Militärexperte: "Nicht von positiver Stimmung täuschen lassen"
Interview
Militärexperte Nico Lange:"Nicht von positiver Stimmung täuschen lassen"
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Trotz der positiven Bilder gebe es noch viele ungeklärte Fragen über die Ausgestaltung der Sicherheitsgarantien für die Ukraine, analysiert Sicherheitsexperte Nico Lange im ZDF.
Sehen Sie hier das Interview mit Militärexperte Nico Lange.19.08.2025 | 4:19 min
Nach dem mehrstündigen Gipfel in Washington zeigen sich Regierungschefs wie Bundeskanzler Friedrich Merz positiv. "Meine Erwartungen sind eigentlich nicht nur getroffen, sondern übertroffen worden", erklärt er nach dem Treffen. Politikwissenschaftler Nico Lange warnt im ZDF vor zu früher Freude. Man dürfe sich von der positiven Stimmung nicht täuschen lassen, es gebe noch viele ungeklärte Fragen.
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Im Gespräch mit dem ZDF heute journal update betont Lange, dass ...
... man sich von der positiven Stimmung nicht täuschen lassen soll
Militärexperte Lange warnt davor, sich von der positiven Stimmung rund um die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Gespräche täuschen zu lassen. "Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass, wenn dort alle Gründe haben, Trump gegenüber immer zu sagen, wie toll alles ist und wie gut er das macht, und wie prima alles läuft, dass wir nicht denken, dass das wirklich heißt, dass alles toll ist und prima läuft." Es gebe "sehr sehr viele ungeklärte Fragen".
So verwies er auf eine Äußerung von Putins Berater Juri Uschakow, wonach Delegationen bereit seien zu einem trilateralen Treffen. "Das ist im Grunde zurück auf Los. Also, wenn das nicht Putin und Selenskyj sind, sondern Delegationen der beiden, das hatten wir ja schon öfter." Auch das derzeit kursierende Stichwort "Sicherheitsgarantien" sieht Lange kritisch: Es beinhalte "sehr sehr viele komplizierte, völlig ungeklärte Punkte, die sehr vielen noch sehr viel abverlangen werden".
Zwar könne es sich um einen Schritt in Richtung Waffenstillstand handeln, aber:
... während geredet wird, wird durch Russland auch weiter geschossen.
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Nico Lange, Militärexperte
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... es weiter viele offene Fragen gebe
Während Trump behauptet, Russland habe den geplanten Sicherheitsgarantien für die Ukraine bereits zugestimmt, und Nato-Generalsekretär Mark Rutte sogar von einem Durchbruch spricht, reagiert Militärexperte Lange mit Skepsis.
Auf die Frage, ob das naiv sei, antwortet er klar: "Ja. Zu sagen, man braucht Russlands Einverständnis dafür, dass man der Ukraine Sicherheitsgarantien gegen Russland gibt, das ist naiv." Die russischen Äußerungen gingen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung. Russland werde keine Truppenpräsenz aus Nato-Mitgliedstaaten in der Ukraine dulden.
Man muss den Aggressor nicht fragen, was er dulden würde. Russland wird immer gegen alle diese Dinge sein. Da würde ich mir überhaupt nichts vormachen.
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Nico Lange, Militärexperte
Quelle: Tobias Koch
... ist Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Von 2004 bis 2006 forschte und lehrte er in St. Petersburg - später leitete er die Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine und in den USA. Von 2019 bis 2022 war er Leiter des Leitungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung.
Lange betont zudem, dass viele operative Fragen ungeklärt seien, etwa zur Rolle:
der ukrainischen Streitkräfte
zu einer möglichen europäischen oder US-amerikanischen Militärpräsenz
zur satellitengestützten Aufklärung
zur Luftraumüberwachung
zur Überwachung des Schwarzen Meeres
"All diese Fragen brauchen doch konkrete Antworten. Und wenn die europäischen Mitgliedsstaaten sagen, wir hätten das gerne, dass die Amerikaner das machen, oder einzelne Staaten sagen, wir finden das gut, aber wir machen nicht mit, dann wird es keine Lösung geben", warnt er.
Trotz der "positiven Bilder", ist der Militärexperte "bei den Bewertungen dieser Sicherheitsgarantien daher noch vorsichtig".
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... die Taktik Putins darin bestehe, alles in die Länge zu ziehen
Militärexperte Lange sieht einen Waffenstillstand weiterhin als zentrale Voraussetzung für Verhandlungen. Er zeigt sich kritisch gegenüber der Haltung des Bundeskanzlers Friedrich Merz nach dem Gipfel in Alaska: "Ich war enttäuscht, als der Bundeskanzler am Wochenende diese richtige Position geräumt hat nach dem Gipfel von Alaska." Umso wichtiger sei es gewesen, dass Merz am Montag gegenüber dem US-Präsidenten klar Stellung bezogen habe: "Erst einen Waffenstillstand und dann alles weitere."
Die russische Taktik bestehe darin, "alles in die Länge zu ziehen […] und gleichzeitig den Krieg weiterzuführen". Merz habe das deutlich angesprochen, "sehr wie ich fand zum Unmut von Donald Trump". Dessen Aussage, er habe sechs Kriege ohne Waffenstillstand beendet, kommentiert Lange: "Jetzt kann ja jeder sich selbst ein Bild machen, wie der Wahrheitsgehalt der Äußerungen von Donald Trump ist."
Das Interview führte ZDF-Moderatorin Nazan Gökdemir, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.
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