaten die einzelnen Aufgaben unter sich verteilen und damit Abhängigkeiten eingehen, erwarten auch alle voneinander, dass jeder im Ernstfall mit der Armee kommt, die er zugesagt hat. Sollte ein Staat seine Zusagen nicht einhalten, würde dies Lücken in die Verteidigung reißen - und die Sicherheit aller Alliierten riskieren.
Zwischen Nato-Partner und Nato-Alliiertem
Übertragen auf die Ukraine bedeutet das: Die Ukraine, die Europäer und die USA würden einen Verteidigungsplan für Kiew erstellen. Ausgangspunkt wären die Szenarien, mit denen Russland die Ukraine erneut angreifen könnte.
Die Ukraine würde mithilfe der Europäer und der USA in die Lage versetzt werden, einen Angriff abzuschrecken und im Ernstfall abzuwehren. So würde die Ukraine etwas zwischen einem Nato-Partner, der sie heute schon ist, und einem Nato-Alliierten - was die Nato ihr zuletzt 2024 in Aussicht gestellt hat.
Nach seinen Gesprächen mit Putin und Selenskyj plant US-Präsident Trump ein direktes Treffen der beiden. Ex-Nato-General Ramms über mögliche Gebietsabtretungen und Friedenstruppen.
21.08.2025 | 29:08 minMangelnde politische und militärische Bereitschaft
Viele Europäer sorgen sich jedoch, dass ein solcher Schutz der Ukraine auf Kosten der eigenen Sicherheit gehen würde. Denn die meisten Europäer haben ihre Streitkräfte für die Nato-Verteidigung verplant - und müssten sie dort rausnehmen. Sie würden also wissentlich eine Schwächung der Nato-Verteidigung in Kauf nehmen, um die Ukraine zu schützen.
Letzteres würde zwar langfristig Europas Sicherheit nutzen - aber kurzfristig ein Risiko bedeuten. Entsprechend vorsichtig sind die aktuellen Überlegungen zur Rollenverteilung in einem möglichen Einsatz in der Ukraine.
Russische Bedingungen für eine Waffenruhe seien "ungewiss". Ein Abbau der ukrainischen Armee, ihr Verzicht auf den Nato-Beitritt und das Bestehen auf den Donbass seien wahrscheinlich, so ZDF-Korrespondent Armin Coerper.
20.08.2025 | 2:38 minOhne die USA nur begrenzt einsatzfähig
Natürlich würden die ukrainischen Streitkräfte die Hauptaufgaben übernehmen. Die Europäer und USA könnten sie mit Ausrüstung, Ausbildung und industrieller Zusammenarbeit weiter stärken. Zudem könnten die Europäer hinter den ukrainischen Truppen unterstützen - da, wo die Ukraine Lücken hat, etwa in der Luftwaffe, bei Abstandswaffen oder bei der maritimen Sicherung.
Allerdings sind die Europäer ohne bestimmte US-Fähigkeiten wie Aufklärung, Flug- und Raketenabwehr, Abstandswaffen und Transport nur begrenzt einsatzfähig. Die Aussagen aus Washington bleiben aber diffus, mal spricht US-Präsident Donald Trump von einer koordinierenden Rolle und Luftunterstützung, mal sollen die Europäer alles machen.
Egal was kommt: Eine mögliche Koalition muss sich Verfahren überlegen, wer was im Krisenfall macht, sonst werden weder Abschreckung noch Verteidigung funktionieren.
Der Kreml sei nicht an direkten Gesprächen interessiert, so Russland-Expertin Margarete Klein. Moskau wolle Selenskyjs Legitimität untergraben und ihn entmachten.
21.08.2025 | 8:50 minEuropäer allein für die Ukraine?
Ein möglicher Einsatz, sollte es einen Waffenstillstand geben, hängt also von der Bereitschaft der USA ab, sich militärisch zu engagieren. Kommt diese nicht, müssen die Europäer für sich klären, was sie realistisch bereitstellen können und ob das Russland abschreckt.
Zu wenig Truppen bereitzustellen, käme einem gefährlichen Bluff gleich, der Russland zum Testen einladen könnte.
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